11 Jahre nach Bulat Tschagajev: Neuchâtel Xamax erneut am Abgrund
Neuchâtel Xamax gehört zu den grossen Traditionsklubs im Westschweizer Fussball. Nun steht der Klub nach einer katastrophalen Spielzeit zum zweiten Mal in der jüngeren Vereinsgeschichte vor dem Abschied aus dem Profi-Fussball: Der Ligaerhalt in der Challenge League kann nur noch via den beiden Barrage-Spielen gegen den FC Rapperswil-Jona (31.5. und 3.6.) gelingen.
Zwei Meistertitel, vier Cupfinalteilnahmen sowie unvergessliche Europacup-Sternstunden mit Siegen gegen Real Madrid oder den FC Bayern München. Der Neuchâtel Xamax FCS hat in den letzten 40 Jahren einige der ruhmreichsten Kapitel im Schweizer Klubfussball geschrieben. Zuletzt musste der Verein jedoch immer wieder gewaltige Rückschläge verkraften. So ging er in der Saison 2011/2012 unter der Führung des später verurteilten Mehrheitsaktionärs Bulat Tschagajew (RU-CE) Konkurs und wurde aufgrund finanzieller Verfehlungen in den Amateurfussball zwangsrelegiert. Und nun, 11 Jahre und einen kompletten Wiederaufbau später, stehen die Neuenburger erneut am Abgrund. Setzt man sich gegen FCRJ nicht durch, ist der Abstieg in die Promotion League Tatsache. Nur fünf Jahre nach der Rückkehr in die Super League und nur drei Jahre nach dem Abstieg in die Challenge League. Wie konnte es abermals soweit kommen?
Sensationelle Rettung als Anfang vom Ende
Gross war der Jubel in Neuenburg, als Xamax am 2. Juni 2018 ein mittelgrosses Fussball-Wunder gelang. Nach einer 0:4 Pleite im Barrage-Hinspiel gegen den FC Aarau in eigentlich aussichtsloser Position ins Brügglifeld gereist, schaffte Xamax die sensationelle Wende und sicherte sich im Penalty-Schiessen den Ligaerhalt in der Super League. Trainer Stéphane Henchoz war der grosse Retter, trotzdem setzte man in der darauffolgenden Spielzeit auf den auf Profistufe unerfahrenen Joel Magnin, dessen Zeit auf der Neuenburger Bank nach 28 Runden der Saison 2019/2020 ablief. Abermals sollte Henchoz die Neuenburger in schier auswegloser Situation vor dem Abstieg retten, dieses Mal jedoch blieb das erhoffte Wunder aus. Nach zwei durchzogenen Kampagnen in der Challenge League nistete sich Xamax in der aktuellen Spielzeit schon früh auf dem letzten Tabellenplatz ein, ein Umstand den weder der nach sechs Spieltagen gefeuerte Andrea Binotto (52), noch sein Nachfolger Jeff Saibene (53), der am 25. April seines Amtes enthoben wurde, verändern konnten. Dies trotz einem Kader mit Super-League-erfahrenen Spielern wie Nikki Havenaar (28, ex-Thun), Marvin Spielman (27, ex-YB, ex-Thun), Aimery Pinga (25, ex-GC) und Raphaël Nuzzolo (39, ex-YB). Gegen Rappi winkt nun die ultimativ letzte Chance zur Korrektur.
Forte und Nuzzolo als Hoffnungsträger
Immerhin: Auf der Trainerposition hat sich Xamax in Uli Forte mit einem erfahrenen Übungsleiter verstärkt, der zuletzt auch in Yverdon bewiesen hat, dass es ihm für gewöhnlich relativ rasch gelingt, den Turnaround einzuleiten und neuen Glauben zu vermitteln. Genau diese Fähigkeiten sind in Neuenburg dringend von Nöten, sammelte Xamax vor seiner Ankunft doch gerade einmal 19 Punkte aus 30 Spielen. Nur: Bislang ist der Forte-Effekt am Neunburgersee noch nicht wie gewünscht eingetreten (5 Punkte in sechs Spielen). Allerdings gilt es dabei zu berücksichten, dass es seit dem Amtsantritt von Forte Ende April nur darum geht, die Mannschaft auf die anstehende Relegation vorzubereiten. Können beide Spiele erfolgreich bestitten werden, ist Fortes Mission erfüllt. Auf Unterstützung wird Forte dabei mit Sicherheit von Routinier Nuzzolo zählen dürfen: Die 39-jährige Vereinslegende (knapp 500 Spiele für Xamax) wird nach der Barrage seine Karriere beenden. Es wäre Nuzzolo und dem Klub zu gönnen, könnte er dies als Challenge-Ligist tun. Ein erneutes Verschwinden von Xamax und der schmucken Maladière wäre mit Sicherheit ein Verlust für den Schweizer Profi-Fussball.