Zudem findet der Rekordnationalspieler in seiner neuen Kolumne lobende Worte für den BVB und Rückkehrer Nico Schlotterbeck. Im Falle von Borussia Mönchengladbach fällt Matthäus dagegen ein hartes Urteil.
Über Harry Kane wird seit zwei Jahren in Deutschland gesprochen. Im Endeffekt ist es so, dass die Superlative irgendwann mal ausgehen. Er begeistert die Leute mit seinen Aktionen, aber auch mit seiner intelligenten Spielweise. Kane lässt sich mal gerne nach hinten fallen - instinktiv, dass im richtigen Moment zu machen - aber natürlich auch in Absprache mit dem Trainer. Er hat hinter sich mit Serge Gnabry einen, der ebenfalls vorne reingeht. Dadurch verändert sich natürlich die Situation für Kane, da sich die beiden abwechseln können. Das macht es auch für den Gegner wesentlich schwieriger, zu verteidigen.
Fünf Spiele sind gespielt, zehn Tore hat er erzielt. Eine Hochrechnung mache ich nicht, weil da viele Faktoren reinspielen. Wenn es aber so weitergeht, er von grösseren Verletzungen verschont bleibt und die Leidenschaft und die Lust der Mannschaft fortbestehen, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass die Rekorde von Robert Lewandowski und Gerd Müller gebrochen werden.
Auch für Tom Bischof freut es mich. Er ist ein junger Spieler, der mir schon in Hoffenheim sehr gut gefallen hat. Er bringt viel mit: Bischof ist ein passsicherer und laufstarker Spieler, der seine Position hält und sehr gefährliche Standards schlägt. Wenn er dann seine Einsatzzeiten bekommt, kann sich Bayern in Zukunft auf ein junges deutsches Talent freuen, das zudem ablösefrei gekommen ist.
Nach dem CL-Spiel bei Pafos folgt für die Kompany-Elf das Spitzenspiel bei Eintracht Frankfurt (Samstag, ab 17:30 Uhr live und exklusiv auf Sky Sport). Für mich geht Bayern München auch in dieses Spiel als Favorit. Aber die SGE ist natürlich eine Mannschaft, die zuhause schon gezeigt hat, dass sie grossen Teams mit ihren fantastischen Fans im Stadion ein Bein stellen kann. Auch die Bayern haben dort in der jüngeren Vergangenheit nicht immer die Punkte mitgenommen.
Die BVB-Entwicklung ist schon beachtlich
Der BVB ist mit 13 Punkten ebenfalls stark in die neue Saison gestartet. Ich sehe Borussia Dortmund natürlich gefestigt. Sie sind mittlerweile seit 13 Spielen ungeschlagen. Das ist schon beachtlich, was sich da entwickelt hat - vor allem die Atmosphäre, eine klare Rollenverteilung und ein klares Spielsystem, das zur Mannschaft passt. Mit Niko Kovac agiert dort ein erfahrener Trainer, der sehr ehrgeizig ist, aber auch im Umgang mit Spielern gelernt hat, wie man sie kitzelt, wie man sie streichelt, wie man mit ihnen redet. In diesem Bereich hat sich Niko ganz sicher weiterentwickelt. Das sieht nach einem ganz klaren Plan aus und dieser Plan funktioniert. Auch der Kader gibt es her, ganz oben mitzuspielen.
Bayern spielt zwar attraktiver, aber beim BVB wird auf andere Details wertgelegt, die genauso wichtig sind, um erfolgreich Fussball zu spielen. Das Bayern-Spiel ist mehr auf Ballbesitz und früheres Pressing ausgelegt. Dortmund steht eher kompakt und lässt auch mal den Gegner kommen, weil sie eben Geschwindigkeitsspieler nach vorne haben.
Was ein Thomas Müller für Bayern war, ist Schlotterbeck für Dortmund
Die letzten vier Spiele haben sie zu Null gespielt - ganz wichtig ist auch, dass Nico Schlotterbeck nach langer Verletzungspause wieder zurückgekommen ist. Was ein Thomas Müller für Bayern war, ist Schlotterbeck für den BVB. Er ist ein Mentalitätsspieler, den Dortmund in der Zukunft braucht, mit dem sie verlängern wollen. Der DFB-Verteidiger bringt die notwendige Einstellung und die Qualität mit und ist einfach auch ein Vorbild für die Mannschaft. Mich überrascht es nicht, dass er zurückkommt und sofort performt.
Er hat nach dem 2:0-Sieg in Mainz auch das Wort "Meisterschaft" so ein bisschen in den Mund genommen. Er hat nicht gesagt 'Wir werden Meister', aber sagt schon ein bisschen, 'die Möglichkeiten haben wir, die Qualität haben wir und wenn Bayern vielleicht irgendwo nachlässt, dann muss ja eine Mannschaft da sein'. Leverkusen war es vor zwei Jahren.
