Seit der HSV den Aufstieg perfekt gemacht hat, versuchen die Klub-Verantwortlichen ohne allzu üble Fehltritte auf einer äusserst dünnen Linie zu tänzeln.
Ein verschworener Haufen hatte es dann ja schliesslich doch geschafft. Sechs Jahre Grosswildjagd in der 2. Liga, an deren Saison-Enden der HSV jeweils auf der Zielgeraden erlegt worden war - von Heidenheim, Darmstadt, Bielefeld,
Greuther Fürth oder St. Pauli.
Im verflixten siebenten Jahr hatten sie im Volkspark endlich die Mischung gefunden, die das Comeback auf höchster nationaler Ebene ermöglichen würde. Parallel zur lang ersehnten Erfolgsstory wuchs bei Vorstands-Boss Stefan Kuntz, Sportdirektor Claus Costa und Cheftrainer Merlin Polzin allerdings die klare Erkenntnis: Für die Bundesliga wird das so nicht reichen!
Feine Linie zwischen Euphorie und Umbruch
Seit der HSV den Aufstieg perfekt gemacht hat, versuchen die Klub-Verantwortlichen ohne allzu üble Fehltritte auf einer äusserst dünnen Linie zu tänzeln: Um die Euphorie zu nutzen, brauchen Mannschaft und Fankurve Aufstiegshelden. Aber um nach quälend langer Oberhaus-Absenz eine Chance auf den Klassenerhalt zu haben, braucht der Kader mehr Qualität.
Den Kampf um Davie Selke haben Kuntz & Co. mutmasslich nicht mit allerletzter Konsequenz geführt - möglicherweise auch, weil mit Yussuf Poulsen bereits ein Ersatz-Kandidat auserkoren war, bei dem die Aussichten auf eine Verpflichtung günstig zu stehen schienen. Hat geklappt.
Poulsen ein Upgrade im Vergleich mit Selke?
Poulsen kam aus Leipzig - als Anführer, Torjäger und Topverdiener. Die Frage, die sich viele Fans seither stellen: Ist der Däne im Vergleich mit Selke denn tatsächlich ein entscheidendes Upgrade? Seine derzeitigen muskulären Probleme sollen den Routinier zumindest nicht allzu lang ausser Gefecht setzen.
Für Ex-Kapitän Sebastian Schonlau, Taktgeber Jonas Meffert, Torjäger Robert Glatzel, Keeper Daniel Heuer Fernandes und den mittlerweile dienstältesten HSV-Profi Bakery Jatta wird es deutlich schwieriger oder sogar kaum möglich, in der Bundesliga auf Spielzeit zu kommen.
Nur drei Aufstiegs-Helden als Startelf-Spieler?
Der überqualifizierte Ludovit Reis (FC Brügge) hat sich freiwillig für den nächsten Karriereschritt entschieden und von Ransford Königsdörffer wird nach dem gerissenen Medizin-Check in Nizza ein fussballerisches Bekenntnis zum HSV erwartet. Mit Miro Muheim, Daniel Elfadli und Jean-Luc Dompe gehen möglicherweise nur drei Aufstiegs-Helden als Startelf-Spieler in die Saison.
Daniel Peretz (Tor), Giorgi Gocholeishvili (rechte Schiene), Warmed Omari und Jordan Torunarigha (Dreier-Abwehrkette), Nicolai Remberg und Nicolas Capaldo (zentrales Mittelfeld), sowie Rayan Philippe und Poulsen (Angriff) werden dann belegen müssen, dass sie besser sind als Spieler, die weggeschickt oder kaltgestellt worden sind.
Testspiel-Niederlagen sorgen für Angespanntheit
Derzeit blicken nicht wenige Fans mit einer nennenswerten Dosis Skepsis auf die Kaderverschiebungen - nicht zuletzt weil alle Tests gegen gleichklassige Klubs verloren gingen. Und auch dem Boss schienen zuletzt ein paar Zweifel zu viel ins Gemüt gerast zu sein.
Ein emotionaler Ausbruch in den Stadion-Katakomben (überliefert von Bild und Morgenpost) nach der Niederlage bei RCD Mallorca lässt den Schluss zu, dass Stefan Kuntz ein paar Tage vor dem Pflichtspiel-Start in Pirmasens noch kein ausreichendes Grundvertrauen ins aktuelle System entwickelt hat.
In der ersten DFB-Pokalrunde beim pfälzischen Fünftligisten gibt es für den HSV (Samstag, ab 13:00 Uhr LIVE auf Sky) in atmosphärischer Hinsicht jedenfalls nichts zu gewinnen. Alles andere als ein ungefährdeter Erfolg könnte allerdings dazu führen, dass bei den Anhängern schon vor dem Liga-Start bei Borussia Mönchengladbach am 24. August ein Stück Vertrauen in die Strategie der Bosse verloren geht.