Scott McTominay – der schottische Rolls-Royce
Heute Abend kann die Schweiz gegen Schottland einen grossen Schritt in Richtung Achtelfinal machen oder im Idealfall gar die Qualifikation schaffen. Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass Scott McTominay nie zum Lächeln kommt.
Auf dem Papier ist die Schweiz nach ihrem Startsieg gegen Ungarn heute in Köln gegen die Schotten, die zum EM-Start gegen Deutschland ein 1:5-Debakel erlebten, favorisiert. Dies wird auch durch einen Blick auf die Marktwerte der beiden Teams auf transfermarkt.ch unterstrichen. Der Wert des schottischen Kaders wird mit 207,4 Millionen Euro beziffert, jener der Schweiz mit 281,5 Millionen. Am höchsten wird bei den Schotten Scott McTominay mit 32 Millionen eingestuft, dahinter folgen John McGinn und Captain Andrew Robertson mit je 30 Millionen. Zum Vergleich: Bei den Schweizern führt Manuel Akanji (45 Mio.) das Marktwert-Ranking vor Gregor Kobel (40 Mio.) an.
Rolls-Royce und menschliches Monster
McTominay, 27 Jahre alt und zentraler Mittelfeldspieler von Manchester United, ist vielleicht der Schlüsselspieler bei den Schotten. «Scott ist unser Rolls-Royce», sagt Coach Steve Clarke. Und auch bei ehemaligen Coaches und dem aktuellen Übungsleiter von Manchester United steht McTominay hoch im Kurs. Startrainer José Mourinho erklärte einst, McTominay sei eine besondere Persönlichkeit, Ole Gunnar Solskjaer bezeichnete ihn als «menschliches Monster», wobei dies natürlich positiv gemeint war. Ralf Rangnick war der Meinung, dass der Schotte der künftige Captain von ManU sei, und Erik ten Hag gab zuletzt zu Protokoll, dass McTominay sein Leben für den Verein gebe.
Das Leben des 27-Jährigen ist tatsächlich eng mit Manchester United verbunden. Er wurde im Alter von sechs Jahren Teil der Red Devils und spielte bis heute nie für einen anderen Klub. Lange war er klein und eher schmächtig, doch nach einem Wachstumsschub während seiner Akademiezeit und endlosen Stunden im Fitnessstudio hat sich McTominays Spiel mit zunehmendem Alter total verändert. Er ist ein Spieler, der nicht nur über grosse Fähigkeiten am Ball verfügt, sondern auch den körperlichen Anforderungen im Mittelfeld gewachsen ist, bei Bedarf in die Zweikämpfe geht. und auch in der Luft verfügt er über Qualität.
Und er hat sich zuletzt auch äusserst torgefährlich gezeigt. In der vergangenen Saison erzielte er für ManU in 43 Pflichtspielen zehn Tore – es ist ein persönlicher Rekord. Und auch in der EM-Qualifikation war er treffsicher, erzielte sieben Tore in acht Spielen und war hinter dem Belgier Romelu Lukaku (14), dem Portugiesen Cristiano Ronaldo (10), dem Franzosen Kylian Mbappé (9) und England Harry Kane (8) die Nummer 5. Nimmt man die Penaltytreffer weg, war gar einzig Lukaku (13) besser.
Nie aufgeben, nie das Handtuch werfen
Diese starke Entwicklung ist einerseits mit der Einstellung von McTominay verbunden, andererseits auch mit dem schottischen Nationaltrainer Steve Clarke. «Man gibt niemals auf, egal, in welcher Lebenssituation man sich befindet», lautet das Motto McTominays. «Wirft niemals das Handtuch. Man muss weiter hart arbeiten. In dem Moment, in dem man aufhört, kann es schlecht laufen.» Es sind Worte, die perfekt zu ihm passen. Denn McTominay ist kein Künstler oder glamouröser Star, sondern ein Arbeiter.
Zu dieser seriösen Berufseinstellung kommt mittlerweile auch eine Portion Lockerheit oder Unbeschwertheit dazu. «Ich sage meinen Spielern immer, dass sie in ihre Kindheit zurückgehen und darüber nachdenken sollen, wie sie dort gespielt haben: Jeder junge Spieler tut es mit einem Lächeln im Gesicht, weil es ihm Spass macht», erzählte Clarke kürzlich gegenüber dem «kicker». «Ich hatte ein langes Gespräch mit Scott. Ich sagte: Scott, es ist kein Lächeln auf deinem Gesicht, aber lächle! Lass jeden sehen, dass du Fussball magst!» Und die Botschaft sei angekommen, McTominay ein wichtiger Spieler für die «Bravehearts» und ManU.
So bleibt aus Schweizer Sicht nur zu hoffen, dass McTominay heute Abend in Köln sein Lächeln verliert und nicht zum McTorminay wird. So wie es schon bei der Kanterniederlag gegen Deutschland der Fall war.