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Oczipka: "Dachte, dass Tedesco uns den Kopf abreissen würde"

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Nach 15 Jahren im Profi-Geschäft hat Bastian Oczipka seine aktive Laufbahn im Sommer beendet. Im exklusiven Sky Interview lässt der ehemalige Bundesliga-Kicker seine Karriere Revue passieren, gibt Insides in die Kabinenansprache des "Jahrhundert-Derbys" und erklärt, weshalb es ihn nie ins Ausland gezogen hat. Ausserdem verrät er seine härtesten Gegenspieler sowie seine "Lieblingstrainer".

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Ex-Bundesliga-Profi Bastian Oczipka gibt im exklusiven Sky Interview Einblicke über die Kabinenansprache von Domenico Tedesco beim Jahrhundert-Derby. © DPA pa

Nach 15 Jahren im Profi-Geschäft hat Bastian Oczipka seine aktive Laufbahn im Sommer beendet. Im exklusiven Sky Interview lässt der ehemalige Bundesliga-Kicker seine Karriere Revue passieren, gibt Insides in die Kabinenansprache des "Jahrhundert-Derbys" und erklärt, weshalb es ihn nie ins Ausland gezogen hat. Ausserdem verrät er seine härtesten Gegenspieler sowie seine "Lieblingstrainer".

Sky Sport: Herr Oczipka, nach 15 Jahren haben Sie in diesem Sommer Ihre Karriere beendet. Wie lebt es sich abseits des Profifussball-Trubels?

Oczipka: Es ist ehrlich gesagt ganz angenehm, weil man aus dem täglichen Druck raus ist. Ich bin ein bisschen freier. Was aktuell extrem anders ist: Ich habe freie Wochenenden und muss nicht zum Spiel fahren. Letzten Samstag war ich das erste Mal, seit mein Sohn Fussball spielt, bei einem seiner Spiele dabei. Paul ist seit über einem Jahr im Liga-Betrieb. Aber bisher konnte ich ihm nie zuschauen. Es war so schön, einfach mal Papa zu sein, und beim Lohausener SV bei einem G-Jugend-Spiel zuzuschauen. Weil die Kinder nach den Spielen noch total viel Energie hatten, ging es anschliessend bei uns im Garten auf kleine Tore weiter. Ein paar Väter, ein paar Jungs, wildes Gekicke, zwischendurch Pizzen - einfach herrlich normal. Nur ein paar Blumen mussten dran glauben.

Sky Sport: Wie sehen Ihre Pläne nach der aktiven Fussballer-Karriere aus?

Oczipka: Ich bin unter der Woche bei der U14 von Bayer Leverkusen als Co-Trainer im Training dabei. Da bin ich schon im Juli dazugestossen, weil mich das interessiert und ich einmal reinschnuppern wollte. In der Hinsicht bin ich Leverkusen auch dankbar. Anfang nächsten Jahres möchte ich den Trainerschein beginnen und im Juni an der Uni St. Gallen an einem Lehrgang für Sportmanagement teilnehmen. Zusätzlich bin ich jetzt seit zwei Wochen im Scouting der Lizenz und bekomme dort Einblicke, aber auch Aufgabenstellungen, damit ich da aktiv mitmachen kann. Das sind die Bereiche, die mich interessieren.

Sky Sport: Sie bleiben dem Fussball also weiter erhalten?

Oczipka: Auf jeden Fall, weil es meine Leidenschaft ist. Ich bin gar nicht böse darum, nicht mehr aktiv auf dem Platz zu stehen. Das Einzige, was man ein bisschen vermisst, ist das Kabinenleben, das tägliche Miteinander mit 25 Jungs. Das ist schon immer cool gewesen.

Sky Sport: Was macht denn so eine Kabine so besonders?

Oczipka: Eine Fussballkabine ist ein extrem Energie-geladener Raum. Fünfundzwanzig Männer, zwischen 17 und 35 Jahren, alle in unterschiedlichen Lebensphasen, aber geeint in ihrer unbändigen Lust, hart zu arbeiten, leidenschaftlich zu kämpfen und allesamt gierig darauf, zu gewinnen. Das ist ansteckend. So eine Kabinen-Gemeinschaft hält auch jung. Man verbringt so viel Zeit miteinander, hockt viel enger aufeinander als in einer grossen Firma, wo jeder sein eigenes Büro hat. In einer Kabine können sich Dinge multiplizieren, zu etwas grossem verschmelzen.

