Schweizer Frauen-Nati: Unbeschwert und schlau Geschichte schreiben
Die Fussball-EM der Frauen in der Schweiz sorgt für Begeisterung. Die Gastgeberinnen haben es heute Abend in den Füssen, mit einem Punktgewinn gegen Finnland die Party zu verlängern. Doch ein Selbstläufer wird das auf keinen Fall, die Schweizerinnen sind gefordert!
In der Theorie ist die Sache klar: Die Schweizerinnen sind ganz leicht in der Favoritenrolle. Das Team von Pia Sundhage belegt in der aktuellen Weltrangliste den 23. Platz, die Finninnen finden sich auf Rang 26 und sind damit im Ranking das schlechteste Team der Gruppe A – Island befindet sich auf Position 14, Norwegen auf 16. So weit, so klar: Doch Finnland überzeugte in den ersten zwei Spielen gegen Island (1:0) und Norwegen (1:2) mit feinem Kurzpass-Spiel, Lauffreudigkeit und einem frischen, variablen Auftreten. «Wir sind die Underdogs, und das passt uns», hatte die bei den Chicago Red Stars spielende Defensivspezialistin Natalia Kuikka, finnische Fussballerin der Jahre 2017, 2020, 2021, 2022 und 2023, vor dem Turnier gesagt. «Aber wir lassen uns nicht herumschubsen. Wir sind gekommen, um viele Spiele zu gewinnen.»
Als Gejagte unter Druck
Gesagt, getan. Die Kickerinnen aus dem hohen Norden zeigen sich in der Schweiz von ihrer besten Seite. Und so sagt die Schweizer Mittelfeldspielerin Noemi Ivelj über die heutigen Gegnerinnen lobend: «Sie spielen einen guten Fussball – den besten von unseren Gruppengegnerinnen.» Den Schweizerinnen reicht in Genf zwar ein Unentschieden für den Halbfinaleinzug. Doch dafür ist eine Top-Leistung nötig – von hinten bis vorne. Und dass das Team dem Druck standhalten und mit der Rolle der Gejagten statt der Jägerinnen umgehen kann. Auf Unentschieden zu spielen, ist kein Thema, um erstmals in die K.o.-Phase einer EM einzuziehen, wie auch Rekordnationalspielerin Ana-Maria Crnogorcevic, mittlerweile mit sagenhaften 171 Spielen und 74 Toren auf dem Konto, sagt: «Wir wollen Tore schiessen und gewinnen.» Finnland sei das stärkste Team der Gruppe und taktisch sehr variabel, «es wird nicht einfach, aber es ist unser grosses Ziel, Geschichte zu schreiben».
Auf diesem Weg will die Nati heute Abend erneut unbeschwert und leidenschaftlich auftreten. So, wie das Sundhage-Team an dieser EM schon so manches Herz von Fussballfans erobert hat. Doch es gibt auch Sorgenfalten. Captain Lia Wälti, Denkerin und Lenkerin bei den Schweizerinnen und mit einer überragenden Übersicht gesegnet, ist wegen ihrer Kniebeschwerden fraglich. Und auch der Einsatz von der angeschlagenen Turbo-Aussenspielerin Nadine Riesen, mit ihrem Tempo immer ein Gefahrenherd, ist nicht sicher.
Im Gegenzug sprechen einige Dinge für die Schweizerinnen, angefangen bei der Statistik. Die Schweiz ist in den letzten vier wettbewerbsübergreifenden Duellen mit Finnland ungeschlagen (zwei Siege, zwei Unentschieden), die letzte Niederlage kassierten die Schweizerinnen vor 13 Jahren am Cyprus Cup. Zudem verloren die Finninnen sieben ihrer letzten zehn EM-Spiele, feierten nur einen Sieg und kamen zu zwei Remis.
Und die Schweizerinnen haben gleich mehrere Unterschiedsspielerinnen in ihrem Team, von Sydney Schertenleib, die immer wieder ihr immenses Potenzial aufzeigt, über Géraldine Reuteler, die in der Offensive wirbelt ohne Ende und ihre Gegerinnen immer wieder fordert oder überfordert, bis zu Iman Beney und Leila Wandeler, zwei weiteren Schweizer Supertalenten, die so unbeschwert auftreten und sich fast nicht stoppen lassen. Und an der Linie steht mit Pia Sundhage eine erfahrene Erfolgstrainerin, die immer eine Antwort respektive Lösung bereit zu haben scheint. «Es wird wieder ein Kampf. Finnland hat schnelle und schlaue Spielerinnen. Es wird nicht nur ums Rennen gehen, aber das Tempo wird mitentscheidend sein», sagte sie vor dem kapitalen Spiel gegen Finnland. «Aber wir müssen auch schlau sein.»