Am Ende liegt es natürlich hauptsächlich an Bayern selbst, wer Deutscher Meister wird. Wenn die Münchner so weiterspielen, wird es für Dortmund sehr schwierig - obwohl sie auf ihre Art und Weise genauso gut performen wie der deutsche Rekordmeister.
Nichtsdestotrotz hat Kovac eine Kompaktheit in diesen Verein gebracht. Es ist ruhiger geworden, es wird im Vergleich zur Vergangenheit weniger über die Bosse geredet. Da haben vier, fünf Leute draussen gesessen und das war dann mehr das Thema als das Spiel der Mannschaft. Das hat sich geändert. Ich habe schon immer gesagt: Wenn es sich um die Mannschaft dreht und es aussen ruhig ist, dann kann man auch erfolgreich Fussball spielen.
Gladbach? Da muss alles hinterfragt werden
Anders sieht es gerade bei den Fohlen aus. Man muss ganz klar und ganz hart sagen, dass Borussia Mönchengladbach in den ersten 50 Minuten gegen die Eintracht nicht unbedingt ein bundesligareifer Gegner gewesen ist. Das haben sie auch Gott sei Dank danach so kommentiert. Sie müssen jeden Stein umdrehen, alles muss hinterfragt werden.
Die Spieler - man ist ja offen und ehrlich miteinander umgegangen und jetzt muss man schauen: Was ist los? Ist das der richtige Trainer? Schenken wir dem Trainer Vertrauen? Das ist natürlich auch eine Frage, die Gladbach schnellstmöglich beantworten muss. Solange da nicht das Bekenntnis zu ihm besteht oder ein neuer Trainer da ist, wird es diese Diskussionen geben. Die Mannschaft ist schon genügend verunsichert und strotzt ganz sicher nicht vor Selbstvertrauen. Deswegen gilt es für den Verein, jetzt kein Chaos aufkommen zu lassen.
Fehler sind ganz sicher gemacht worden, in der Einkaufspolitik hängen diese schon in der jüngeren Vergangenheit. Gladbach hat in der Corona-Zeit - wie andere Vereine auch - nicht die Einnahmen gehabt beziehungsweise viele Spieler ohne Transfererlöse abgegeben. Das sind natürlich Sachen, die dafür sorgen, dass die Fohlen nicht auf dem Transfermarkt tätig sein konnten, wie sie es möglicherweise gewollt hätten. Deswegen wurden sie gezwungen, andere Wege zu gehen.
Es müssen klare Entscheidungen getroffen werden
Im Falle von Trainer Gerardo Seoane hat man im Endeffekt gefühlt anderthalb Jahre nicht gewusst, ob er der Richtige ist. Verantwortliche müssen diesen Verein nach aussen nicht nur repräsentieren, sondern auch ganz klare Entscheidungen treffen, wie es weitergeht, mit wem es weitergeht, welches System gespielt wird, welche Spieler wichtig sind, auf welche Spieler man sich verlassen kann - und dann kommt hoffentlich bald Tim Kleindienst zurück. Das sind viele Kleinigkeiten, die da zusammenkommen und die Unsicherheit hat man ja in den ersten 60 Minuten gegen Frankfurt gesehen. Für die Fans war schön - und das gibt auch Hoffnung - dass Gladbach zumindest in der letzten halben Stunde nicht total zusammengefallen ist, sondern eine Reaktion gezeigt hat.
Eugen Polanski ist neu bei der Mannschaft, aber er ist im Verein, kennt die Spieler beziehungsweise hat sie kennengelernt. Jetzt muss er auch das notwendige Quäntchen Glück haben, um gegen Freiburg etwas Zählbares zu holen. Die Devise muss lauten: Punkte sammeln, damit man da hinten rauskommt. Es darf aber nichts schöngeredet werden. Auch Roland Virkus muss sich stellen, auch er muss sich hinterfragen, denn er ist der sportlich Verantwortliche. Er ist mit Herz bei Borussia Mönchengladbach dabei - das weiss man. Aber er ist derjenige, der den Kader zusammengestellt hat. Ganz sicher nicht allein, da sind andere Leute dahinter. Aber trotzdem muss man jetzt hinterfragen, ob das die richtigen Leute sind.
Virkus & Co. wussten: Kleindienst ist verletzt, dann sind Führungsspieler weggegangen und dann muss sich was Neues wieder finden. Wo ist der Führungsspieler? Nico Elvedi ist acht Jahre da, aber auch er ist nicht derjenige, der die Abwehr zusammenhält. Rocco Reitz ist eines der grössten Talente in Deutschland, war aber ebenfalls am Wochenende nicht zu sehen. Das erwartet man dann eben von so einem Spieler, der aus dem eigenen Laden kommt, eine tolle U21-EM gespielt hat und Vizekapitän ist. Dazu die Torwart-Diskussionen. Dort haben sie eigentlich kein Problem, aber auch da gibt es zwei Nummer Einsen, wie kurzfristig vor der Saison entschieden worden ist.
Das sind alles Kleinigkeiten, die dazu beitragen, dass es dann irgendwie so läuft, wie es zurzeit läuft - und das ist nicht gut.
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