Schweizer Nati: Viel Konkurrenz in der Defensive
Die Schweizer Nati ist auf bestem Weg, das direkte WM-Ticket zu lösen. Es ist der Lohn für gute Leistungen – und das Verdienst eines starken Teams, das zuletzt wohl in der bestmöglichen Formation angetreten ist. Oder gibt es doch noch Baustellen und Alternativen? Eine Übersicht in drei Akten, heute mit Fokus auf die Defensive.
Seit der EM 2004 hat die Schweiz nur einmal einen Grossanlass verpasst, 2012 mit der EM in Polen und der Ukraine, als die Nati mit Coach Ottmar Hitzfeld in der Qualifikation hinter England und Montenegro nur Rang 3 belegte. Sonst ist die einst fussballerisch kleine Schweiz mittlerweile ein fester Bestandteil im Konzert der Grossen. Es ist ein Zeichen für die Qualität in unserem Fussball, gerade auch im Tor und in der Verteidigung, wie ein kleiner Überblick zeigt.
Auf der Goalie-Position hat die Schweiz seit Jahren keine Probleme. Zuletzt waren Diego Benaglio und Yann Sommer sichere Werte, nun ist Gregor Kobel der grosse Rückhalt. Und das dürfte noch jahrelang so bleiben, auch wenn dahinter mit dem vier Jahre jüngeren Marvin Keller und dem nochmals ein Jahr jüngeren Pascal Loretz grosse Talente nachfolgen. Auf dieser Position muss sich Nationaltrainer Murat Yakin keine grossen Sorgen machen, die Hierarchie scheint momentan klar zu sein, und die Qualität ist vorhanden.
Akanji, Elvedi und viele Junge
In der Innenverteidigung bilden Manuel Akanji und Nico Elvedi ein Bollwerk und sind ganz klar die erste Wahl. Es hätte wohl kaum jemand gedacht, dass die Nati den Rücktritt von Fabian Schär so gut wegsteckt, doch Elvedi hat sich rechtzeitig aus einer zwischenzeitlichen Baisse befreit und zu alter Stärke zurückgefunden. Bleibt dieses Duo gesund und einigermassen in Form, wird es in naher Zukunft kaum verdrängt werden.
Hinter Akanji und Elvedi stehen gleich mehrere Spieler bereit, um eine allfällige Lücke in der Defensive zu schliessen. Angefangen bei Luca Jaquez, der sich beim VfB Stuttgart etabliert hat und in der Bundesliga mit starken Leistungen überzeugt. Wie Jaquez erst 22 Jahre alt und eine grosse Zukunftshoffnung ist Aurèle Amenda. Er kommt bei der Eintracht Frankfurt allerdings zu selten zum Einsatz, hat in dieser Bundesligasaison erst 103 Minuten, verteilt auf drei Spiele, absolviert. Auf die Dauer ist das kein Zustand; ihm würde im Winter wohl ein Leihgeschäft helfen, um zu mehr Spielpraxis zu kommen.
Die Aktien von Jaquez und Amenda scheinen aktuell am höchsten zu stehen, im Blickfeld von Murat Yakin befindet sich aber auch Joël Schmied, der beim 1. FC Köln überzeugt, sich mit seinen 27 Jahren jedoch für einen potenziellen Rookie im fortgeschrittenen Alter befindet, was sicher kein Vorteil ist. Zumal mit Becir Omeragic, der bei Absteiger Montpellier in der Ligue 2 unumstrittener Stammspieler und Captain ist, sowie dem Luzerner Adrian Bajrami zwei 23-Jährige bereitstehen, um auf dem Innenverteidigungskarussell einen Platz zu besetzen.
Klein scheinen dagegen die Chancen einiger anderer Akteure zu sein, die sich in der Vergangenheit schon versuchen durften. Cédric Zesiger hat aktuell auch in Augsburg einen schweren Stand und überzeugt zu selten, Loris Benito und Gregory Wüthrich sind sehr verletzungsanfällig, Eray Cömert kommt beim FC Valencia nur selten zum Einsatz und Stefan Gartenmann spielt zwar bei Ferencvaros Budapest regelmässig, allerdings liegt er im Vergleich mit seinen Konkurrenten für einen Nati-Platz weit zurück.
Dauerbrenner Rodriguez
Oft wurde schon spekuliert, dass seine Zeit in der Nati bald ablaufen würde, doch er ist nach wie vor ein fixer Wert als linker Aussenverteidiger: Dauerbrenner Ricardo Rodriguez. Mittlerweile steht er bei 133 Länderspielen – Tendenz steigend. Und auch in Spanien zeigt er regelmässig, was er kann, und ist bei Betis Sevilla eine fixe Grösse, wenn er fit ist.
Mit seinen 33 Jahren befindet sich Rodriguez aber im Herbst seiner Nati-Karriere, irgendwann muss er ersetzt werden. Erster Kandidat ist wohl Miro Muheim, der beim Hamburger SV mit viel Zug nach vorne spielt und zwischendurch auch die Captainbinde trägt. Dahinter folgt mit Isaac Schmidt ein weiterer Spieler aus der Bundesliga, während Dominik Schmid (FC Basel) und Ulisses Garcia (Olympique Marseille) weiter weg sind von einem Platz an der Nati-Sonne.
Athekame und Britschgi drängen nach
Als rechter Aussenverteidiger war bei Murat Yakin zuletzt Silvan Widmer erste Wahl. Der Aargauer spielte in der WM-Quali äusserst überzeugend, obwohl er bei Mainz in der Bundesliga als Captain meist nur Teilzeitarbeiter war. Kandidaten, die ihm seinen Platz in der Nati eher früher als später streitig machen können, gibt es einige. Da ist Zachary Athekame, 20 Jahre jung, der bei der AC Milan in der Serie A schon die eine oder andere Duftmarke gesetzt hat. Sogar erst 19 Jahre alt ist Sascha Britschgi, der Ende August vom FC Luzern nach Parma gewechselt ist und sich schon fast einen Stammplatz gesichert hat. Am vergangenen Wochenende glänzte er mit zwei Assists gegen die AC Milan – er dürfte in der A-Nati eher früher als später eine Chance erhalten.
Bedeutend geringer sind die Chancen von Jordan Lotomba, der sich bei Feyenoord in der Eredivisie versucht, und von Kevin Mbabu (Midtiylland), den Murat Yakin seit langer Zeit nicht mehr aufgeboten hat. Auf der Rechnung haben sollte man dagegen Leonidas Stergiou. Er hatte zuletzt grosses Verletzungspech, war aber zuvor beim VfB Stuttgart auf einem guten Weg, kann sowohl als rechter Aussenverteidiger, als auch in der Innenverteidigung spielen, gehörte an der EM 2024 zum Schweizer Kader und kam zu drei Teileinsätzen. Wenn er wieder gesund ist, ist auch er ein heisser Kandidat für den Kampf um die Plätze in der Schweizer Defensive. Doch bekanntlich steigert die Konkurrenz ja auch die Qualität…