Aussenseiter Österreich wartet: Nati mit perfekter Ausgangslage
Ab heute geht es an der IIHF-WM in Dänemark und Schweden um die Wurst. Als Gruppenerster hat sich die Schweiz in den vergangenen 13 Tagen eine hervorragende Ausgangslage erspielt. Viertelfinal-Gegner Österreich sollte dennoch nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Die Weltnummer 13 anstatt Schweden, Finnland oder Kanada
Finnland (Weltnummer 3) hätte es werden können. Schweden (Nr. 7) ebenso, oder auch Kanada (Weltnummer 1). Geworden ist es aber schlussendlich Österreich, Weltnummer 13 und zum ersten Mal seit 1994 wieder in einem WM-Viertelfinal. Das dank Rang 1 in Vorrundengruppe A, derweil sich Weltmeister Tschechien (Rang 3 in Gruppe A) nun mit Schweden und die USA (Rang 2 in Gruppe A) mit Finnland messen dürfen. Kommt hinzu: Auch in einem möglichen Halbfinale würde die Schweiz den Schwergewichten aus der Gruppe B, Kanada (Gruppensieger) und Schweden (Rang 2), sowie Tschechien (besiegte die Schweiz zum Auftakt ins Turnier) aus dem Weg gehen und träfe stattdessen auf den Sieger des Duells zwischen Gruppengegner USA und Finnland (Rang 3 in Gruppe B). Mit Sicherheit zwei Gegner auf Augenhöhe, aber sind wir ehrlich: Eine bessere Ausgangslage hätte sich die Nati auf dem Papier nicht erträumen können.
David gegen Goliath
Denn mit dem Überraschungs-Viertelfinalisten Österreich wartet im Viertelfinal ein Gegner auf die Mannschaft von Patrick Fischer, der sich bei allem Respekt nicht auf Augenhöhe mit der Nationalmannschaft befindet. Nicht in Sachen Kadertiefe, nicht in der Anzahl an NHL-Spielern im Kader und schon gar nicht in der Geschichte und Bedeutung des Eishockeysports im eigenen Land. Dazu genügt ein Blick auf die Anzahl lizenzierter Spieler (8‘800 vs. 24‘000 in der Schweiz) sowie die heimische Profiliga, die es in diesem Sinne so gar nicht gibt. In der win2day Ice Hockey League konkurrieren die besten österreichischen Teams nämlich mit Klubs aus Ungarn, Italien und Slowenien. Entsprechend bescheiden fallen im Vergleich mit der National League Zuschauer- und Budgetzahlen, Sponsoringgelder und mediale Kennzahlen aus. Anders als im Skisport oder auch im Fussball, ist im Eishockey völlig klar, wer im Duell der beiden Alpenländer über mehr Potential und Zugkraft verfügt, und das bislang auch an dieser WM gezeigt hat. Denn so gut sich die Österreicher im bisherigen Verlauf des Turniers präsentierten, an die fast durchs Band herausragenden Werte der Nati (u.a. zweitbeste Schusseffizienz, Nr. 2 Powerplay, Top-Torschütze, Top-Vorlagengeber, überdurchschnittliche Torhüter) kamen unsere Nachbarn bislang nicht heran.
Viel Swissness im Team Austria
Unterschätzen sollte man die österreichische Mannschaft natürlich dennoch nicht. Dass sie Eishockey spielen kann und in den letzten Jahren Fortschritte erzielt hat, zeigte sie in diesem Turnier u.a. gegen Finnland (1:2), Schweden (Last-Minute-Niederlage), die Slowakei (3:2 n.P.) oder auch Lettland, das im letzten, entscheidenden Gruppenspiel gleich mit 6:1 vom Eis gefegt wurde. Das dem mittlerweile so ist, hat nicht zuletzt mit dem Einfluss der Schweiz auf das österreichische Eishockey zu tun. Zum einen mit Nationaltrainer Roger Bader, der die „Ösis“ seit seiner Amtsübernahme 2021 zurück in die A-Gruppe geführt und dort mittlerweile etabliert hat. Zum anderen bieten die Klubs der Schweizer National League den grössten österreichischen Talenten immer wieder hervorragende Möglichkeiten, um sich bereits in jungen Jahren dem Profisport anzunähern und sich schliesslich auf höherem Niveau, als dies in der Heimat möglich wäre, zu gestandenen Profis zu entwickeln. Im aktuellen Kader gehören mit Vinzenz Rohrer (ZSC Lions), Dominic Zwerger ( HC Ambri-Piotta), Benjamin Baumgartner (SC Bern), Bernd Wolf (EHC Kloten) und Oliver Achermann (HC La-Chaux-de-Fonds) gleich fünf „Schweizer“ zu den Leistungsträgern im Team Austria, von den via Schweiz in die NHL gedrafteten Marco Rossi (Minnesota) und David Reinbacher (Montreal) – die in Dänemark und Schweden jedoch fehlen - ganz zu schweigen. Entsprechend hoch ist die Familiarität mit der Schweizer Hockeykultur beim Gegner und auch das Wissen um den Druck, dem die Schweizer im Duell der beiden Nachbarn ausgesetzt sein werden, je länger die Partie offen gestaltet werden kann. Dass die Österreicher das können, stellten sie zuletzt im vergangen Jahr unter Beweis, als die Nati einen Hattrick von Nico Hischier benötigte, um sich nach zwischenzeitlichem 1:3 Rückstand in der Verlängerung doch noch durchzusetzen. Der Captain der New Jersey Devils wird der Nati heute verletzt fehlen, und trotzdem gibt es für die Schweiz keine Entschuldigung, um die Hürde Österreich nicht zu nehmen. Schliesslich gilt: Wer den Schritt zur grossen Eishockeynation vollziehen möchte, muss auch mit der zuweilen unbequemen Rolle des deutlichen Favoriten umgehen können.