Ambrì-Piotta – das verdiente Team der Stunde
Rang 4 nach 22 Spielen: Der HC Ambrì-Piotta mischt überraschend die Spitze der National League auf und hat heute Abend die Gelegenheit, im Direktduell die Differenz auf Meister Servette auf sieben Punkte zu vergrössern. Die Tessiner zeigen beeindruckende Leistungen – es ist der verdiente Lohn für viel Arbeit, Ruhe und Kontinuität.
Siebenmal war in dieser Regular Season bereits Gänsehaut-Feeling in der Gottardo Arena angesagt und konnten die leidenschaftlichen Fans ihren weitherum bekannten Siegesgesang «La Montanara» anstimmen; fünfmal gewann Ambrì nach der regulären Spielzeit, zweimal in der Overtime. Dazu kamen drei Niederlagen nach jeweils 60 Minuten.
Die Tessiner – sie sind das Team der Stunde. Sieben Siege in Folge feierten sie zuletzt und stürmten in der Tabelle aufwärts. Letztmals erreichten sie in der Saison 2018/19 die Playoffs, es war die zweite Saison unter der Leitung von Headcoach Luca Cereda. Danach folgten in der Regular Season die Ränge 10, 11, 10 und 12 – und nun liegt Ambrì auf dem vierten Platz, befindet sich auf Playoffkurs. Es ist ein klares Zeichen, dass Kontinuität und Geduld eben doch belohnt werden. In manch anderem Klub wäre die sportliche Führung längst ausgewechselt worden, in der Leventina wurde an Trainer Cereda und Sportchef Palo Duca festgehalten, in der Hoffnung oder Erwartung, dass dieses kongeniale Duo, bei dem der Klub tief im Herzen verankert ist, den Weg in eine erfolgreichere Zukunft findet. Was nun passiert ist.
Identifikationsfigur Pestoni
Duca und Cereda verkörpern die Ambrì-DNA neben dem Eis, auf dem Feld ist es vor allem auch Inti Pestoni, der diese Leidenschaft für Biancoblù lebt und als Identifikationsfigur vorangeht. Seit der heute 32-Jährige 2021 nach fünf Jahren bei den ZSC Lions, dem HC Davos und dem SC Bern wieder in der Leventina spielt, ist er wieder aufgeblüht und knüpft auch betreffend Skorerpunkte an seine besten Zeiten an. Aktuell steht er bei sieben Toren und neun Assists, womit er in der internen Skorerliste Rang 3 belegt.
Sportchef Duca und Coach Cereda ist es auch gelungen, hochklassige Ausländer in den Tessin zu lotsen. Angefangen beim finnischen Goalie Janne Juvonen, der bei Bedarf auch problemlos durch Benjamin Conz ersetzt werden kann. Dazu kommen die Verteidiger Tim Heed und Jesse Virtanen, die durchschnittlich 24:04 respektive 22:57 Minuten pro Spiel auf dem Eis stehen, zu den Marathonmännern der Liga gehören und Schüsselfiguren beim momentanen Ambrì-Höhenflug sind.
In der Offensive hat sich der Tscheche Michael Spacek längst als Skoring-Maschine etabliert, gleichzeitig haben sich der Schwede Jakob Lilja und der Kanadier Laurent Dauphin bestens eingelebt und konnte die Imports-Fraktion zuletzt mit der Rückkehr des Kanadiers Alex Formenton gleich nochmals verstärkt werden. Dazu kommen starke Schweizer wie der bereits erwähne Pestoni, Dario Bürgler, Johnny Kneubühler oder Nando Eggenberger sowie natürlich auch der aus Nordamerika zurückgekehrte André Heim. Und der Österreicher Dominic Zwerger, der mit einer Schweizer Lizenz spielt und sich nach längeren Verletzungsproblemen wieder fit fühlt und neu angreifen will.
Lauf- und Tempohockey und Forechecking
Luca Cereda setzt mit seinem Team auf Lauf- und Tempohockey mit aggressivem Forechecking und bringt so praktisch jeden Gegner in Bedrängnis. Und Ambrì ist eine Stimmungsmannschaft. Wie weit der Weg führen kann, wenn alle mit Leidenschaft dabei sind und gemeinsam auf einer Mission ein Ziel verfolgen, hat der Spengler Cup 2022 gezeigt, als Coach Cereda und sein Team der Reihe nach Örebro, IFK Helsinki, den HC Davos und Sparta Prag besiegten, überraschend den Titel gewannen und mit ihrem Auftreten in Davos zahlreiche Herzen eroberten.
Die Titelverteidigung am Spengler Cup ist nun in der Altjahreswoche das nächste Ziel und zumindest nicht unrealistisch. Der Gewinn des Meistertitels ist dagegen auch mit dem einzigartigen Spirit nur sehr schwer vorstellbar und weit weg. Zuerst steht heute Abend das Heimspiel gegen Meister Servette an – und wenn die Fans erneut «La Montanara» anstimmen, ist wenigstens der nächste Schritt in Richtung erstmalige Teilnahme an den Playoff-Viertelfinals seit 2019 gemacht. Sie wäre ein Erfolg, und es gibt wohl nur wenige Hockey-Fans – die Anhänger von Erzrivale Lugano ausgenommen –, die den Biancoblù die Playoff-Qualifikation nicht gönnen würden.