Cancellara will Begeisterung auslösen
Wenn am Dienstag die Tour de Romandie (26. bis 30. April) startet, ist auch wieder ein richtiges Schweizer Profi-Team am Start – neben der Schweizer Nationalmannschaft. Die Equipe Tudor will dabei mehr als nur mitfahren, wie Teambesitzer Fabian Cancellara sagt.
Dem Schweizer Radsport fehlte zuletzt das Vehikel auf oberster Profistufe: eine Equipe. Seit BMC verschwand, verschwand für viele Jungprofis auch eine logische Adresse für ihre ersten Erfahrungen auf höchster Stufe. Wohl ist auch Q36.5, einer neuer Bekleidungshersteller aus dem Südtirol, mit einer Schweizer Lizenz ausstaffiert, ist aber als Nachfolger des Teams Qhubeka international ausgerichtet und hatte zuletzt eine südafrikanische Lizenz. Talente wie Gino Mäder, Marc Hirschi Mauro Schmid oder Johan Jacobs fanden zwar in ausländischen Teams Unterschlupf, dort müssen sie aber primär Helferdienste verrichten. Dank der Initiative von Fabian Cancellara rollt seit dieser Saison das Tudor Pro Cycling Team im Feld der Professionals mit, wenn auch derzeit noch nicht als World-Tour-Team auf der ganz höchsten Stufe.
Cancellara blickt beim Projekt Tudor aber über die nächste Ziellinie hinaus. «Wir möchten die Leute abholen und die Faszination Radsport vermitteln; wieder mehr Kinder aufs Velo bringen», erklärt der Berner Ex-Profi. Selbst stand Cancellara während seiner Karriere für ein Mindset «Wenn ich starte, will ich gewinnen». Als Besitzer einer neuen Equipe ist ihm bewusst, dass der Weg zum Erfolg keine Abkürzung kennt. «Bei einem Haus baut man auch nicht zuerst das Dach», sagt er. «Wir müssen und wollen organisch wachsen. Entsprechend haben wir die Saison geplant und sind gewisse Rennen, wie beispielsweise einige der Frühjahrsklassiker, nicht gefahren.» Präsent war Tudor bei Mailand-Sanremo und beim Amstel Gold Race – und hinterliess eindrückliche Spuren. Bei der Primavera gehörte der Franzose Aloïs Charrin zur Fluchtgruppe, die erst rund 25 km vor dem Ziel eingeholt wurde, und zuletzt überzeugte der Däne Alexander Kamp beim Gold Race mit dem 9. Rang.
Begeistert mit offensiver Fahrweise
Die Tour de Romandie, das erste Rennen auf heimischen Boden für die Equipe, ist ein «riesiges Highlight». Doch Cancellara relativiert sogleich: «Wir haben sicher Ambitionen, aber die Mannschaft und die Struktur der Equipe müssen sich auf diesem Level zuerst zurechtfinden. Unser wichtigstes Credo ist, dass wir als Team auftreten und zusammenfahren, um gemeinsam etwas zu erreichen.» Die offensive Fahrweise, die der Equipe bei den bisherigen Starts schon viele Sympathien auch ausserhalb der Schweiz eingebracht hat, soll beibehalten werden. «Wir gehen aber nicht in die Fluchtgruppe, um einfach in der Fluchtgruppe zu sein», hält Cancellara auch fest.
Mit Sébastien Reichenbach verfügt Tudor über einen routinierten Leader, der schon auf der ganz grossen Bühne wie der Tour de France glänzte. «Dies wird meine achte Teilnahme sein. Für uns, das Tudor Cycling Team, ist die Tour de Romandie eines der wichtigsten Rennen des Jahres. Ich hoffe, dass ich mein Bestes geben und mit einem positiven Ergebnis zeigen kann, wie gut das Team gearbeitet hat», erklärt der 33-jährige Walliser, der sich auf den Auftritt in der engeren Heimat doppelt freut: «Wir fahren unsere Rennen immer weit weg von zu Hause. Zu Hause zu fahren, ist immer etwas Besonderes und ich geniesse diese Momente sehr. Ich freue mich besonders, meine Freunde und Familie an der Strecke zu sehen.»
Eine Waffe für jede Etappe
Reichenbach ist, zusammen mit Yannis Voisard, der Trumpf des Teams für das Gesamtklassement. «Die Tour de Romandie wird wohl erst am Schluss mit der Bergetappe hinaus nach Thyon 2000 entschieden», analysiert Fabien Cancellara den Parcours. Doch auch zuvor will das Team Akzente setzen. «Wir haben die Strecke des Prologs und des Zeitfahrens besichtigt. Vor allem im Prolog wird es wichtig sein, dass wir nicht zu viel Zeit auf die schnellsten verlieren», sagt der vierfache Weltmeister und zweifache Olympiasieger im Zeitfahren.
Neben der Doppelspitze mit Reichenbach und Voisard, der die Sizilien-Rundfahrt als Gesamtsiebter beendete, wollen die Tudor-Fahrer auch in den anderen Etappen Akzente setzen. Kamp überzeugte beim Klassiker Gold Race und Joel Suter gewann die erste Etappe der Sizilien-Rundfahrt und sorgte damit schon für den dritten Saisonsieg der jungen Equipe. «Wir werden uns nicht verstecken», verspricht Cancellara. Das schwarze Trikot mit dem roten Logo des Hauptsponsors soll für Farbtupfer im Rennverlauf sorgen und die Leute am Strassenrand begeistern.