Sky Sport: Ausser ein Trainer verliert die Kabine ...

Oczipka: Das meint, dass ein Trainer an Vertrauen von Seiten der Mannschaft einbüsst. Dass die Überzeugung in seine Ideen schwindet. Das ist etwas, das unterbewusst passiert. Eigentlich wollen ja alle, die in einer Kabine sind, erfolgreich sein. Alle sind mit diesem Ziel angetreten. Aber es kann passieren, dass die Vorstellung des Trainers und der Mannschaft nicht übereinstimmen. Oder nicht mehr. Ich habe das bei Bielefeld und auf Schalke auch schon miterlebt. Erfolg hängt von zwei Dingen massgeblich ab: Selbstvertrauen und Überzeugung. Wenn eines davon abhandenkommt, wird es schwierig.

Sky Sport: Auf Schalke, ein Ex-Klub von Ihnen, hat Thomas Reis die Kabine verloren. Die Mannschaft steht auf Platz 16. Wie würden Sie den Saisonstart der Königsblauen mit drei Worten zusammenfassen?

Oczipka (überlegt): Unter den Erwartungen. Aber drei Worte reichen nicht. Die Situation so knapp zu beschreiben, wird weder dem Verein noch Thomas Reis gerecht. Dazu bedarf es mehr.

Sky Sport: Bitte.

Oczipka: Schalke war im Angriffs-Pressing in der vergangenen Saison richtig ekelhaft. Es war wirklich eine Qual für Gegner, gegen diese Mannschaft anzutreten. Das war anstrengend, tat weh, hat einen zermürbt. Aber dieser Stil funktioniert nur, wenn alle wirklich mitmachen. Wenn da nur ein paar Prozent fehlen, ein klein bisschen Überzeugung abhandenkommt, ein, zwei Spieler unaufmerksam sind und ihrer Aufgabe nicht nachkommen, hat das schon gravierende Auswirkungen. Das hat man zum Beispiel gegen Magdeburg gesehen, als zwischen den einzelnen Reihen grossen Lücken klafften.

Sky Sport: Ist es nicht das, was Timo Baumgartl angesprochen hat? Er wurde aber für sein Interview vom Verein bestraft.

Oczipka: Auch das ist ein höchst komplexes Thema, das extrem vielschichtig ist. Ich kenne Baumi persönlich, habe mit ihm bei Union zusammengespielt. Ich kann nur sagen, dass er ein absolut feiner Charakter ist. Er ist ehrgeizig und hat auch keinen Bock, zu verlieren - das ist ganz klar. Er ist niemand, der da irgendwie bewusst gegen den Trainer arbeitet. Das schlimme ist doch: öffentlich werden Spieler gefordert, die meinungsstark und authentisch sind. Es wird nach mehr Typen verlangt. Nach echten Emotionen. Und wenn dann so ein Interview passiert, bei dem ja niemand persönlich kritisiert worden ist, sondern lediglich inhaltlich etwas hinterfragt wurde, dann wird der Spieler vom Verein bestraft. Oder, das passiert auch nicht selten, Aussagen werden medial extrem zugespitzt und aufgeblasen. Ehrlichkeit wird zu oft nicht belohnt. Und dann werden Spieler immer vorsichtiger und Interviews belangloser.

Sky Sport: Blicken wir einmal auf Ihre aktive Karriere zurück. Welcher Moment bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

Oczipka: Als wir mit Schalke in Dortmund gespielt haben. Wir lagen zur Halbzeit 0:4 zurück, sind eigentlich gar nicht schlecht aufgetreten. Aber bei Dortmund war jeder Angriff ein Treffer. Zur Halbzeit waren wir am Boden zerstört, weil das Derby natürlich eine ganz hohe Bedeutung hat. Ich weiss noch, wie ich in die Kabine gegangen bin. Ich dachte, dass Domenico Tedesco uns jetzt nacheinander jedem einzelnen den Kopf abreissen würde. Aber statt zu schreien, ging er in die Hocke, so dass er auf Augenhöhe mit uns war. Er redete ganz leise, ganz ruhig und besonnen. Keine Ahnung wie er es geschafft hat, seinen Ärger so runterzuschlucken.

