Ein Trio unter Druck
Die neue Super League-Saison ist noch jung, aber dennoch sind drei Klubs bereits angezählt: Vizemeister Servette, der ambitionierte FC Lugano und Rekordmeister GC. Das Trio steht unter Druck – und hofft auf den Befreiungsschlag.
Servette beendete die vergangene Meisterschaft auf Rang 2, Lugano auf dem vierten Platz und auch die neue Saison haben beide als potenzielle Spitzenklubs in Angriff genommen. Doch es wurde für beide Klubs ein Fehlstart, so das nun Resultate gefordert sind, damit die Krise nicht noch grösser wird. Und so stehen gerade für die Genfer und die Tessiner nun entscheidende Spiele an – zuerst heute auf dem internationalen Parkett.
Gegen Viktoria Pilsen platzte in der Qualifikation Servettes Traum von der Champions League, und dies trotz eines Sieges im Hinspiel. In der Meisterschaft gab es Niederlagen gegen die Young Boys und St. Gallen. Der miserable Start hatte so schnell Konsequenzen, die Genfer zogen die Reissleine und feuerten nach nur gerade zwei Meisterschafts- und vier Pflichtspielen Trainer Thomas Häberli. Es war eine rekordmässige Trennung, einzig der FC Basel reagierte im Juli 2018 noch schneller und entliess Coach Raphael Wicky nach bereits zwei Spielen.
Interimistisch stehen nun Alexandre Alphonse und Bojan Dimic an der Linie, in der Verantwortung und unter Druck. Und das schon heute, wenn es gegen Utrecht ums Überleben im europäischen Business geht. Servette trifft in der Europa League-Qualifikation im Hinspiel daheim auf die Niederländer, in einer Woche folgt das Rückspiel. Es sind kapitale Duelle. Denn wenn Servette diesefür sich entscheidet, ist zumindest die Qualifikation für die Conference League gesichert und lockt in den Playoffs gegen Zrinjski Mostar (Bosnien) oder Breidablik (Island) ein Ticket für die Europa League-Ligaphase. Scheitern die Genfer an Utrecht, folgt die Conference League-Qualifikation – und ein Duell mit Panathinaikos oder Schachtar Donezk, zwei Teams, gegen welche die Genfer klare Aussenseiter wären.
Joël Mall die Nummer 1
Im Kampf um die europäischen Millionen ist Servette nun in Rücklage und gefordert. Die Nerven liegen entsprechend blank, auch im Umfeld, denn sogar die eigenen Fans bekämpfen sich. Gegen Utrecht und dann in der Meisterschaft gegen das ebenfalls noch punktlose GC ist also eine sportliche Reaktion zwingend. Ein Hoffnungsträger auf bessere Zeiten ist Goalie Joël Mall. Er stand in den Duellen gegen Pilsen im Tor, war unter Häberli in der Super League bei den Niederlagen gegen YB und St. Gallen aber hinter Jérémy Frick nur die Nummer 2. Nun folgt der Turnaround – Mall ist die Nummer 1 und steht in beiden Wettbewerben im Tor, nachdem es zuerst unter René Weiler und dann unter Thomas Häberli keine klare Nummer 1, sondern eine Aufgabenteilung gegeben hatte.
Damit ist Schluss. «Es war keine einfache Entscheidung», erklärt Interimscoach Bojan Dimic. «Ich möchte daran erinnern, was Jérémy Frick für den Servette FC bedeutet, was er für diesen Verein leistet und wie wichtig er als Kapitän für die Mannschaft ist. Aber das ist unsere Entscheidung.» Es sei nicht das Ziel, alles zu revolutionieren, so Alexandre Alphonse. «Das wäre dumm. Aber wir wollen dieser Mannschaft neue positive Impulse geben, neue Lust und Motivation.» Es gehe darum, sich daran zu erinnern, wer sie seien und schnell wieder zu sich selbst zu finden. Wobei gerade das Adjektiv «schnell» wichtig ist…
Lugano seit acht Spielen sieglos
Tief im Sumpf steckt auch der FC Lugano, die grossen Träume sind in den Hintergrund gerückt. Im Februar standen die Tessiner noch an der Spitze der Super League, doch dann begann der sportliche Kriechgang in der Meisterschaft und im Cup, wo im Viertelfinal Biel die Endstation war. Seither gab es in 19 Wettbewerbsspielen nur noch drei Siege, dafür aber zwölf Niederlagen und vier Unentschieden, saisonübergreifend ist der FC Lugano seit acht Spielen ohne Sieg. Es ist eine ungenügende Bilanz, die vielleicht auch in der überraschenden Trennung von Carlos Da Silva im Winter begründet ist. Seit sein Nachfolger Sebastian Pelzer im Amt ist, ging die Stabilität verloren. Und vor allem sind die Tessiner nicht torgefährlich. Der aus Deutschland geholte Mittelstürmer Kevin Behrens beispielsweise wartet immer noch auf einen Treffer.
