Kann RB Leipzig den Bayern den Titel entreissen? Zwei Meinungen!
Fünf Spiele, zwölf Punkte, zuletzt vier Siege in Folge: RB Leipzig ist erfolgreich in die neue Saison gestartet. Sind die Bullen gar bereit, den Bayern in diesem Jahr den Titel zu entreissen? Die Sky-Redaktoren Patrick Y. Fischer und Andy Maschek sind sich uneinig.
Patrick Y. Fischer sagt: Nein
Gewiss: Der Start in die Spielzeit 2023/24 ist RB Leipzig geglückt. Als Belohnung winkt im Heimspiel am gegen Bayern München die Chance, den Rekordmeister überholen und möglicherweise sogar die Tabellenführung übernehmen zu können. Wann hat es das zuletzt gegeben? Ein Blick in die Statistikbücher verrät: schon überraschend oft. Die Leipziger Stotterstarts der letzten beiden Jahre täuschen ein wenig darüber hinweg, dass RB in den vergangenen fünf Spielzeiten viermal die Gelegenheit hatte, mit einem Sieg im Direktduell an den Münchnern vorbeizuziehen oder sie gar zu distanzieren. Das Resultat: Geglückt ist es den «Bullen» noch nie. Besonders nachhallen dürfte dabei die Enttäuschung über den 4. Spieltag in der Saison 2019/20, als Leipzig es verpasste, den Bayern um fünf Längen davon zu ziehen oder – um ein fünftes Beispiel zu nennen, bei dem ebenfalls ein Titel auf dem Spiel stand – das DFB-Pokalfinale 2019, das mit 0:3 verloren ging.
Warum sollte die bayerische Überlegenheit also ausgerechnet in dieser Spielzeit enden? Klar, RB Leipzig hat es zuletzt zweimal geschafft, die Bayern zu bezwingen, aber das waren Spiele unter anderen Voraussetzungen, selbst dann, wenn man die sportliche Relevanz des Supercups nicht in Frage stellt. Apropos: Dani Olmo, mit einem Hattrick die grosse Figur an jenem Augustabend in der Münchner Allianz Arena, wird den Leipzigern am Samstag ebenso verletzt fehlen wie Abwehrpatron Willi Orban. Keine guten Voraussetzungen vor dem Duell mit den Bayern, die dank den beiden Überfliegern Harry Kane und Leroy Sané trotz diverser Nebengeräusche gut gestartet sind. Kommt hinzu, dass ich es der jungen Leipziger Mannschaft noch nicht zutraue, über 34 Spieltage mit Bayern München mitzuhalten. Die vielversprechenden Talente wie Xavi Simons (20) oder Loïs Openda (23) mögen auch am Samstag für das eine oder andere Highlight besorgt sein – am Ende der 90 Minuten oder spätestens nach 34 Runden wird es wieder einmal heissen: Die Bayern sind für RB (noch) eine Schuhnummer zu gross.
Andy Maschek sagt: Ja
Der FC Bayern München ist im deutschen Fussball das Mass aller Dinge. Dies nicht nur als Rekord-, sondern auch als Serienmeister; zuletzt eroberten sie elfmal in Folge die Meisterschale. Selbst wenn die Münchner wie in der letzten Saison schwächelten, konnte die Konkurrenz nicht profitieren, scheiterte wie Dortmund an den eigenen Nerven und am eigenen Unvermögen.
Auf der Borussia lastete im vergangenen Mai ein immenser Druck. Der Sieg im letzten Meisterschaftsspiel daheim gegen Mainz schien nur eine Formsache zu sein. Die Fans starteten ihre Titelparty lange vor Spielbeginn, eine ganze Region war im Fussball- und Meisterfieber. Alle waren der Meinung: Da kann ja nichts schiefgehen, der letzte Schritt ist nur noch eine Formsache! Doch der Traum platzte jäh, das 2:2 war zu wenig, am Ende standen einmal mehr die Bayern ganz oben. Die Dortmunder Spieler enttäuschten und scheiterten an ihren Nerven, sie konnten offensichtlich nicht mit der Erwartungshaltung umgehen.
Diese Gefahr besteht bei RB Leipzig nicht. Der Klub verfügt nicht über die Tradition und die Fanbasis wie Borussia Dortmund. Der Gewinn des Meistertitels wäre schön, aber er hat nicht denselben Stellenwert, wie es bei der Borussia der Fall ist. Das heisst, dass die Bullen in entscheidenden Spielen und in der entscheidenden Phase befreiter aufspielen können. Hinzu kommt, dass RB Leipzig über ein talentiertes, schlagkräftiges Team verfügt und die neuen Spieler wie Benjamin Sesko (von RB Salzburg), Loïs Openda (von Lens) und Xavi Simons (von Paris Saint-Germain) voll eingeschlagen haben. So verfügt Leipzig eigentlich über alles, um den Bayern gefährlich zu werden – nicht nur im Spitzenspiel am Samstagabend, sondern auch in der Endabrechnung nach 34 Spielen.
Dies liegt auch an den Bayern. Natürlich, Harry Kane und Leroy Sané sind aktuell monsterhaft drauf und können jeden Gegner wegballern. Aber es gibt auch Unruhefaktoren: die Unzufriedenheit von Matthijs de Ligt, der bislang nur selten zum Einsatz kam, der grosse Konkurrenzkampf generell, der einige Stars öfter mal zum Zuschauen verdammt, die Diskussionen um die Rolle von Joshua Kimmich, die Unsicherheiten um die Gesundheit von Goalie Manuel Neuer und natürlich die Tatsache, dass Coach Thomas Tuchel nicht überall beliebt ist und teilweise aneckt. Dies alles sorgt für die Gefahr, dass der FC Bayern München auch in dieser Saison irgendwann wieder zum FC Hollywood wird – und dann steht Leipzig bereit.