SCB: Weg von der Lethargie – zurück zum Erfolg
Die letzten vier Saisons hatte der einst so erfolgsverwöhnte SC Bern einen ebenso ungewohnten wie unerwünschten Begleiter: den Misserfolg. Doch nun scheint es sehr gut möglich, dass der Turnaround gelingt.
Die letzten Jahre waren für den SC Bern schon sehr speziell. 2019 feierten die Berner den dritten Meistertitel innert vier Jahren und waren mit ihrem finnischen Trainer Kari Jalonen das Mass aller Dinge. Kaum jemand dachte ernsthaft daran, dass der grosse SCB schnell in eine Krise stürzen würde – doch genau das war der Fall. Nach dem Titel 2019 ging es mit den Mutzen rasant bergab. In der Regular Season gab es seither die Ränge 9, 9, 11 und 8, zweimal reichte es in die Playoffs, aber nicht mehr zu einer gewonnenen Viertelfinalserie. In den Jahren der Erfolge wurde zu wenig an die Zukunft gedacht, die Mannschaft zu wenig erneuert.
Jahre mit Irrungen und Wirrungen
Meistertrainer Kari Jalonen wurde schliesslich im Januar 2020 gefeuert, doch besser wurde es nicht. Seither wurden insgesamt fünf Headcoaches eingesetzt, von den Interimslösungen Mario Kogler und Hans Kossmann über das grosse Missverständnis Don Nachbaur bis zu Johan Lundskog und Toni Söderholm, die den gigantischen Dampfer SCB aber auch nicht zurück auf den Erfolgskurs bringen konnten. Dazu kamen Irrungen und Wirrungen auf Führungsebene wie das erfolglose Gastspiel von Florence Schelling als Sportchefin oder Raeto Raffainer als CEO, die aber mittlerweile in Bern beide nicht mehr in Amt und Würden sind.
Zurück ist dafür Marc Lüthi als CEO, nachdem er sich aus der operativen Ebene verabschiedet und ins VR-Präsidium zurückgezogen hatte. Es war ein Abschied auf Zeit, mittlerweile wurde er als CEO wieder Nachfolger seines Nachfolgers Raffainer und symbolisiert so auch die Hoffnung auf den Turnaround. Dass positive Sport-Schlagzeilen die negative Berichterstattung verdrängen oder gar langfristig ablösen.
Die Ausgangslage ist nicht schlecht, auch wenn der Weg zurück an die Spitze kein Sprint, sondern ein Marathon oder zumindest ein Mittelstreckenwettbewerb ist. Mit Jussi Tapola wurde ein neuer Coach verpflichtet, der in der Vergangenheit mehrfach gezeigt hat, dass er erfolgreich arbeiten kann. Der Finne erreichte mit seinen Teams in den vergangenen 13 Jahren elf Finals, wurde vier Mal Meister und triumphierte in der Saison 2022/23 mit Tappara Tampere auch in der Champions Hockey League. Er gilt als gewiefter Taktiker, zudem wird ihm zugetraut, die Leistungskultur in den SCB zurückzubringen, die Spieler aus Lethargie und Genügsamkeit zu reissen.
Hochkarätige Imports
Hoffnungen machen aber auch die Transfers. Mit Adam Reideborn wurde ein ausländischer Torhüter der Extraklasse verpflichtet. Nachdem Philip Wüthrich nicht immer allen Erwartungen gerecht geworden war, steht nun mit dem 31-jährigen Schweden ein Keeper bereit, der bereits in der KHL zu meisterlichen Meriten kam und seine immense Nervenstärke unter Beweis stellen konnte. Auch in der Verteidigung gibt es mit dem Finnen Julius Honka, der ganz sicher auch offensive Akzente setzen wird, und dem schwedischen, in über 500 NHL-Spielen gestählten Abräumer Patrik Nemeth frisches Blut, das viel verspricht. Dazu kommen in der Offensive zwei Ausländer, die Hoffnungen schüren: Der Tscheche Martin Frk konnte sich zwar in der NHL nie final durchsetzen, war aber in der AHL eine grosse Nummer. Und der Kanadier Corban Knight ist ein physisch starker Zwei-Weg-Center, der seine Flügel besser machen kann. Kurz: Der SCB hat sich vor allem auch bei den Ausländern so sehr verstärkt, dass man ihn wieder ernst nehmen muss.
Die Saisonprognose
Nach den Jahren der Seuchen und Krisen sollte der SCB nun die Wiederauferstehung feiern. Das Kader ist viel stärker als noch letztes Jahr, die Ausländer können den Rest des Teams mitreissen und wieder für gute Stimmung in der PostFinance Arena sorgen. Und Trainer Jussi Tapola hat in seinem Werkzeugkasten alle Tools, um dem ganzen Klub eine erfolgreiche Saison zu bescheren. Die National League ist mittlerweile aber so ausgeglichen und verfügt über eine so breite Spitze, dass trotz aller Verstärkungen und schöner Perspektiven eine direkte Qualifikation für die Playoffs kein Selbstläufer wird. Gelingt dem SCB der Saisonstart, werden die Mutzen am Ende der Regular Season jedoch Rang 6 belegen. Mindestens.