Fluch oder Segen: Barcelonas offensiver Tanz auf Messers Schneide
Es ist angerichtet: Heute Abend entscheidet sich im Mailänder San Siro die Frage nach dem ersten CL-Finalisten 2025. Mit angeschlagenen Nerazzurri und Barcas spektakulärer Offensive in der Pole Position. Oder sind die Katalanen defensiv möglicherweise doch zu anfällig?
Ein Spiel zum Verlieben
Was für ein Spektakel: Sechs Tore, darunter Kunststücke von Marcus Thuram und Lamine Yamal, ein begeisternd anstürmendes Barcelona auf der einen, ein kaltblütig seine Chance suchendes Inter auf der anderen Seite. Dass 3:3 zwischen dem FC Barcelona und Inter Mailand vor sechs Tagen bot alles, was das Fussballherz begehrt. „Ein Spiel, als ob Gott es erfunden hätte“, wie die italienische La Reppublica titelte, aber vor allem auch ein Duell, das beiden Klubs weiterhin sämtliche Chancen eröffnet, heute Abend ins Finale vom 1. Juni in München einzuziehen. Allerdings: Mit dem drohenden Ausfall von Lautaro Martinez und der bevorstehenden Rückkehr von Robert Lewandowski haben sich die Kräfteverhältnisse in diesem Duell seit dem Hinspiel spürbar in Richtung der Katalanen verschoben. Entsprechend lautet die Frage: Ist Barca neben offensiv begeisternd auch abgeklärt genug, um die personellen Vorteile für sich zu nutzen?
Offensiv konkurrenzlos
Denn das die Partie heute Abend in Barcelonas Füssen (und Köpfen) liegt, ist meiner Meinung nach unbestritten. Schliesslich gibt es da diese Offensive der Katalanen, mit 40 Toren in bisher 13 CL-Spielen die mit Abstand beste des Wettbewerbs, bestückt mit herausragenden Individualisten wie Yamal, Raphinha, Dani Olmo oder dem besagten polnischen Torjäger. Sie, die im Verlauf der aktuellen Kampagne wiederholt begeisterten, u.a. die Schwergewichte aus München und Dortmund sowie vor Wochenfrist Inter an die Wand spielten. Auch im Rückspiel im Giuseppe-Mezza-Stadion hat Barcas offensiver Vielzack das Potential, um diesem Duell seinen Stempel aufzudrücken, ja, wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch tun. Fürs Weiterkommen entscheidend wir aber trotzdem ein anderer Aspekt sein: Barcelonas Fähigkeit, die richtige Balance zwischen überwältigender Offensive und zuverlässiger Defensive zu finden.
Auch Barca kann nicht immer drei Tore schiessen
Speziell auf fremdem Terrain hat der fünffache CL-Triumphator in dieser Hinsicht noch nicht wirklich überzeugt. Weder zu Beginn der Königsklasse bei Gastspielen in Monaco (zwei Gegentore), Belgrad (zwei Gegentore) oder Lissabon (vier Gegentore), noch zuletzt bei Borussia Dortmund (drei Gegentore). Einzige Ausnahme: Das „Clean Sheet“ im Achtelfinal-Hinspiel bei Benfica. Aber es ist klar, dass man nicht erwarten kann, ins CL-Finale einzuziehen, wenn man dafür in 75% aller Spiele drei oder mehr Tore erzielen muss. Auch wenn die Mailänder zuletzt schwächelten (ein Sieg in fünf Spielen und sechs Gegentore in den letzten drei CL-Auftritten) und heute Abend wahrscheinlich ohne ihren Topskorer auskommen müssen, ist klar, dass Sommer, Acerbi, Bastoni, Barella & Co. sich kaum zweimal bitten liessen, sollten ihnen die Spanier erneut zwei Standardtore oder mehr zugestehen. Entsprechend kann Barcas Devise heute Abend nur lauten, während 90 Minuten mit optimalem Fokus und maximaler Konsequenz zu Werke zu gehen. Alles andere käme aus Sicht des aktuellen spanischen Tabellenführers einem Schuss ins eigene Bein gleich – und wäre voraussichtlich ebenso unnötig wie schmerzhaft.