Er hat eine Schallplatte aufgelegt, mit der ich nie gerechnet hätte. Und so hat er uns einfühlsam wieder aufgebaut und letztlich gesagt: 'Lasst uns die zweite Halbzeit gewinnen.' Und dann haben wir uns irgendwie in einen Rausch gespielt. Am Ende geht es 4:4 aus und ich glaube, wir hätten noch 5:4 gewonnen, wäre die Partie noch zwei Minuten länger gegangen.

Sky Sport: Wann ist ein Trainer eigentlich ein guter Redner?

Oczipka: Gute Frage. Wenn er immer wieder überraschen kann. Ein Trainer redet ja ständig mit der Mannschaft. Jeden Tag. Vor, während und nach dem Training. Im Mannschaftshotel, mal im Bus, mal einzeln, meist in der Gruppe. Der Trainer spricht ja bestimmt 15-mal pro Woche zur Mannschaft. Da muss er rhetorisch brillant sein. Ich mochte es immer, wenn Trainer freigesprochen haben. Also ohne abzulesen, ohne PowerPoint-Präsentation. Wenn sie überraschend waren, mit ihrer Stimme spielen konnten. Wenn sie ihre Stimme als Werkzeug benutzt haben, es mal laut, mal leise eingesetzt haben, auch ihre Sprech-Geschwindigkeit variieren konnten.

Sky Sport: Leverkusen, Hansa Rostock, St. Pauli, Eintracht Frankfurt, Schalke 04, Union, Arminia Bielefeld - eine Auslandsstation war in Ihrer Profi-Karriere allerdings nie dabei. Warum eigentlich?

Oczipka: Gute Frage. Es gab zwischendurch die Situation, dass das Ausland in Frage käme, Stoke City war interessiert, Sunderland, aber für mich persönlich hat es sich am Ende nie richtig ergeben. Ich war immer in den Momenten meiner Karriere in Deutschland sehr zufrieden. Gerade die Jahre in Frankfurt liefen für mich persönlich und den Verein insgesamt sehr, sehr gut und da habe ich mich dann eher für den Wechsel nach Schalke entschieden, die international eine Riesenrolle gespielt haben und auch immer in der Bundesliga oben dabei waren.

Sky Sport: Eine Schnellfragerunde. Wenn Sie einen Teamkollegen picken müssten: Welcher war Ihr stärkster?

Oczipka (überlegt): Renato Augusto damals in Leverkusen. Ein fantastischer Fussballer, der auch noch relativ jung war. Er hatte unglaubliche Fähigkeiten am Ball, Dribbling, Übersicht - was er teilweise im Training veranstaltet hat, war ganz besonders.

Sky Sport: Bester Trainer?

Oczipka: Das ist unfair (lacht). Vielleicht könnte man das auf mehrere Schultern verteilen: Dann würde ich auf jeden Fall Urs Fischer, Tedesco und Niko Kovac nehmen.

Sky Sport: Wer war Ihr unangenehmster Gegenspieler?

Oczipka: Zum einen war es damals Jefferson Farfan. Da habe ich mit St. Pauli auf Schalke gespielt und er hatte eine unfassbare Dynamik, ich kam kaum hinterher. Dazu war Farfan robust und körperlich gut - der war schon unglaublich. Als ich dann bei Schalke war, haben wir in der Champions League gegen Manchester City gespielt. Die Gegenspieler auf der Seite waren Raheem Sterling und Kyle Walker. Das war schon ein bisschen unfair. Was die beiden an Körperlichkeit und Speed haben, ist unfassbar.

Sky Sport: Nun ist Ihre Karriere nach 15 Jahren zu Ende gegangen. Mit welchen drei Wörtern würde Sie Ihre Laufbahn zusammenfassen?

Oczipka (überlegt): Das ist fies (lacht). Ich würde auf jeden Fall sagen: Erfolgreich. Dazu hat es einen Riesenspass gemacht. Gerade in den Vereinen, in denen ich spielen durfte. Und turbulent würde vielleicht noch ganz gut passen.

Sky Sport: An welche Zeit denken Sie bei Letzterem konkret?

Oczipka: Mit Schalke sind wir anfangs Vizemeister geworden, haben auch noch international gespielt, sind am Ende abgestiegen. Dann haben wir mit Union Berlin die Euro-League-Qualifikation erreicht. Im Folgejahr ist Arminia Bielefeld wiederum sehr, sehr negativ abgelaufen. Es gab auf jeden Fall viele Ups-and-Downs.

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