Karriere-Knick anstatt Highlight? Für Pia Sundhage und die Schweiz wird die Zeit knapp
Kein Frage: Pia Sundhage ist im Weltfussball ein grosser Name. Zwei Olympiasiege, ein Vize-Weltmeistertitel sowie Olympiasilber zieren u.a. ihr Palmarès. Doch ist die FIFA-Welttrainerin 2012 auch gross genug, um mit der Schweiz eine erfolgreiche Heim-EM zu bestreiten? Knapp drei Wochen vor dem Turnierstart sind Zweifel angebracht.
Rückwärts anstatt vorwärts
Ein Team von Siegerinnen wolle sie zusammenstellen, wiederholte Nationaltrainerin Pia Sundhage jüngst im Vorfeld der Nations-League-Partien gegen Frankreich und Norwegen. Mit einem Blick auf die Ergebnisse der letzten Wochen und Monate lässt sich konstatieren: Sie hat dieses Team bislang noch nicht gefunden. Zwar gibt die erfahrene Schwedin in der Frauen-Nati mittlerweile seit Januar 2024 die Richtung vor, eine nachhaltig positive Entwicklung hat bislang aber noch nicht eingesetzt. Im Gegenteil. Erst zwei Siege stehen nach zwölf Partien unter Sundhages Leadership auf dem Konto der Schweizerinnen, die aktuell seit acht Partien (sechs Niederlagen) auf einen dritten Vollerfolg warten. Und nicht nur die Kanterniederlagen gegen Deutschland (0:6 ohne einen einzigen Torschuss) oder Frankreich (0:4 nach drei Gegentoren in den ersten 20 Minuten) lassen dabei den Schluss zu, dass Sundhages Ideen im Schweizer Team noch nicht wirklich angekommen sind.
System und Kommunikation? Ungewohnt
Im Mittelpunkt der aufkommenden Kritik steht dabei das von der 65-Jährigen implementierte 3-5-2-Spielsystem, dass gegen stärkere Teams auch in ein defensiveres 5-3-2 umgewandelt werden kann. Immer vorausgesetzt, die Spielerinnen haben ihre Aufgaben verinnerlicht und sind dazu in der Lage, sich situativ Spielverlauf und Gegnerinnen anzupassen. Wenig hilfreich ist in solchen Situationen, wenn bewährte (Offensiv) Kräfte wie Ana-Maria Crnogorcevic und Alisha Lehman plötzlich auf für sie ungewohnten Positionen zum Einsatz kommen oder wie im Fall von Talent Iman Beney aufgrund der taktischen Ausrichtung eines Teils ihrer Stärken beraubt werden. Hinzu kommt ein Mangel an klarer und einheitlicher Kommunikation, z.B. was den Kampf um die Nr. 1 im Tor anbelangt, wo sich Torhüter-Trainerin Nadine Angerer jüngst anders als ihre Chefin positionierte. Und auch die öffentlichen Diskussionen um den (mangelnden?) Fitnesszustand von Ramona Bachmann, zu dem sich plötzlich auch der Vater der Spielerin öffentlich äussert, werfen kein gutes Licht auf die internen Vorgänge im Nationalteam. Dabei wär ein geschlossener Auftritt auf sämtlichen Ebenen wünschenswert.
Das absolute Vertrauen fehlt
Die fehlende Stabilität auf und abseits des Rasens deutet aber in erster Linie auf ein grundlegendes Problem hin: Die absolute Überzeugung, das absolute Vertrauen - sei es ins Spielsystem oder auch in der Beziehung zwischen Trainerin und Spielerinnen – fehlen. Stattdessen herrscht Verunsicherung, und das drei Wochen vor dem EM-Startspiel gegen Norwegen. Pia Sundhage ist nun gefordert, dem Team in der verbleibenden Zeit ein Gerüst zu verpassen, dass die Mannschaft durch eine durchaus machbare EM-Vorrundengruppe (Norwegen, Finnland, Island) trägt – sowohl im spieltaktischen, als auch im zwischenmenschlichen Bereich. Schlussendlich hat auch die dekorierteste Trainerin nur dann ein Chance, wenn es ihr gelingt, ihr Team auf sämtlichen Ebenen zu 100% hinter sich bringen. Dass Pia Sundhage das kann, hat sie in der Vergangenheit schon bewiesen. Ob es ihr auf den letzten Drücker auch in der Schweiz gelingt, werden die kommenden Wochen weisen.