Plötzlich Spitzenkampf: Der FC Sion und die Chance, sich oben festzubeissen
Im Lötschberg-Derby zwischen Sion und dem FC Thun treffen am Samstag die beiden bestklassierten Kontrahenten des Wochenendes aufeinander. Ein echtes Spitzenspiel (Erster vs. Vierter), dass den Wallisern als Sprungbrett dienen kann, um sich im Laufe der nächsten sieben Tage in den Top 4 der Tabelle festzubeissen.
Geduld lohnt sich eben doch
Wer hätte das gedacht: Sion-Präsident Christian Constantin (68) wird mit zunehmendem Alter doch noch weiser und milder. Oder aber, er hat sich Udo Jürgens Rat zu Herzen genommen, und mit 66 Jahren entschieden, sein Leben – sprich seine Präsidentenrolle – neu zu definieren. Wie dem auch sei, der Mann, der seit dem Jahr 2000 insgesamt 43 Trainer (rund ein Dutzend davon mehrfach) verschlissen entlassen hat, erfährt gerade, dass sich Kontinuität im Fussball eben doch auszahlen kann. Denn im Moment des jüngsten sportlichen Tiefpunktes (Abstieg im Juni 2023), erinnerte sich Constantin an jenen Mann, mit dem er bereits in der Vergangenheit überdurchschnittlich oft und gerne zusammen gearbeitet hatte: Didier Tholot, heute 61-jähriger Franzose, kehrte im Juli 2023 zum vierten Mal ins Tourbillon zurück ist nach 28 Monaten und 93 Spielen immer noch da. Dank dem sofortigen Wiederaufstieg 2024 und trotz zweier Krisen (neun sieglose Spiele im Herbst 2024; acht Spiele mit vier Punkten Anfangs dieses Jahres) in den letzten zwölf Monaten, die den ehemaligen Stürmer in der Vergangenheit mit Sicherheit seinen Job gekostet hätten. Doch der ewige Präsident (mit Unterbruch seit 1992) liess für einmal Gnade vor Recht walten und erntet gerade die Früchte seines neuen Vertrauens. Auch dank Tholot, der seinem Team eine in den vergangenen Jahren nur selten dagewesene Stabilität und Solidarität eingetrichtert hat.
Mehr Mentalität – und Qualität
Das zeigt sich in dieser Spielzeit u.a. in der Art und Weise, wie die Walliser speziell in fremden Gefilden auftreten. In Momenten, in denen sie sich früher den Schneid abkaufen liessen und umknickten, halten sie nun energisch dagegen und lassen sich auch durch Rückschläge nicht aus dem Tritt bringen. So zum Beispiel zum Saisonauftakt beim FCZ, als der FC Sion ein 0:2 in der Schlussphase noch in ein 3:2 umwandeln konnte. Vor zweieinhalb Wochen in Luzern sicherten sich Tholots Männer nach einem 1:3 und in Unterzahl noch einen Punkt und auch vor Wochenfrist bei GC packte der FCS die Chance beim Schopf, um sich bei einem physisch sehr präsenten, aber dezimierten Gegner unter die Top 4 zu spielen. Gewiss, ein wenig Glück war bei den genannten Beispielen in Sachen Spielverlauf und Effizienz (die Walliser stehen gemäss “expected goals“-Werten in der Realität zu gut da) mit dabei und dennoch zeigt sich, dass im bisherigen Verlauf der Saison ein anderer FC Sion auf dem Platz steht, als in den vergangenen Jahren. Kommt hinzu: Die Sittener haben sich mit Blick auf die aktuelle Spielzeit im Sommer geschickt verstärkt, sind offensiv dank den Neuzugängen Rrudhani (von YB), Nivokazi (von Bellinzona), Lukembila (von Winterthur) und Boteli (aus dem Gladbacher Nachwuchs) variabler und physischer geworden und haben in der Defensive durch die Übernahme des formstarken Kreshnik Hajrizi (von Widzew Lodz) sowie in der Person von ex-YB-Keeper Anthony Racioppi an Stabilität gewonnen. Nicht umsonst, steht Sion in der SL-Defensivtabelle aktuell mit zehn Gegentoren auf Rang 1 (gemeinsam mit Basel und St. Gallen).
Woche der (frühen) Wahrheit
Den jüngsten Auswärtssieg bei GC in Ehren – wie stark die Sittener derzeit wirklich sind, können sie in der kommenden Woche beweisen. Innerhalb von sieben Tagen winkt den Walliser dabei sogar der mögliche Sprung von Rang 4 auf Rang 1, wenn sie sich in den drei Direktduellen gegen Leader Thun (am Sa.), den FC St. Gallen (am kommenden Di.) sowie beim „Rückspiel“ im Berner Oberland (nächsten Sa.) gegen zwei der drei aktuell noch vor ihnen platzierten Gegner behaupten können. Eine schwierige Aufgabe, gewiss, aber auch eine, die der aktuellen Walliser Ausgabe im Gegensatz zur jüngeren Vergangenheit zuzutrauen ist. Denn neben individueller Qualität verfügen die Sittener in diesem Jahr über deutlich mehr Resilienz und Selbstvertrauen, zwei Dinge, die nicht zuletzt auf die Arbeit von Trainer Tholot und das geduldigere Wirken des höchsten Mannes im Klub zurückzuführen sind.