In ihrer neuen Kolumne blickt Sky Sport Expertin Andrea Petkovic auf die beiden Finals zurück und glaubt an eine neue Rivalität, die gestern ihren Anfang nahm.
Alle Baguettes sind aufgegessen, die Cafe au Laits sind ausgetrunken. Die letzten Sandkörner wurden in konzentrischen Kreisen sauber gefegt und wir haben neue (alte) Sieger und Siegerinnen bei den French Open. Das härteste Grand-Slam-Turnier der Welt hat das am längsten ausgefochtene Herren-Finale aller Zeiten hervorgebracht. Das vielleicht beste Tennismatch seit Rafael Nadal Roger Federer im Wimbledon Finale 2008 besiegte. Aber wir fangen von vorne an.
Gauff triumphiert unter Lieblingsbedingungen
Zunächst einmal krönte sich Coco Gauff am Samstag zum ersten Mal in ihrer Karriere zur French-Open-Siegerin. Das Turnier, bei dem sie als noch blutjunge 18-jährige Teenagerin zum ersten Mal das Finale eines Grand Slam erreichte, hielten viele Experten für ihre beste Chance, nach den US Open vor ein paar Jahren einen weiteren Grand Slam Titel zu holen.
Immerhin hat Coco Gauff seit Jahren eine bessere Gewinn-Bilanz auf den Sandplätzen dieser Welt. 73% im Vergleich zu 68% auf anderen Belägen. Das ist erstaunlich für eine US-Amerikanerin, die in einem Land aufgewachsen ist, in dem es kaum Sandplätze gibt. Das Rutschen, die Art, sich zu bewegen, eins zu werden mit dem Sand, der sich je nach Feuchtigkeit und Wetterlage wandelt und den Spielern und Spielerinnen Anpassungsfähigkeit abverlangt, all das passiert natürlicher, wenn man darauf gross wird.
Die geborene Athletin in Gauff hat den kniffligen Belag mit Bravour gemeistert. Während der vergangenen zwei Wochen machte sie mit ihrer Schnelligkeit den Platz für alle Gegnerinnen kleiner als er eigentlich ist, aber besonders im Finale brachte sie die Weltranglistenerste Aryna Sabalenka an den Rand der Verzweiflung.
Sabalenka lässt Grösse vermissen
Immer mehr ungezwungene Fehler schlichen sich in das Spiel Sabalenkas. Doch der grösste Fehler war dann die Pressekonferenz im Nachhinein, in der sie behauptete Gauff hätte nicht so gut gespielt, sondern sie, die Nummer eins der Welt, hätte Gauff das Match quasi geschenkt.
Sie vergass die goldene Regel nach einem verlorenen Finale: Der Gegnerin gratulieren, dem Team der Gegnerin gratulieren und dann in der Umkleide alles kurz und klein hacken. Das ist die richtige Reihenfolge.
Sinner macht es Sabalenka vor
Wer das kann wie kein Zweiter, ist der Weltranglistenerste bei den Herren Jannik Sinner. Nicht das Zerhacken der Umkleide, sondern den anderen Teil. Nach einem der hochklassigsten Finals überhaupt, aber für ihn dem wohl herzzerreissendsten aller Zeiten - immerhin hatte er 2:0-Sätze geführt und drei Matchbälle gehabt - gratulierte er höflich und ehrlich anerkennend Carlos Alcaraz, bevor er dann zugab, dass er heute Nacht wohl schlecht schlafen würde.
Wir alle, Jannik, wir alle. Noch Stunden später sah ich Sinners grünes T-Shirt vor meinem inneren Auge zu Stopps laufen und Alcaraz' Vorhand Gewinnschläge mit absurden Winkeln schlagen. Carlos braucht Jannik. Das ist nach den letzten Wochen klar geworden.
Während der Südtiroler drei Monate Sperre absass, ging es bei dem Spanier auf und ab, auf der Suche nach der Konstanz, die er jagte, aber die ihm stets entfloh. Kaum war Sinner auf der Tour zurück, konnte Alcaraz kein Match mehr verlieren. Er braucht die Anspannung, er braucht die Bedrohung eines Sinners, um sich in einen einzigartigen Fokus hineinzuzwingen. Alles andere scheint ihm einfach zu langweilig zu sein. Wir, die Tennis-Fans, die nach dem Rücktritt von Federer und Nadal um Haaresbreite im Chaos versunken waren, haben eine Rivalität zurück, die sich gewaschen hat.
Deutscher Tennis-Nachwuchs vielversprechend
Auch um das deutsche Tennis müssen wir uns zunächst mal keine Sorgen machen. Bei den Junioren standen gleich zwei (!) Deutsche im Finale. Am Ende konnte sich Niels McDonald gegen seinen Kollegen und guten Freund Max Schönhaus in drei Sätzen durchsetzen.
Eine Umarmung am Ende, ähnlich wie wir es bei Jannik und Carlos gesehen haben, und die Hoffnung, dass wir die gleiche Umarmung in naher Zukunft auch auf dem Court Philippe-Chatrier sehen werden. Bei den Juniorinnen stand ebenfalls ein deutsches Doppel auf dem Siegerinnenpodest. Sonja Zhenikhova und Eva Bennemann holten einen Satz und 0:4 Rückstand auf und gewannen schliesslich im Champions Tie-Break. Auch das eine Parallele zu Jannik und Carlos. Oder wie ich sie gerne nenne: Sinncaraz.
Nach dem Grand Slam ist vor dem Grand Slam
Während wir uns noch vom französischen Wein Kater erholen, wird irgendwo auf den Rasenplätzen dieser Welt schon längst wieder weitergespielt und Novak Djokovic plottet mit Sicherheit einen weiteren Wimbledon-Triumph. Schliesslich hat er in Paris einmal mehr mit seiner Leistung überzeugt und gezeigt, warum er der GOAT ist.
Tennis ist ein Rad und es dreht sich immer weiter.