Ist die National League (zu) vorhersehbar geworden? Zwei Meinungen!
Mit einer Vollrunde startet die National League am Dienstag in die Saison. Mit klaren Favoriten und ebenso klaren Aussenseitern, weshalb der Liga zuweilen vorgeworfen wird, etwas langweilig zu sein. Aber stimmt das auch? Unsere Redaktoren Patrick Y. Fischer und Andy Maschek sind sich nicht einig.
Patrick Y. Fischer sagt: Ja
Kommenden Dienstag steht sie also wieder in den Startlöchern, die National League. Liga des Vize-Weltmeisters und des CHL-Champions, in der 14 Teams bis nächsten April um Titel und Tore, die Playoff-Qualifikation und allenfalls gar gegen den Abstieg kämpfen. So zumindest die Theorie.
Denn in Tat und Wahrheit sind die (Macht)Verhältnisse in der Liga ziemlich zementiert. Da gibt es die finanzstarken Grossen, die sportlich liefern (ZSC, Zug, Lausanne, Fribourg), eine Gruppe ambitionierter Traditionsvereine (Davos und Bern), die «Underachiever» in Lugano und Genf sowie ein grosse Gruppe an Teams, für die eine Qualifikation fürs Playoff seit gefühlt ewigen Zeiten das höchste der Gefühle darstellt (Ajoie, Ambrì, Biel, Kloten, Langnau, Rapperswil).
Ausnahmen? Natürlich, die gibt es (zum Glück). Auch ich habe nicht vergessen, dass die Meisterschaftsentscheidung 2022/23 in einer Finalserie zwischen dem Servette HC und dem EHC Biel ausgespielt wurde oder dass die SCRJ Lakers im selben Zeitraum die Regular Season zweimal in Folge in den Top 4 beendeten. Aber eben, solche Ausreisser bestätigen einfach die Regel. So wie das Schweizer Eishockey heute strukturiert und speziell auch im Bereich «Financial Fairplay» (nicht) reglementiert ist, gibt es für einen überraschenden Aussenseiter rein sportlich gesehen keine Chance, die Hierarchie an der Spitze längerfristig zu verändern.
Und das ist schade, denn es verhindert, dass das Schweizer Eishockey sein maximales Unterhaltungspotenzial ausschöpft. Wie toll wäre es doch am Dienstag in eine Meisterschaft zu starten, in der der Playoffplatz der ZSC Lions noch nicht fix gebucht und meisterliche Ambitionen in Ambrì, Langnau oder sogar in der Ajoie keine Illusion wären? Schliesslich lebt der Sport ja von seiner Unvorhersehbarkeit und den dadurch hervorgerufenen Emotionen. In der National League werden diese quasi in homöopathischen Dosen, punktuell und nur innerhalb von gewissen Zeitfenstern verabreicht. In Zürich oder Zug meist im März und April, andernorts bereits im Februar – aber leider fast nirgends während der ganzen Saison.
Andy Maschek sagt: Nein
Ja, in der National League sind die Titanen Jahr für Jahr die Favoriten auf den Meistertitel. Und ja, die ganz grossen Sensationen bleiben über eine Saison gesehen, bis zum Ende der Playoffs, im Normalfall aus. Aber deswegen mit Eingriffen von aussen zu versuchen, künstlich Spannung zu erzeugen, wäre der falsche Weg. Oder ist es nicht auch so, dass in der Bundesliga, der Premier League, der Serie A oder auch in unserer Super League Jahr immer dieselben Teams um den Titel kämpfen? Ihre Leistungen und auch die finanziellen Zuwendungen von Sponsoren und Mäzenen werden mit Spitzenplätzen belohnt – und das ist auch gut so.
Zudem findet die Eishockey-Meisterschaft auf einer rutschigen Unterlage statt, so dass vieles unberechenbar ist und bei weitem nicht alles vorausgesehen werden kann. Und im Endeffekt will der Grossteil der Fans gerade diese Duelle der Giganten sehen. Und hofft, dass es am Ende vielleicht doch einen von ihnen erwischt.
So oder so ist auch in der neuen Saison für Spannung gesorgt. Die ZSC Lions haben in den letzten zwei Jahren zwar alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Doch ein Selbstläufer wird der nächste Titel nicht werden. Erfolge sorgen fast zwangsläufig für eine gewisse Genügsamkeit, dies wohl auch in Zürich. Der EVZ weiss das selber am besten. 2021 und 2022 gewannen die Zentralschweizer den Titel, man dachte, dass da eine Dynastie entstehe – doch stattdessen endete seither die Saison in den Playoffs jeweils abrupt. Nun haben die Zuger aufgerüstet, gerade bei den Imports, und werden ganz vorne mitmischen.
Der SCB hat sich nach schwierigen Jahren positiv entwickelt und strebt im dritten Jahr unter Trainer Jussi Tapola die Rückkehr auf den Gipfel an. Rekordmeister Davos verfügt über eine schlagkräftige Truppe, hat Ausländer der Extraklasse und ist definitiv ein heisser Titelanwärter. Gottéron hat letzte Saison mit dem Triumph am Spengler Cup gezeigt, dass entgegen der Tradition Titelgewinne möglich sind und hat mit Roger Rönnberg einen Erfolgscoach par excellence sowie mit Andrea Glauser einen starken Nationalverteidiger verpflichtet. Lausanne ist nach zwei Finalniederlagen vielleicht so heiss wie noch nie, Servette schickt ein Starensemble ins Meisterrennen und auch Lugano dürfte mit dem schwedischen Trainer-Duo Tomas Mitell und Stefan Hedlund endlich wieder einen Schritt vorwärts machen.
Der Grossteil der Liga ist kompetitiv und kann den Sprung in die Playoffs schaffen. Wenn man nun noch mehr Spannung kreieren will, gibt es meiner Meinung nach nur einen Weg: Die National League verkleinern und zuerst auf zwölf und dann auf acht Teams reduzieren. Was aber aktuell aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist. Und Hand aufs Herz, wir würden potenziell gefährdete Klubs wie Ambrì, Kloten, die Lakers oder die Tigers doch auch vermissen!