Die Nati – ein Erfolgspuzzle
Drei Spiele, neun Punkte, 9:0 Tore: Die Schweizer Nati stürmt in dieser EM-Qualifikation von Sieg zu Sieg – und löst vielleicht schon heute Abend das USA-Ticket.
Es ist schlicht beeindruckend, was die Schweizer momentan bieten. Vielerorts bestanden vor dieser Kampagne Zweifel, ob Murat Yakin und sein Team diese Hürde mit den Gegnern Schweden, Slowenien und Kosovo meistern. Nun ist die Schweiz auf bestem Weg zum Gruppensieg und zur WM-Qualifikation. Ein Sieg heute Abend in Ljubljana und eine Niederlage oder ein Remis des Kosovo auswärts gegen Schweden – und schon ist alles klar, können die Schweizer nicht mehr von der Spitze verdrängt werden. Und dieser Schweizer Höhenflug hat Gründe, es ist ein Erfolgspuzzle, in dem viele Einzelteile passen.
Akanji und Elvedi – ein Bollwerk
Im Tor verrichtet Gregor Kobel unaufgeregt seinen Dienst. Er hält, was er halten muss oder kann, ist ein sicherer Rückhalt und hat die Nachfolge von Yann Sommer endgültig angetreten. In der Defensive sind Manuel Akanji und Nico Elvedi eine Bank und verteidigen solidarisch. Hat der eine mal einen Wackler, putzt der andere nach. Selbst die Starstürmer Alexander Isak und Viktor Gyökeres konnten das Bollwerk nicht ernsthaft ins Wanken bringen. Und zur Not spielte dann bei Bedarf halt auch Glücksgöttin Fortuna mit.
Nach dem Rücktritt von Fabian Schär bestanden vielerorts einige Sorgen. Doch die sind längst weg. Dies auch, weil die Nati über eine nicht zu unterschätzende Breite und auch gute Mischung verfügt. Neben Akanji und Elvedi in der Mitte glänzen auf den Aussenbahnen Silvan Widmer und Ricardo Rodriguez. Letzterer steht bei 132 Länderspielen, ist enorm solide, beackert die Aussenbahn unaufgeregt und effizient und ist aktuell aus dem Team nicht wegzudenken. Er ist kein Lautsprecher, keiner der das Rampenlicht sucht und sagte nun auch gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Ich will mein Ding machen und der Mannschaft helfen. Ich bin nicht der Typ, der vor der Kamera gross reden muss.» Ergänzt wird die Defensive von Luca Jaquez, Aurèle Amenda und Miro Muheim, die allesamt in der Bundesliga unter Vertrag stehen, dazu kommen Zachary Athekame (Milan) und Adrian Bajrami (Luzern). Ein qualitativ und quantitativ sehr gutes Angebot.
Im Mittelfeld und in der Offensive sind Captain Granit Xhaka und Remo Freuler sichere Werte. Sie ergänzen sich perfekt und bilden die Basis der Schweizer Erfolge. Fabian Rieder dankt Coach Yakin seit längerer Zeit mit Top-Leistungen für das Vertrauen, Johan Manzambi ist ein frisches, unverbrauchtes Element und überzeugt mit seinen Statistiken: In bislang fünf Länderspielen erzielte der Freiburg-Söldner zwei Tore und einen Assist. Stark! Nach längerer Pause kehrte nun Djibril Sow ins Team zurück und holte gegen Schweden einen Penalty heraus. Was für eine Rückkehr! Ganz vorne wirbeln Dan Ndoye, der jede gegnerische Verteidigung vor grosse Probleme stellt, Breel Embolo, der mit seiner physischen Präsenz für Druck sorgt und Ruben Vargas.
Keine Party geplant
Ganz klar, die Perspektiven sind wunderbar, doch Nati-Coach Yakin und seine Mannschaft halten den Ball tief, haben keine Party geplant, wenn sie heute das WM-Ticket lösen sollten. Natürlich stellt sich auch die Frage, ob diese Nati besser ist als das Team an der EM 2024. «Es sind andere Gegner, ein anderer Wettbewerb. Das können wir nicht beurteilen. Man sieht aber schon, dass eine gute Entwicklung stattgefunden hat», erklärt Nationalcoach Yakin. Ein wichtiger Punkt sei, dass die Stammkräfte gut in die Saison gestartet und in Form sowie in ihren Klubs Leistungsträger sind. «Das war bei weitem nicht immer so. Wir können jetzt über Strategien und Details reden und nicht über individuelle Personalien oder Belastungssteuerung», so Yakin. Man könne nun in Gesprächen den Fussball ins Zentrum stellen und werde nicht durch Störfaktoren gebremst. Und: «Ich spüre eine absolute Bereitschaft der Spieler, sowohl in der Offensive als auch in der Defensive mit höchster Intensität mitzuarbeiten.» Auf der anderen Seite wird auch der Coach gelobt. Offensivspieler Ruben Vargas etwa sagt: «Wie er uns auf die Spiele vorbereitet, gibt uns viel Selbstvertrauen, weil wir immer einen Plan A oder B haben.»
Bleibt zu hoffen, dass dieser Plan auch heute gegen Slowenien aufgeht, Schweden Schützenhilfe leistet und die WM-Qualifikation im Rekordtempo geschafft wird. Es wäre ein Meisterstück – von Nationaltrainer Murat Yakin und seinem ganzen Team.