Exklusiv - Nico Hischier: «Der Traum vom Titel? Das ist unser Mindset!»
Die New Jersey Devils mit Captain Nico Hischier stehen kurz davor, erstmals seit fünf Jahren wieder die NHL-Playoffs zu erreichen. Der 24-jährige Walliser spricht im Interview über den überraschenden Höhenflug seines Teams, seine Rolle als Captain, die Schweizer Connection im Team – aber nicht nur.
In der Schweiz laufen die Playoffs, du hast schon 70 Spiele in der Regular Season auf dem Buckel. Wie gross ist die Müdigkeit?
Nico Hischier: Aktuell spüre ich sicher eine gewisse Müdigkeit, zumal der März der strengste Monat dieser Saison war. Neben dem körperlichen Aspekt gibt es den mentalen Bereich, und auch da bin ich etwas müde. Gegen Ende der Saison trainiert man weniger, sondern spielt fast nur noch. Nun versuchen wir, die Regular Season gut zu beenden und danach in ein paar freien Tagen Energie für die Playoffs zu tanken. Doch diese Problematik betrifft alle, entscheidend ist die Einstellung, wie man mit ihr umgeht.
Was ist schwieriger: der mentale oder der körperliche Bereich?
Es betrifft beides. Der Körper ist sicher müde, aber auch der Kopf, und da versucht man beispielsweise, von der Arena wegzubleiben, wenn man kein Spiel hat und sich anders abzulenken. Ich kann gut damit umgehen, für mich ist das kein Problem, ich finde immer wieder einen Weg, mich zu erholen und zu motivieren. Zudem darf man wirklich nicht vergessen: Es geht allen anderen Spielern in der Liga gleich, auch sie sind müde.
Entscheidend ist, was in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals vergessen geht: Für Spitzensportler gehört die Körperpflege zum Beruf.
Genau so ist es, gut zu schlafen und gut zu essen sind wichtige Elemente – und in diesen strengen Monaten umso wichtiger. Zusätzlich werden wir vom Klub topprofessionell behandelt, auch in der Arena, beispielsweise mit Regenerationsmassagen. Es wird uns alles zur Verfügung gestellt – aber wir müssen das auch annehmen, umsetzen und so dafür schauen, dass wir wieder über genügend Energie verfügen.
Du hast bereits so viele Skorerpunkte auf dem Konto wie noch nie in der NHL. Was ist dein Erfolgsgeheimnis?
Ein spezielles Rezept gibt es nicht. Ich versuche, meinem Team in jedem Spiel so gut wie möglich zu helfen. Dazu gehört einerseits das Toreschiessen, andererseits aber auch eine gute defensive Arbeit. In dieser Saison hat das in vielen Bereichen sehr gut geklappt. Entscheidend ist auch, dass wir ein gutes Team sind und Spiele gewinnen.
Gleichzeitig ist die Erwartungshaltung an dich gross. Hast du keine Probleme, mit diesem Druck umzugehen?
Nein, eigentlich nicht gross. Diesen Druck gab es von Anfang an, so konnte ich das bereits in meinen jungen Jahren lernen…
…junge Jahre? Du bist 24 Jahre alt…
...einverstanden, ich bin immer noch jung, aber ich denke da an die Zeit, als ich mit 18 Jahren mein NHL-Debüt gab. Da spürte ich erstmals diesen gewissen Druck und seither ist er einfach da. Man lernt, mit dem Druck umzugehen, und ich probiere, mich immer auf mein Ziel zu konzentrieren. So habe ich es von Anfang an gemacht, so ist es gut gegangen und deshalb habe ich auch nicht vor, etwas daran zu ändern.
Sportlich läuft es hervorragend, die Playoff-Qualifikation ist für New Jersey nur noch Formsache, es müsste mit dem Teufel zu und hergehen, wenn das noch ändern würde.
Fassen wir Holz an! Es stimmt aber schon, es sieht sehr gut aus, doch es liegt nun an uns, dass wir noch ein paar Spiele gewinnen, um die Playoff-Qualifikation definitiv zu sichern. Zudem ist der Abschluss der Regular Season sehr wichtig, um sich als Team ein gutes Gefühl zu holen.
Wie gross ist die Erleichterung, der Stolz, erstmals seit der Saison 2017/18 wieder unter den besten Teams der NHL zu sein?
Das tut natürlich sehr gut und macht auch mehr Spass, als wie in den letzten Jahren in den hinteren Regionen zu sein. Es sorgt für eine neue Extramotivation und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Von den Experten hat eigentlich niemand damit gerechnet, dass wir da oben mit dabei sind, und so tut es auch gut, dass wir ein paar Leute überraschen können. Es ist eine Bestätigung, dass die Organisation einen guten Job gemacht hat, auch wenn es in den letzten Jahren nicht so gut ausgeschaut hat.
Wo siehst du die Gründe, dass New Jersey plötzlich wieder an der Spitze mitmischt?
Die Spieler, welche im Sommer geholt wurden, haben uns zu einem besseren Team gemacht. Entscheidend ist auch die Geduld, welche die Organisation hatte, unsere Torhüter, die konstant spielen und dass wir im Gegensatz zu anderen Jahren von Verletzungen verschont blieben. Das soll keine Ausrede für die Leistungen in den vergangenen Jahren sein, aber wenn man das ganze Kader zur Verfügung hat, ist man einfach besser.
Zeigt es auch, dass das Draft-System auf dem Weg zurück sehr hilfreich ist?
Ja, und auch da ist die Geduld wichtig. Wir sind immer noch ein junges Team, und dass wir nun schon diese Erfahrungen sammeln konnten, ist für die Zukunft nur positiv.
