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Als Quereinsteiger an die Weltspitze

Andy

Heute wartet an der Tour de France der Mont Ventoux auf die Veloprofis. Der legendäre Berg in der Provence, an dem so manche Geschichten geschrieben wurden. Vielleicht kann sich im Kampf um das Tour-Podest ja der Deutsche Florian Lipowitz verewigen, der wie ein paar andere Stars auch über andere sportliche Talente verfügt.

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Florian Lipowitz mischt an der Tour de France ganz vorne mit. © KEYSTONE/EPA/MARTIN DIVISEK

Der Mont Ventoux, dieser Gigant in der Provence, der auch «géant de Provence» – «Riese der Provence» – genannt wird, ist heute das finale Hindernis für die Helden der Landstrassen. Auf 1902 Metern über Meer steht das Ziel, es ist eine immense Herausforderung. Die Spitze des Mont Ventoux ist eine «Wüste» aus Fels und Geröll und mahnt an eine Mondlandschaft. Auf dem Weg ins Ziel sind die Fahrer der Hitze und dem Wind ausgesetzt, es ist ein Kampf gegen die Natur, denn es ist kein Berg wie jeder andere. Es ist auch der Ort, an dem der Brite Tom Simpson 1967 vom Rad fiel und starb. Es sind legendäre Geschichten, die immer wieder hervorgekramt werden, wenn die Tour-Karawane den Mount Ventoux erklimmt; in diesem Jahr ist es zum 19. Mal in der Tour-Geschichte der Fall.

Und da gilt die Aufmerksamkeit den Stars von heute und nicht den Giganten vergangener Tage. Im Zentrum steht natürlich der Slowene Tadej Pogacar, der auf dem Weg zu seinem vierten Gesamtsieg kaum mehr zu stoppen sein wird. Auch wenn sein Erzrivale, der Däne Jonas Vingegaard, auf den letzten Etappen auf dem Weg nach Paris nochmals alles versuchen wird, um den Leader vom Thron zu stürzen. Dahinter folgt bereits der überraschende Deutsche Florian Lipowitz, der 24-jährige Debütant, der beste Chancen hat, der erste deutsche Radprofi seit 2006 und Andreas Klöden zu werden, der die Rundfahrt auf dem Podest beendet.

Vom Biathlon aufs Velo

Lipowitz ist der Shootingstar der ersten zwei Wochen – und eine Art Quereinsteiger. Bis 2020 setzte der Deutsche auf Biathlon – und dies mit Erfolg. Er absolvierte das berühmte Skigymnasium im österreichischen Stams und wurde deutscher Juniorenmeister. Doch zwei schwere Knieverletzungen im Alter von 16 und 17 Jahren veränderten sein sportliches Leben. Er wechselte auf das Rennvelo, mit dem er im Sommer jeweils trainiert hatte und feierte schnell erste Erfolge, gewann mit 18 Jahren zwei Radmarathons in den Alpen, was rückblickend der Startschuss seiner Velokarriere war. Und die ist ebenso erfolgreich wie vielversprechend. In diesem Jahr beendete er Paris–Nizza hinter Matteo Jorgenson auf Platz zwei und an der Dauphiné-Rundfahrt wurde er hinter Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard und vor Remco Evenepoel Dritter.

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Remco Evenepoel musste in der Tour de France aufgeben.

Vom Fussballer zum Doppelolympiasieger

Nun sind für Lipowitz an der Tour de France die Weichen in Richtung Podest gestellt. Dies unter anderem auch, nachdem der belgische Doppelolympiasieger Remco Evenepoel aufgeben musste. Der 25-Jährige ist übrigens wie Lipowitz ein sportliches Multitalent. Erst als 17-Jähriger bestritt er sein erstes Radrennen, zuvor hatte er auf die Karte Fussball gesetzt. Mit 11 wechselte er in die Nachwuchsakademie des niederländischen Grossklubs PSV Eindhoven, drei Jahre später kehrte er zu seinem Stammverein RSC Anderlecht zurück, der Linksverteidiger schaffte es sogar ins Nachwuchsnationalteam, gehörte zu den grössten Talenten seines Landes. Doch als in Anderlecht irgendwann seine Einsatzzeit geringer wurde, entschied er sich mit 17 Jahren zu einem Wechsel nach Mechelen, wo ihm ein Profivertrag in Aussicht gestellt wurde. Dennoch hängte er drei Monate später seine Fussballschuhe an den Nagel. «Ich verspürte einen grossen Ekel dem Fussball gegenüber», sagte er später zur «L’Equipe». Fortan gehörte seine Liebe dem Radsport, was irgendwie auch vorgezeichnet war: Sein Vater Patrick Evenepoel war in den 1990er Jahren selber Radprofi gewesen, dies allerdings mit weniger Erfolg als sein Sohn, der zu den Stars seiner Sportart gehört.

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Auch der Slowene Primoz Roglic hat verschiedene Qualitäten.

Skisprung-Weltmeister und Zeitfahr-Olympiasieger

Zu den bekannten Grössen im Peloton zählt auch der Slowene Primoz Roglic, der Teamkollege von Florian Lipowitz und aktuelle Sechste in der Gesamtwertung. Und auch er versuchte sein Glück zuerst in einer anderen Sportart: dem Skispringen. Er war talentiert, wurde Junioren-Weltmeister im Mannschaftwettbewerb, kam aber später nach einem Sturz nicht mehr richtig auf Touren, hatte Knieprobleme und beendete im Alter von 23 Jahren seine Skisprungkarriere. «Ich wollte der beste Skispringer der Welt werden, der Traum hat sich nicht erfüllt», erklärte er später in einem Interview, «deshalb habe ich umgedacht und etwas anderes gemacht.»

Roglic schaffte es auf dem zweiten Bildungsweg bis in die Weltklasse im Radsport, gewann unter anderem viermal die Gesamtwertung der Vuelta und 15 Etappen der Spanien-Rundfahrt, entschied einmal den Giro d’Italia für sich, triumphierte in drei Etappen der Tour de France und wurde 2021 Olympiasieger im Einzelzeitfahren. Er selber schätzte seinen erfolgreichen Sportartenwechsel nicht als besonders spektakulär oder sensationell ein und sagte später: «Ich konnte vieles vom Skispringen mitnehmen, Koordination oder Flexibilität – ich probiere, alles Gelernte von damals heute zu nutzen. Es ging alles sehr schnell, aber ich versuche, keine Lernschritte auszulassen.»

Gelernt hat er definitiv und mit seinen mittlerweile 35 Jahren neigt sich auch seine Rad-Karriere langsam aber sicher dem Ende entgegen. An der Tour de France 2025 wurde er in seinem Team von Florian Lipowitz als Leader abgelöst und sagte: «Wir geben unser Bestes, das ist alles was wir tun können. Natürlich werde ich Lipowitz unterstützen, wir wollen das Beste rausholen. Dafür brauchen wir grosse Anstiege und davon kommen noch einige.» Dies vor allem auch heute, mit dem legendären Mont Ventoux.

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