Statt offensiver Herrlichkeit ist die sportliche Tristesse im Tessin nun die Realität. Der rumänische Vertreter Cluj war in der Qualifikation zur Europa League Endstation, für den Einzug in die Gruppenphase müssen die Tessiner nun die nächsten zwei Runden überstehen. Der erste Gegner ist heute in Thun der slowenische Klub Celje, der in der vergangenen Saison den Lugano im Achtelfinal eliminiert hat, in den Playoffs würde es das Team von Mattia Croci-Torti nun mit dem Sieger aus der Partie Banik Ostrava und Austria Wien zu tun bekommen.
Doch ist dann Übungsleiter Croci-Torti noch im Amt? Nach erfolgreichen Jahren steht er unter Druck, auch wenn sein Vertrag erst im Januar bis 2028 verlängert wurde. Seit bald vier Jahren ist er nun Cheftrainer der Tessiner, formte ein Spitzenteam und feierte Erfolge – doch nun hat der Wind gedreht. Siege sind gefordert, zuerst auf der europäischen Bühne, am Sonntag auch in der Meisterschaft gegen Titelverteidiger Basel, der mit dem Sieg gegen YB Moral getankt hat. Akut ist Croci-Tortis Job wohl nicht in Gefahr, zumal auch Sportchef Pelzer gegenüber dem «Corriere del Ticino» sagt: «Es wäre sehr einfach, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Wir sind aber ein Team.» Das Selbstvertrauen des Teams sei dasselbe wie vor sechs Monaten, jeder müsse jetzt Fortschritte machen, die Spieler müssten die beste körperliche Verfassung finden und versuchen, als Team zu spielen. Doch die Mechanismen im Fussball sind überall und immer die gleichen – in der Krise wird der Trainer irgendwann zum schwächsten Glied in der Kette.
Sportliche Schwäche als GC-Konstante
Die dritte aktuelle Nullnummer der League ist Rekordmeister GC. Dies allerdings weniger überraschend als Servette und Lugano, schliesslich stürmen die Zürcher seit Jahren von einer Krise zur anderen, werden die Seuche einfach nicht los. Auch mit dem zurückgeholten Hoffnungsträger Alain Sutter an der sportlichen Spitze und dem neuen Coach Gerhard Scheiblehner ist der Saisonstart mit den Niederlagen gegen Luzern (2:3) und den FCB (1:2) zumindest resultatmässig nicht geglückt und bleibt vorderhand die sportliche Schwäche eine Konstante. Nach der Niederlage gegen Titelverteidiger FCB wurde Neutrainer Scheiblehner denn auch gefragt, ob er nach zwei sieglosen Spielen nun gegen Servette Druck stehe, worauf er mit einer Mischung aus Sarkasmus und Galgenhumor sagte: «Ja, es muss unbedingt ein Sieg her, sonst werde ich wahrscheinlich entlassen. Ich fühle mich unglaublich unter Druck – in Basel zu verlieren ist für GC fast schon eine Schande, deswegen ist der Druck sehr, sehr gross.»
Ganz klar, bei den Hoppers gerät noch niemand in Panik. Aber ein schnelles Erfolgserlebnis wäre dennoch Gold wert, um nicht in die Negativspirale zu geraten. Zumal das Kader des Rekordmeisters im Ligavergleich nicht nur günstig ist, sondern mit einem Durchschnittsalter von 22,9 Jahren auch das jüngste. Und mit Captain Amir Abrashi fällt der Leithammel und Vorzeigekämpfer mit einem Muskelfaserriss noch für längere Zeit aus. Wenn das nur gut geht…