Ist es auch ein Zeichen, dass sich Kontinuität ausbezahlt? Lindy Ruff ist seit 2020 euer Coach, in der Schweiz wäre er bei der Halbwertszeit der Trainer und den Resultaten in seinen ersten zwei Jahren wohl nicht mehr in Amt und Würden…
Das erklärt auch perfekt die bereits erwähnte Geduld. Dass man den Trainer oder Spieler nicht zu schnell abgab, sondern Leute in die Organisation holte, denen man nun ein paar Jahre lang vertraut. Das wurde hier wirklich gut gemacht.
Es heisst immer wieder, dass der Headcoach in der NHL nicht oft mit den Spielern redet. Wie ist das mit dir als Captain?
Wir haben einen Trainer, der auch mal mit den Spielern zusammensitzt oder Witze reisst. Es ist wohl auch die neue Generation, diese Eigenschaft muss man heutzutage schon fast haben, die Kommunikation mit den Spielern braucht es. Ich als Captain habe natürlich auch ab und zu mit dem Trainer ein Gespräch, auch in Zusammenhang mit gewissen Entscheidungen, beispielsweise, wie müde die Spieler sind und ob ein Training Sinn macht. Die Kommunikation ist schon da. Und natürlich mache Siege auch alles einfacher.
Dein Motto ist leading by example…
Genau, ich will vorangehen, auf und teilweise auch neben dem Eis.
Eine Thema ist in fast jedem Team die Gruppenbildung. Bei euch auch?
Grundsätzlich haben wir meiner Meinung nach eine super Garderobe, viele gute Typen. Eine Gruppenbildung ist normal und empfinde ich nicht per se als schlecht, wichtig ist aber, dass es dann beispielsweise bei einem Teamevent alle gut miteinander haben. Das war bei uns immer so und solange das so bleibt, ist es top.
Ist es deine Aufgabe, diese Events zu organisieren?
Ich habe meistens den Lead und gebe dann Aufgaben weiter. Es geht vielfach darum, auf einem Roadtrip gemeinsam etwas essen zu gehen. Oder auch um die jährliche Rookie-Party. Das ist eine Tradition, da kommt das Team gut zusammen.
Was war deine Aufgabe bei deiner Rookie-Party?
(lacht) Das bleibt intern, das ist so abgemacht.
Gibt es bei den Devils ein Schweizer-Grüppchen?
Natürlich sind wir auch immer wieder zusammen. Das war früher mit Jonas Siegenthaler so und ist nun auch mit Timo Meier und Akira Schmid der Fall. Wir gehen immer mal wieder gemeinsam zum Nachtessen, dies aber auch mit anderen Spielern. Cool ist, dass sich alle gut verstehen.
Vier Schweizer auf diesem Niveau in einem Klub – das ist schon sehr, sehr speziell…
Auf jeden Fall, das wird man wohl nicht so schnell wieder sehen.
Jonas Siegenthaler ist in der Verteidigung eine fixe Grösse. Wie siehst du seine Entwicklung, seit er vor zwei Jahren von Washington zu den Devils gekommen ist?
Super! Er ist genau da, wo ich ihn als Spieler sehe. Er hat grosse Schritte gemacht und ist einer der besten Defensivverteidiger, mit denen ich in unserer Organisation gespielt habe. Er macht viele Dinge richtig, auch jene, für die man nicht viel Credit bekommt, die aber für ein Team sehr wichtig sind. Er ist ein wirklich wichtiger Bestandteil unserer Defensive, unseres Teams.
Goalie Akira Schmid klopft immer lauter an die NHL-Türe. Wie erlebst du ihn?
Er hat es sehr gut gemacht. Ich wusste immer, dass er ein guter Goalie ist, war aber dennoch positiv überrascht. Er kam von Utica rauf und zeigte top Leistungen. Das ist cool für ihn – und wir freuen uns mit ihm. Er macht es sehr gut.
Und nun ist auch Timo Meier bei euch. Was erhoffst du dir von ihm?
Das, was Timo macht! Tore schiessen, mit seiner Härte, seinem Körper dem Team helfen. Er ist einer, der unbedingt gewinnen will, und solche Spieler hat man sehr gerne in der Mannschaft. Er ist ein unglaublicher Spieler, der vor dem Tor immer gefährlich sein kann.
Warst du auch in den Trade involviert und wurdest um deine Meinung gefragt?
Ja und nein. Der Name wurde sicher erwähnt, schlussendlich macht das jedoch alles die Organisation. Aber wenn sie Fragen haben, komme sie auf dich zu.
Wer in den Playoffs steht, träumt vom Titel. Das wird bei euch nicht anders sein, oder?
Auf jeden Fall, das ist unser Mindset.
Und die New Jersey Devils haben gezeigt, dass sie die Qualität haben.
Das ist so, und wenn man in den Playoffs dabei ist, ist alles möglich. Das haben schon verschiedene Teams bewiesen.
Apropos Titel: Wer macht in der Schweiz das Rennen?
Ich unterstütze natürlich meinen Bruder Luca in Biel und verfolge diese Spiele auch aus der Ferne.
Und nach der Saison kommst du zurück in die Schweiz?
Das ist der Plan. Ich werde vor allem in Bern trainieren und ab und zu auch in Zürich sein, wo die Trainingsgruppe von Jonas Siegenthaler bereits Eis gemietet hat.
Hast du noch eine enge Beziehung zur Schweiz?
Ich freue mich immer riesig auf die Rückkehr, es gefällt mir sehr gut, zudem habe ich ja hier auch meine Familie und meinen Freundeskreis. Die Sommer in der Schweiz waren für mich in der Vergangenheit immer super, gleichzeitig konnte ich mich sehr gut auf die neue Saison vorbereiten. Es gibt für mich keinen Grund, im Sommer in Nordamerika zu bleiben.