FC Winterthur: Wenig Geld, viel Geist
Letzte Saison befand sich der FC Winterthur zwischenzeitlich bedrohlich auf Abstiegskurs – und sicherte sich dank einem starken Finish den Ligaerhalt doch noch ohne den Umweg in die Barrage. Führt Coach Uli Forte sein Team nun zu einer ruhigeren Saison?
Ganz klar, der FCW hat in der Schweiz viele Fans, ist teilweise ein Kultklub und auch sonst weitherum beliebt. Es gelingt immer wieder, mit den bescheidenen finanziellen Mitteln das Optimum herauszuholen. Es werden in Winterthur viele richtige Entscheide gefällt, auch wenn letzte Saison das Experiment mit der Beförderung von Ognjen Zaric vom Assistenten zum Cheftrainer schief ging, so dass der FCW nach der Vorrunde die Reissleine zog. Es war die richtige Konsequenz, die da gezogen wurde. Während Zaric pro Spiel auf 0,90 Punkte kam, steigerten sich die Löwen unter Uli Forte auf 1,35 Punkte und realisierten den Ligaerhalt.
Drei Jahre in Serie spielt der FC Winterthur nun schon in der Super League, hat sich als ein fester Bestandteil etabliert. Und doch wird sich das Team von Uli Forte wohl auch in der neuen Saison tendenziell gegen hinten orientieren und zuerst darauf bedacht sein müssen, in der vierten Spielzeit in Folge im Oberhaus den Ligaerhalt zu sichern. Denn eine Selbstverständlichkeit ist und bleibt es nicht, dass Winterthur im nationalen Konzert der Grossen mitspielt.
Entscheidend ist, dass die Defensive stimmt. Der Vertrag mit Goalie Stefanos Kapino, der aus Griechenland gekommen war und sich schnell als Nummer 1 festsetzte, wurde verlängert. Letzte Saison bestritt er 33 Spiele und hielt seinen Kasten zehnmal sauber – kann er diese löwenstarken Leistungen wiederholen, sind die Winterthurer einer ruhigen Saison einen grossen Schritt näher.
Eminent wichtig ist für die Defensive auch Innenverteidiger Loïc Lüthi, um dessen Gunst aber auch der FC Basel intensiv buhlt. «Ein sehr interessanter Spieler, den wir beobachten und an dem wir schon Interesse haben», bestätigte unlängst FCB-Sportchef Daniel Stucki das Basler Interesse. Dessen Pendant, FCW-Sportchef Oliver Kaiser, ist es immerhin gelungen, die Verträge von Verteidiger Silvan Sidler, Mittelfeld-Routinier Luca Zuffi und Stürmer Roman Buess zu verlängern, während gleichzeitig viel Routine verloren ging, weil sich Fabian Frei und der langjährige Captain Granit Lekaj vom Spitzenfussball verabschiedet haben. Zudem verlässt auch Aussenverteidiger Tobias Schättin den Klub; er sucht sein Glück im Ausland.
Heiss begehrter Di Giusto
Ein herber Verlust wäre ein Abgang von Offensiv-Ass Matteo Di Giusto, der für so manche künstlerische Duftnote sorgt und in der vergangenen Super League-Saison mit acht Treffern der beste Winterthurer Torschütze war. Der 24-jährige Zürcher Oberländer hat an verschiedenen Orten Interesse geweckt. Der FC St. Gallen wollte den offensiven Mittelfeldspieler, dessen Vertrag in einem Jahr ausläuft, holen, soll aber nur rund 350'000 Franken geboten haben – viel zu wenig für Winti. Auch ein Grossklub aus Moskau soll heiss auf ihn sein und wäre wohl auch bereit gewesen, Millionen in die Schweiz zu überweisen. Doch für Di Giusto ist ein Wechsel nach Russland kein Thema. Wie wär es aber mit dem Wallis? Denn auch der FC Sion hat den Spektakelspieler auf dem Radar, gemäss Blick gibt es zudem Interesse aus der amerikanischen Major League Soccer und auch beim SC Freiburg, wo Di Giusto einst in der U19 spielte, hat er einen guten Ruf.
Klar ist: So lange das Transferfenster offen und die Zukunft von Di Giusto und Lüthi in Winterthur nicht in Stein gemeisselt ist, droht Sportchef Kaiser Arbeit. Wichtige Arbeit, denn der Substanzverlust wäre bei diesen Abgängen immens. Ein neues Gesicht gibt es dagegen in der Offensive: Mittelstürmer Brian Beyer, der vom FC Biel-Bienne in die Eulachstadt gekommen ist. Der 28-jährige Franzose kennt den Schweizer Fussball bestens, nachdem er vor zwei Jahren mit seinen physischen Qualitäten und seinen Toren den Yverdon Sport FC in die Super League geschossen hat und letzte Saison auch bei Biel in der Meisterschaft und im Cup glänzen konnte. «Brian passt mit seiner Mentalität, seinem Torhunger und Teamgeist ausgezeichnet auf die Schützenwiese und wird für uns eine wertvolle Verstärkung sein», ist FCW-Sportchef Kaiser überzeugt.
Prognose
Der FC Winterthur ist auf einen guten Start angewiesen. Ein paar Siege zum Anfang – und schon ist die Euphorie in Winterthur gross. Im Gegenzug ist es wichtig, dass die Löwen wie letzte Saison in der Lage sind, die Moral zu behalten und am Ball zu bleiben, wenn es nicht wunschgemäss läuft. Wobei da auch Motivationskünstler Uli Forte gefordert ist, der nach dem Ligaerhalt in der letzten Saison in einem Interview sagte, dass für den FC Winterthur leider immer nur der Ligaerhalt das Ziel sein könne, da die Konstellation nichts anderes hergebe. Unterstrichen wird diese Aussage durch die Tatsache, dass das Kader gemäss transfermarkt.ch aktuell über einen Wert von 9,9 Millionen Euro verfügt – mehr zwar als Aufsteiger Thun (8,1 Mio.), aber weniger als der seit Jahren serbelnde Rekordmeister GC (11,5 Mio.). Wobei diese Zahlen noch ganz anders werden können, wenn an der Transferfront Hochbetrieb herrscht.
«Zwei Sachen haben wir in Winterthur nicht: Geld und Angst. Das ist das Denken der Gallier aus der Schweiz», sagte Forte in dem erwähnten Interview zudem Und bekanntlich haben auch Asterix, Obelix und die Gallier für beste Unterhaltung gesorgt – was der FCW mit seinem frischen Auftreten in der kommenden Saison auch wieder tun wird. Ganz sicher. Denn es kann ja zumindest versucht werden, weniger Geld mit mehr Geist wettzumachen.