skysport.ch
Sky Sport

Live-Sport ansehen auf

Sky Sport
Analysen Wintersport

Mutprobe Kamelbuckel

Andy

Die Hoffnung ist gross, dass am Donnerstag in Val Gardena die erste Männerabfahrt in diesem Winter durchgeführt werden kann. In den Dolomiten wartet mit den Kamelbuckeln eine traditionelle Herausforderung auf Marco Odermatt & Co.

Gröden_Odi
Perfekter Flug: Marco Odermatt im ersten und einzigen Training auf der Saslong. © IMAGO / GEPA pictures

Schneefälle in der Nacht auf heute sorgten dafür, dass das zweite Training auf der Saslong abgesagt werden musste. Doch die Wetterprognosen für die nächsten Tage sind vielversprechend, sodass nach den abgesagten Rennen in Zermatt und Beaver Creek endlich auch die Speed-Cracks zu ihren ersten Wettkämpfen kommen sollten. Der Abfahrts-Saisonauftakt erfolgt in Val Gardena auf einem absoluten Klassiker im Weltcupzirkus, der wegen der berühmt-berüchtigten Kamelbuckel schon viele Schlagzeilen produzierte. Und auch in diesem Jahr Diskussionsstoff bot. Nach dem ersten und einzigen Training sagte Niels Hintermann gegenüber dem Blick, dass die Sprünge «sehr weit für ein Training» gehen. Der Fribourger Alexis Monney wählte noch markigere Worte: «Es ist schon weit und vor allem hoch, finde ich. So macht es auch keinen Spass. Die Kamelbuckel sind ein Problem, weil man hier dagegen zu kurz springt. Das kann dann auch gefährlich sein.» Und Justin Murisier erklärte: «Man landet im Flachen. Für die Knochen ist das brutal.» 

Pionier Uli Spiess

Die Kamelbuckel – sie sind das Herzstück dieser Abfahrt, auf der Bernhard Russi am 5. Februar 1970 WM-Gold gewann. 13 Jahre später war es der Österreicher Uli Spiess, der ein fettes Ausrufezeichen setzte. Er drückte den ersten der drei Kamelbuckel, hob beim zweiten wie aus einem Katapult geschleudert ab, übersprang so den dritten Buckel und gewann damit gegenüber der Konkurrenz wertvolle Zeit. Bis zu 80 Meter weit und sechs Meter hoch würden die Fahrer springen, heisst es auf der Website des Veranstalters. Es sind vielleicht eher grosszügig gewählte Zahlen, Tatsache ist aber, dass an dieser Schlüsselstelle schon viele Rennfahrer scheiterten und ins Spital transportiert werden mussten.

Grödn_Heli
In Val Gardena mussten in der Vergangenheit leider zahlreiche Fahrer mit dem Helikopter ins Spital geflogen werden.

Eines der Opfer war Peter Müller im Jahr 1989. «Es hat nass geschneit und mein Servicemann wollte, dass ich im zweiten Trainingslauf einen neuen Ski ausprobiere. Dummerweise war dieser Ski nicht wirklich schnell, ich bin mit zu wenig Tempo auf die Kamelbuckel zugekommen. Weil ich ungefähr eineinhalb Meter zu kurz gesprungen bin, habe ich mit dem linken Knie aufgeschlagen – es war komplett zertrümmert!», erklärte der Zürcher später. In jenem Jahr waren die Kamelbuckel besonders gefährlich, denn neben den Schweizern Müller und Philipp Schuler zogen sich auch die Italiener Michael Mair, Giorgio Piantanida und Werner Perathoner sowie der Österreicher Gerhard Pfaffenbichler bei der legendären Schlüsselstelle einen Kreuzbandriss zu. Als Reaktion darauf wählte der Luxemburger Marc Girardelli einen Weg, der nicht über die Buckel, sondern an den Hügeln vorbei führte und despektierlich als «Hosenscheisser-Linie» bezeichnet wurde. 

Zurbriggen: Crash und Sieg

Anpassungen entschärften die Kamelbuckel seither zwar, doch eine Mutprobe ist es nach wie vor. Und nach wie vor sorgen sie immer wieder für schwere Stürze. So beispielsweise 2007, als der Walliser Silvan Zurbriggen abflog, sich so schwere Verletzungen im linken Knie zuzog, dass ihm die Ärzte prophezeiten, dass er nie mehr ein Weltcuprennen bestreiten könne. Zurbriggen gab jedoch ein Jahr später sein Comeback – und feierte 2010 ausgerechnet in Val Gardena den einzigen Weltcup-Abfahrtssieg in seiner Karriere.

2015 wurde der Österreicher Matthias Mayer von einer Welle nach den Kamelbuckeln übel abgeworfen. Er stürzte so schwer, dass er Brüche an zwei Brustwirbeln erlitt. Mayer blieb nur deshalb vor noch schlimmeren Verletzungen verschont, weil er als einer der ersten Athleten den damals neuen Airbag trug. Und am 15. Dezember 2018 erlitt der Schweizer Marc Gisin bei einem schweren Sturz bei den Kamelbuckeln ein Schädel-Hirn-Trauma, Becken- und Rippenbrüche sowie eine lebensgefährliche Lungenquetschung erlitten. Er fiel ins Koma, musste künstlich beatmet werden und erst nach einer sehr kritischen Nacht konnten die Ärzte Entwarnung geben und mitteilen, dass der Bruder von Dominique und Michelle Gisin über den Berg sei und keine bleibenden Schäden davontragen werde. Gisin versuchte danach zwar, in den Abfahrtsweltcup zurückzukehren, beendete aber Ende November 2020 seine Karriere.

Die legendäre Saslong wird den Zuschauern auch in den nächsten Tagen wieder Spektakel bieten – aber hoffentlich keine schwere Stürze. Gespannt sein darf man auf die Leistungen der Schweizer, die in Val Gardena in den letzten Jahren in der Abfahrt nie richtig auf Touren kamen. Silvan Zurbriggens Sieg im Jahr 2010 ist bis heute der letzte geblieben, seither kamen noch vier Podest-Klassierungen dazu: dritte Plätze durch Beat Feuz 2018 und 2020 und Niels Hintermann 2021 sowie Rang 2 im vergangenen Jahr durch Marco Odermatt. Sieger damals war übrigens wie bei den dritten Plätzen von Beat Feuz der Norweger Aleksander Aamodt Kilde, der nun im einzigen Training hinter dem überraschenden Amerikaner Jared Goldberg Zweiter wurde und 0,52 Sekunden schneller war als Weltmeister Marco Odermatt, der nach wie vor auf der Jagd nach seinem ersten Abfahrtssieg im Weltcup ist.

Bewerte den Artikel
4 Bewertungen
Ihre Stimme wird gezählt.

News-Feed

Lesen Sie auch

Mehr anzeigen

Live-Sport ansehen auf

Sky Sport
Copyright Sky Schweiz SA © 2001-2025. Erstellt von EWM.swiss