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Der SC Langenthal auf dem Sterbebett: Ein Fingerzeig für das Schweizer Eishockey

Patrick

Am vergangenen Mittwoch gab der SC Langenthal seinen Rückzug aus der Swiss League (SL) per Ende der laufenden Saison bekannt. Der Entscheid ist das Ergebnis einer mehrmonatigen strategischen Evaluation der Oberaargauer, während der sämtliche Optionen hinsichtlich des sportlichen Betriebs und dessen Finanzierung geprüft wurden. Einer der erfolgreichsten Klubs der zweithöchsten Spielklasse zieht sich somit nach 20 Jahren Ligazugehörigkeit freiwillig aus dem Profisport zurück. Wie konnte es so weit kommen? Sky Sport nennt vier Gründe.

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Der SC Langenthal verabschiedet sich Ende Saison nach über 20 Jahren freiwillig vom Profi-Eishockey © IMAGO / Andreas Haas

 

 

 

Kein Stadion und zu wenig lokales Standing

Seit 1961 bestreitet der SC Langenthal seine Heimspiele in der Eishalle Schoren. Zu behaupten, diese sei in die Jahre gekommen, wäre gekonntes Understatement. Sowohl der Klub als auch die Stadt Langenthal als Besitzerin des Stadions wissen dies seit Jahren. Dennoch und trotz Rückhalt aus der Bevölkerung, die sich noch 2020 mit 75 Prozent Ja-Stimmen für das Projekt «Zukunft Eissport Langenthal» ausgesprochen hatte, ist ein neuer Schoren weit und breit nicht in Sicht. Dieser wäre aber Bedingung, um mittel- bis langfristig einen Profibetrieb mit eigenen Mitteln finanzieren zu können. Trotz all dem kann sich die lokale Politik, unterteilt in linke und konservative Kräfte, aus Eigeninteressen nicht dazu durchringen, vorbehaltlos hinter dem eigentlich bereits verabschiedeten Projekt zu stehen. In der Zwischenzeit sah sich der SC Langenthal gezwungen, sein Budget von vormals CHF 4,5 Mio. innerhalb von vier Spielzeiten auf rund CHF 3,0 Mio. zu kürzen. Zuletzt unterzeichnete der Klub, der noch in der Saison 2018/2019 Meister der Swiss League geworden war, nur noch Einjahresverträge und verzichtete zeitweise auch darauf, sein Ausländerkontingent auszuschöpfen. Nun hat der SCL resigniert und seinen Abschied vom Profi-Eishockey angekündigt.

Fehlende sportliche Perspektive und mangelnde Präsenz

Seit 2002 ist der SC Langenthal ein fester Bestandteil der Swiss League (vormals National League B). Allerdings: Um die Attraktivität und Perspektiven der Liga stand es noch nie so schlecht wie jetzt. Die Aufstockung der National League (NL) auf 14 Teams während den vergangenen beiden Jahren hat die Liga sportlich ausgedünnt. Namhafte Teams wie Langnau, Rapperswil oder Kloten, welche die Liga in den letzten zehn Jahren jeweils temporär bereicherten, fehlen zurzeit komplett und dürften in absehbarer Zeit auch nicht mehr in die Liga zurückkehren. Hinzu kommt: Der Entscheid der National League, sich von Swiss Ice Hockey (SIHF) abzukapseln und eine eigene AG zu gründen, hat der Swiss League die Pistole auf die Brust gesetzt. Mit der Gründung einer eigenen AG trat sie die Flucht nach vorne an, scheiterte aber beim Versuch, auf eigenen Beinen zu stehen. Gespräche mit TV-Partnern blieben erfolglos, was dazu führte, dass den Klubs der Liga seit Beginn dieser Saison rund CHF 380'000 aus der vormals zentralen Vermarktung mit Verband und National League fehlen.

Kein Blick für das grosse Ganze

Im Schweizer Eishockey ist sich jeder selbst der Nächste. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie akzentuierte sich jedoch seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in der Saison 2019/2020. Deren Auswirkungen auf das Profi-Eishockey habe sich in einer Reihe von Entscheidungen manifestiert, welche die Kluft zwischen den Teams der National League und der Swiss League noch einmal deutlich vergrösserten. Allen voran der Entscheid der NL, eine eigene AG zu gründen und sich aus der zentralen Vermarktung mit Verband und SL zu lösen, um die Einnahmen aus der TV-Vermarktung für sich zu beanspruchen, hat die Swiss League hart getroffen. Wie es anders geht, zeigt ausgerechnet der für seine Kommerzialisierung gerne auch kritisierte US-Profisport, inklusive der National Hockey League (NHL), wo sich die Teams zwar sportlich bekämpfen, ansonsten aber in sämtlichen Bereichen an einem Strang ziehen und sogar künstliche Massnahmen ergriffen haben (Draft und Salary Cap), um den sportlichen Wettbewerb im Sinne ligaweiter, kommerzieller Interessen zu fördern. In der Schweiz ist man vom Mut einer ähnlichen, für hiesige Verhältnisse fast schon revolutionären Denkweise, aktuell noch weit entfernt.  

Ungebrochenes finanzielles Wettbieten

Während sich also die NHL (begünstigt durch ein in Europa zugegebenermassen nicht identisch anwendbares Modell) als Einheit präsentiert, geht das finanzielle Wettrüsten unter den führenden Schweizer Klubs nahezu ungebremst weiter. Die Corona-Pandemie mag kurzzeitig zum Nach- und Umdenken angeregt haben, nachhaltig verändert hat sie das Geschäftsgebaren jedoch noch nicht. In einem Markt, in dem die direkten und indirekten Zuschauereinnahmen (Gastronomie) mindestens die Hälfte des Gesamtumsatzes der Klubs ausmachen, wird nach wie vor unverhältnismässig viel Geld in die Bezahlung des sportlichen Personals investiert. Auch der Warnschuss «Corona» hat nicht dazu geführt, dass sich Klubs darauf besinnen, finanziell auf weniger grossem Fuss zu leben und dabei sicher zu stellen, die Kosten aus dem professionellen Spielbetrieb mit den daraus generierten Einnahmen (also Zuschauereinnahmen, TV- und Sponsoringgelder, Merchandise) abdecken zu können. Stattdessen bedürfen sie der Unterstützung durch Mäzene, spezielle Gönnervereinigungen oder anderweitige Geschäftstätigkeiten, um im Wettrennen um die Spitze im Schweizer Eishockey nicht abgehängt zu werden. Für Klubs wie den SC Langenthal wird es da nahezu unmöglich mitzuhalten. Erst recht, wenn die langfristige Basis für modernen Spitzensport mittlerweile fehlt.

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