HC Ambrì-Piotta: Leidenschaft allein reicht nicht
Alle Jahre wieder träumen die Fans des HC Ambrì-Piotta von der Playoff-Qualifikation. So auch in der neuen Saison, die am 13. September beginnt. Die grosse Frage dabei ist, ob das Team von Luca Cereda über längere Zeit und nicht nur an magischen Abenden Top-Leistungen abrufen kann.
Es war in der Saison 2018/19, als Ambrì letztmals die Playoffs bestreiten durfte. Die Tessiner belegten in der Regular Season Rang 5 und scheiterten im Viertelfinal mit 1:4 am EHC Biel. Es war die Saison, in welcher der Tscheche Dominik Kubalik mit 25 Toren und 32 Assists Liga-Topskorer wurde, was ihn in der Folge in die NHL und zum Millionenverdiener katapultierte. Seither gab es keinen einstelligen Tabellenplatz mehr nach dem Ende der regulären Saison – und es scheint doch sehr fraglich, ob sich das nun ändert.
Wenn alles zusammenpasst, können die Leventiner für Furore sorgen. So wie am vergangenen Spengler Cup, als sich das Team von Luca Cereda auf einer Mission befand, getragen von den fantastischen Fans von Sieg zu Sieg eilte und überraschend die Trophäe gewann. Doch diese Leidenschaft und diesen Esprit über den Grossteil einer Saison halten zu können, ist dann wieder eine ganz andere Sache.
Chlapiks fehlende Tore
Beim Blick auf das Kader fällt auf, dass doch einige wichtige Spieler den Klub verlassen haben. So vor allem der Tscheche Filip Chlapik, mit 24 Treffern der erfolgreichste Torschütze in der vergangenen Saison, der aus privaten Gründen vorzeitig in seine Heimat zurückgegangen ist. Oder André Heim, der fünftbeste Ambrì-Skorer 2022/23, der nun sein Glück in der NHL bei St. Louis versucht. Und natürlich Yanick Burren, der produktivste Schweizer Verteidiger im Team, der nach Biel weitergezogen ist.
Dem gegenüber stehen Zuzüge wie jene von Nando Eggenberger (Lakers) oder der Talente Manix Landry und Tommaso De Luca, die aus dem kanadischen Junioren-Hockey in die Schweiz wechseln. Und natürlich die neuen Ausländer. Da ist einerseits der kanadische Zwei-Weg-Center Laurent Dauphin (28), 2013 Zweitrundendraft von Arizona, der sich in der NHL nie richtig durchsetzen konnte (94 Spiele/17 Punkte), aber in der AHL starke Statistiken aufweist (letzte Saison 16 Tore und 25 Assists für die Tucson Roadrunners). Und andererseits der Schwede Jakob Lilja (30), der seinen Vertrag bei Dynamo Moskau aufgelöst hat, um in die Schweiz zu wechseln. Er ist ein schneller Powerflügel mit viel Zug aufs Tor, der häufig den Abschluss sucht und in der Lage ist, mit kernigen Checks physische Duftmarken zu setzen.
Die Saisonprognose
In den letzten 17 Jahren hat der HC Ambrì-Piotta nur gerade zweimal den Sprung in die Playoffs geschafft – 2014 und 2019 – und es muss viel, wenn nicht gar alles zusammenpassen, damit sich das Team von Luca Cereda im Frühling 2024 unter den besten acht Teams des Landes befindet. Es braucht einen guten Saisonstart. Im Tor muss der Finne Janne Juvonen beständig auf höchstem Niveau spielen und mindestens eine Fangquote wie in der letzten Saison erreichen, als er auf 91,7 Prozent gehaltene Schüsse kam. In der Verteidigung dürfen Tim Heed (Schweden) und Jesse Virtanen (Finnland) nicht für längere Zeit verletzt ausfallen, da ist die Abhängigkeit von den beiden Imports schlicht zu gross. Und im Sturm bleibt abzuwarten, ob und wie die 24 Treffer von Filip Chlapik ersetzt werden können, ob die neuen Ausländer Dauphin und Lilja das halten, was man sich von ihnen verspricht. Entscheidend wird auch sein, dass Michael Spacek, 2022/23 mit 50 Punkten in 50 Spielen immerhin der siebtbeste Skorer in der National League, wieder auf Touren kommt und die Routiniers wie Dario Bürgler (35), Inti Pestoni (32) oder Dominic Zwerger (27) eifrig Punkte sammeln und weder an Verletzungen noch an Ladehemmung leiden. Es ist den Tessinern zuzutrauen, dass sie wie im letzten Jahr am Spengler Cup für Furore sorgen und von ihren leidenschaftlichen Fans zur Titelverteidigung getrieben werden. Aber die für solche Leistungen nötige Aufopferung über lange Zeit zu erbringen, ist eine andere Sache. Deshalb: Coach Luca Cereda und sein Team werden immer wieder Ausrufezeichen setzen und in der Gottardo Arena die melancholische Siegeshymne «La Montanara» ertönen lassen. Doch am Ende der Regular Season reicht es höchstens für Rang 10 und die Pre-Playoffs, zu mehr nicht. Denn Leidenschaft allein ist nicht gut genug für einen Platz in den Top 8.