Entscheiden Afrika- und Asien-Cup die Bundesliga? Zwei Meinungen
23 in der Bundesliga engagierte Spieler nehmen während den kommenden Wochen an den beiden grossen Turnieren der Kontinentalverbände Afrikas und Asiens teil. Klar ist, dass diese Absenzen einen Einfluss auf die Meisterschaft in der Bundesliga haben werden. Entscheiden sie gar den Titelkampf? Unsere Redaktoren Patrick Y. Fischer und Andy Maschek sind geteilter Meinung.
Patrick Y. Fischer sagt: Nein
Keine Frage – 23 Spieler sind eine stolze Zahl. Umso mehr, wenn sich die überwiegende Mehrheit (16) davon, auf die Kader der Top 6 verteilt. Aber die Absenzen der Teams aus Stuttgart, Leipzig, Dortmund und Frankfurt können wir beim Versuch, den Impact der beiden grossen Turniere auf das Meisterschaftsrennen vorherzusagen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vernachlässigen. Geht es um den Gewinn der Schale, kommen nach den ersten 16 Spieltagen nur noch Bayer Leverkusen und der FC Bayern München in Frage.
Und in der Tat: Im ersten Moment könnte man beim Blick auf Afrika- und Asien-Cup den Eindruck gewinnen, dass beide in erster Linie den Bayern in die Karten spielen. Denn schliesslich tritt der Rekordmeister mit Min-Jae Kim (Südkorea) und dem derzeit noch verletzten Noussair Mazraoui (Marokko) selber nur zwei Spieler ab, während es bei Weihnachtsmeister Leverkusen gleich vier sind, inklusive den Leistungsträgern Odilon Kossounou (Elfenbeinküste), Edmond Tapsoba (Burkina Faso) und Victor Boniface (Nigeria). Letzterer hat sich zudem im Rahmen der Vorbereitung so schwer verletzt, dass er bis Anfang April ausfallen wird. Die Rheinländer werden somit für möglicherweise längere Zeit ohne Topscorer (10 Saisontore) und ohne die beiden etatmässigen Aussenverteidiger auskommen müssen – und bleibt trotzdem gelassen.
Denn wie alle Klubs weiss auch Bayer schon seit Beginn der Planungen für die aktuelle Spielzeit, dass es in der jetzigen Saisonphase für bis zu sechs Wochen auf Personal aus Afrika und Asien verzichten muss. Entsprechend haben Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes und Trainer Xabi Alonso seit Saisonbeginn darauf geachtet, sich auf diese möglicherweise vorentscheidenden Wochen vorzubereiten und sich entsprechend breit aufzustellen. In einem Transfer, der für den Ausgang der Meisterschaft noch entscheidend werden könnte, lotste der Werksklub Ende August Bayern-Backup Josip Stanisic (23) auf Leihbasis ins Rheinland, wo er nun aller Voraussicht nach Rechtsverteidiger Odilon Kossounou auf Rechts vertreten wird. Links wird es ihm Piero Hincapié gleichtun. Beide sind jung, wurden aber im Verlauf der bisherigen Saison regelmässig eingesetzt (u.a. auch gemeinsam beim 4:0 vs. Bochum am 16. Spieltag) und sind entsprechend system- und wettkampferprobt. Vom wieder fitten Goalgetter Patrik Schick als 1:1 Ersatz für Boniface ganz zu schweigen.
Gewiss: Je nach Dauer des Afrika-Cup-Abenteuers für Kossounou, Tapsoba und Ergänzungsspieler Amine Adli kann der Afrika-Cup für Bayer zum ultimativen Test auf dem Weg zur Meisterschaft werden. Gleichzeit hat diese Situation aber auch das Potenzial, für noch mehr Rückenwind in Leverkusen zu sorgen. An der notwendigen Qualität, Flexibilität und am Selbstvertrauen für eine starke Rückrunde dürfte es dem Kader des Werksklubs auf alle Fälle nicht fehlen.
Andy Maschek sagt: Ja!
Am Freitag startet die Bundesliga in die zweite Saisonhälfte – und alle sind gespannt auf das Meisterduell zwischen Leader Bayer Leverkusen und Serienchampion Bayern München. Die grosse Frage: Schaffen es Granit Xhaka & Co., den Bayern auf Dauer Paroli zu bieten und sie im Kampf um die Schale auf Distanz zu halten? Die erste Bedingung dafür ist, dass der Werksklub den Afrika-Cup ohne allzu grossen Schaden übersteht oder «überlebt», was per se schon eine nicht zu unterschätzende Herausforderung ist.
Gleich drei Spieler fehlen Xabi Alonso in den kommenden Wochen wegen des Nationalteams: Edmond Tapsoba (Burkina Faso), Odilon Kossounou (Elfenbeinküste) und Amine Adli (Marokko), die für ihr Heimatland den Afrika-Cup bestreiten. Es sind nicht drei x-beliebige Spieler, die man dann halt schnell mal durch andere Akteure ersetzt, sondern Spieler, die durchaus Lücken hinterlassen. Mit Tapsoba und Kossounou sind gleich zwei Mann aus der Defensive abwesend, mit Adli muss der Klub zudem auf einen wettbewerbsübergreifend fünffachen Torschützen verzichten.
Letzteres wiegt besonders schwer, weil Coach Alonso auch für lange Zeit ohne Mittelstürmer Victor Boniface auskommen muss. Der Nigerianer hat mit seinen zehn Meisterschaftstoren die Basis für den Gipfelsturm der Leverkusener gelegt und hätte dem Leader in den kommenden Wochen sowieso gefehlt, weil er natürlich für den Afrika-Cup vorgesehen war. Dann zog er sich in der Vorbereitung mit dem Nationalteam eine Muskelsehnenverletzung an den Adduktoren zu, die eine Operation nötig macht – und so fehlt der Torgarant nun gar bis im April.
Kann Bayer diese Lücken füllen, ohne allzuviel Substanz- und Qualitätsverlust zu erleiden? Im ersten Moment vielleicht schon. Noch surft Bayer auf der Erfolgswelle, scheint nicht zu stoppen zu sein. Doch nun sind die Leverkusener die Gejagten, müssen sich Woche für Woche beweisen. Nicht nur bis zum Ende des Afrika-Cup, sondern bis zum Saisonende. Es ist eine mentale Herausforderung, die gerade durch das Fehlen von Torjäger Boniface zu einer Knacknuss wird, und man darf gespannt sein, wie Xabi Alonso, Granit Xhaka & Co. reagieren, wenn erstmals in dieser Saison ein Spiel verloren geht und der Druck ständig grösser wird.
So gesehen ist der Afrika-Cup der grosse Vorteil für den FC Bayern München. Der Titelverteidiger muss in den kommenden Wochen zwar auf Noussair Mazraoui und Min-Jae Kim verzichten, die für Marokko und Südkorea den Afrika-Cup respektive den Asien-Cup bestreiten. Im Gegensatz zu Bayer wird Bayern diese Absenzen aber verkraften und in den kommenden Wochen die Basis für den nächsten Meistertitel legen. Mit dem unerschütterlichen «Mia san mia»-Selbstverständnis, an dem schon so manch anderer Gegner zerschellt ist.