Die Bayer-Jagd ist eröffnet!

28 Siege, sechs Unentschieden, null Niederlagen: Es ist schlicht überragend, wie Bayer Leverkusen in der letzten Saison den Weg zum ersten Meistertitel in der Klubgeschichte absolviere. Angeführt von Taktgeber Granit Xhaka, der als verlängerter Arm von Trainer Xabi Alonso brillierte. Doch es ist der Ruhm von gestern, wie Nati-Captain Xhaka weiss. Kürzlich sagte er in einem Interview: «Wir wissen, dass die Erwartungen viel höher sein werden als letztes Jahr. Wir hatten eine tolle letzte Saison. Aber das ist vorbei.» Das Team müsse nicht darüber nachdenken, wie und was es getan habe, sondern vorwärtsschauen. «Wir müssen sehen, wo wir uns verbessern können. Nicht alles war perfekt», so Xhaka.

Schwierige Titelverteidigung

Es sind Worte, die durch einen Blick in die Statistik unterstrichen werden. In der 61-jährigen Historie der Bundesliga konnten nur gerade vier Klubs auch im folgenden Jahr die Meisterschale in Empfang nehmen: Rekordmeister Bayern München natürlich teilweise gleich serienmässig, dazu aber auch Borussia Dortmund, der Hamburger SV und Borussia Mönchengladbach. Die Gladbacher feierten ihren letzten Titelgewinn übrigens 1977 und sind heute Abend der erste Gegner von Granit Xhaka und seinem Team. Und Trainer Gerardo Seoane und seine Mannschaft um Captain Jonas Omlin und Verteidiger Nico Elvedi sind gefordert, müssen sich nach der miserablen letzten Saison mit dem enttäuschenden 14. Platz wieder rehabilitieren.

Ein Sieg gegen Bayer als Ausrufezeichen von Seoane?

Er sei dankbar, dass der Klub an ihm festgehalten habe, sagte Seaone nun gegenüber dem Blick. «Das spricht für die Werte, welche die Borussia mir auch in den Gesprächen vermittelt hat. Denn wir waren uns des Drucks bewusst, der aufgrund der erfolgreichen Vergangenheit von aussen entstehen kann. So gehen wir geschlossen den Borussia-Weg, der die Verjüngung und Verkleinerung des Kaders vorsieht, alles unter Einhaltung der finanziellen Vorgaben.» Seoane, der von Juli 2021 bis Oktober 2022 bei Leverkusen tätig war, freut sich auf das Duell gegen seinen Ex-Klub und die Ehre, die Saison zu eröffnen und sagt: «Wir wissen, wie tough diese Aufgabe ist. Wir wollen Bayer das Leben von Beginn weg schwer machen. Natürlich ist es für mich noch spezieller, weil es ein Ex-Klub ist. Da gibts immer noch den einen oder anderen Kontakt. Aber das ist doch schon anderthalb Jahre her.» Seoane steht von Anfang an unter Druck. Wenn es darum geht, die erste Trainerentlassung der neuen Saison zu prophezeien, wird sein Name oft genannt, ein Sieg gegen den Titelverteidiger Bayer wäre für den Coach also ein fettes Ausrufezeichen.

Die Investitionen der Bayern

Bayer Leverkusen will da weitermachen, wo das Team aufgehört hat und wird vielerorts als Meisterkandidat Nummer 1 genannt. Das Team, dem das Double gelang, konnte weitestgehend zusammengehalten werden und auch Coach Xabi Alonso widerstand den Lockrufen anderer, finanziell potenter Vereine. Heiss auf den Spanier waren vor allem auch die Bayern, die nun mit dem Belgier Vincent Kompany in die Saison steigen und nach der Seuchensaison wieder angreifen wollen. Investitionen von fast 130 Millionen Euro sollen für den Turnaround sorgen, namentlich Verteidiger Hiroki Ito (vom VfB Stuttgart), Mittelfeldspieler João Palhinha (Fulham) und Flügel Michael Olise (Crystal Palace), der mit einer Ablösesumme von 53 Millionen Euro der bislang teuerste Neuzugang der Bundesligasaison ist.

Der deutsche EM-Fahrer für Dortmund

Die Bayern werden als erste Bayer-Jäger erwartet, doch es gibt weitere Teams, die man im Auge behalten muss. Da ist Borussia Dortmund mit Gregor Kobel, der neuen Nummer 1 auch im Tor der Schweizer Nati. Gleich drei EM-Teilnehmer verstärken die Borussia – Maximilian Beier, Waldemar Anton und Pascal Gross –, dazu kommt Stürmer Serhou Guirassy, der in der letzten Saison für Stuttgart in 28 Spielen satte 28 Mal traf und nun den zu West Ham weitergezogenen Niclas Füllkrug ersetzen soll. Frisches Blut gibt es auch auf der Trainerbank, wo Nuri Sahin statt Eden Terzic verantwortlich ist.

Norwegisches Super-Talent für Leipzig

Rechnen sollte man auch mit RB Leipzig. Der Dosen-Klub, letzte Saison auf Rang 4, verlor von den Stammspielern einzig Europameister Dani Olmo, konnte aber den vielerorts heiss begehrten Niederländer Xavi Simons halten. Ein wichtiger Zuzug ist der 19 Jahre alte Olmo-Nachfolger Antonio Nusa, der als eines der vielversprechendsten Talente überhaupt gilt. Der Offensivspieler feierte mit dem FC Brügge seit 2021 zwei belgische Meistertitel und ist bereits norwegischer Nationalspieler. «Er ist jung, entwicklungsfähig, sehr ambitioniert und lernwillig, hat aber andererseits bereits rund 100 Profispiele absolviert und sowohl Brügge als auch der norwegischen Nationalmannschaft seinen Stempel aufdrücken können. Damit gehört er in Europa ohne Zweifel zu den besten Spielern seines Jahrgangs», sagt RB-Sportgeschäftsführer Marcel Schäfer.

Aderlass beim VfB Stuttgart

Und wie sieht es mit Vizemeister Stuttgart aus? Der Erfolg der letzten Saison sorgte für Begehrlichkeiten, Torjäger Serhou Guirassy und Abwehrchef und Kapitän Waldemar Anton spielen neu für Dortmund, Verteidiger Hiroki Ito wechselte zu den Bayern. Es ist ein substanzieller Aderlass für das Team von Sebastian Hoeness, in dem neu auch Fabian Rieder und der ehemalige St. Galler Ermedin Demirovic stehen. Der Auftritt am vergangenen Wochenende im Supercup gegen Leverkusen hat aber deutlich gezeigt, dass die Schwaben auch in dieser Saison wieder vorne mitmischen können. Für Spannung sollte also gesorgt sein, die Zeiten, als eigentlich nur die Bayern Meister werden konnten, scheinen zumindest vorübergehend der Vergangenheit anzugehören.