Servette: Die Rückkehr zu einstigem Ruhm und alter Stärke?
Nach einem nicht ganz einfachen Saisonstart hat sich Servette dank einer Erfolgsserie in der Spitzengruppe der Super League etabliert. Dass die Genfer gar vom Meistertitel träumen können, ist eng mit Trainer René Weiler verbunden.
Meister 1979, 1985, 1994 und 1999, Cupsieger 1978, 1979, 1984 und 2001 – ein Blick zurück auf die jüngsten Erfolge des Servette FC zeigt, dass die Genfer noch vor nicht allzu langer Zeit zur Crème de la Crème des Schweizer Fussballs gehörten. Klangvolle Namen wie Karl-Heinz Rummenigge, John Eriksen, Sonny Anderson oder auch die Schweizer Joko Pfister, Umberto Barberis, Lucien Favre und Alain Geiger, um nur einige zu nennen, wobei die Liste bei weitem und nicht annähernd vollständig ist, unterstreichen diese sportliche Klasse. Und sie sorgten dafür, dass die Genfer weit über die Sprachgrenze hinaus grosse Sympathien genossen.
Doch es gab danach auch die schwierigen Jahre, in denen der Klub fast oder ganz an die Wand gefahren wurde. Mit vermeintlichen Investoren – zuerst Marc Roger, später Majid Pishyar – folgte statt der finanziellen Herrlichkeit die grosse Ernüchterung und gab es auch zwischenzeitliche Neuanfänge in der 1. Liga respektive Promotion League. In der Saison 2018/19 schafften dann die Genfer wieder den Aufstieg in die Super League und konnten sich da auch etablieren. Diese sportliche Renaissance des Klubs ist einerseits eng mit der finanziell potenten Besitzerin Fondation 1890 verbunden, andererseits mit Alain Geiger, dem Aufstiegstrainer, der bis zum Ende der vergangenen Saison in Amt und Würden gewesen war, den Klub da auch zum Vizemeistertitel geführt hatte – und dann durch René Weiler ersetzt wurde.
Dieser Entscheid wurde nicht überall verstanden, auch wenn er damit erklärt wurde, dass man in Zyklen arbeite, moderner werden wolle und René Weiler jener Mann sei, der innerhalb der bestehenden Strukturen das einbringen könne, was noch fehle. Die Resultate spielten den Skeptikern am Anfang auch in die Karten. In den ersten sieben Meisterschaftsspielen feierten die Genfer nur gerade einen Sieg, kamen zu drei Remis und kassierten drei Niederlagen, darunter ein 1:4 gegen Yverdon. Anspruch und Wirklichkeit klafften meilenweit auseinander, man fragte sich schon, ob Weiler bald gefeuert werden würde.
Neun Spiele ungeschlagen
Doch das 0:2 auswärts in Luzern am 24. September in Luzern war die bis heute letzte Niederlage in der Super League. Stattdessen gab es sieben Siege in Folge sowie zuvor und danach je ein Unentschieden. Diese neun Spiele der Ungeschlagenheit sorgten dafür, dass die Genfer nun in der Tabelle auf Rang 4 liegen, drei Punkte hinter den Young Boys. Zudem sicherte sich Servette zuletzt dank einem 1:1 in der Europa League gegen die AS Roma mit Startrainer José Mourinho einen prestigeträchtigen Punkt und spielt auch im kommenden Jahr international, in der Conference League. Und auch im Cup sind die Grenats nach wie vor dabei, treffen Ende Februar im Viertelfinal auf den Promotion-Ligisten Delémont. Der Übergang von Alain Geiger zu René Weiler war zu Beginn kompliziert gewesen, mittlerweile kann Präsident Thierry Regenass jedoch aufatmen. In den lokalen Medien sagte er kürzlich: «So wie wir nicht in Panik geraten sind, als die Ergebnisse nicht so waren, wie wir es uns erhofft hatten, so werden wir auch heute nicht übermütig.»
Was aber ist das Erfolgsrezept von Trainer René Weiler, der auch schon in Nürnberg, Anderlecht, bei Al Ahly oder den Kashima Antlers gute Arbeit geleistet hat? «Am Anfang der Saison war es etwas schwierig für uns, aber er war sich seiner Sache sicher. Er hat nichts dem Zufall überlassen. Wir haben auf ihn gehört und jetzt sind wir uns auch sicher», sagt Stürmer Chris Bedia. «Unser Geheimnis? Wir arbeiten viel, viel, viel. Der Trainer tut, was er tun muss. Er ist ein bisschen gemein, aber es trägt Früchte. Selbst wenn wir müde sind, schiebt er das Team an.»
Psychologische Sichtweise
Ein neuer Trainer bedeute auch eine neue Botschaft, erklärt Verteidiger Steve Rouiller. «René Weiler hat nicht alles auf den Kopf gestellt, aber er hat zum Beispiel mehr Laufarbeit in den Räumen gefordert. Und er hat auch eine psychologischere Sichtweise eingebracht.» Es gehe darum, dass die Spieler zuerst daran denken sollen, was sie für das Team tun können. Dass sie nicht zuerst an sich selbst und ihre persönliche Situation denken. Dass sie sich selbst in Frage stellen, «er will keine egoistischen Spieler».
Die Botschaft Weilers ist bei seinen Spielern angekommen, das zeigen die Resultate. Und auch der Trainer, der als kompromisslos, akribisch, ausdauernd und von seinen Ideen besessen gilt, zeigte sich unlängst in den Medien zufrieden und sagte: «Ja, wir müssen jetzt glücklich sein, weil alles funktioniert. Aber wir werden wieder Spiele verlieren, das wird passieren. Wir müssen einfach analysieren und arbeiten. Um noch besser zu werden.» Er spüre, dass bei Servette etwas wächst, es sei nicht nur die Art zu spielen, sondern auch die Art, wie man sich verhält, die Art, wie sich die Spieler zusammen verhalten, «ich spüre auch einen Hunger».
Weiler hat also den Appetit auf mehr geweckt, wobei Präsident Regenass immer wieder betont, dass es darum gehe, mittel- und langfristig zu investieren. Noch im Sommer sprach er davon, dass der Titel in einem Zeithorizont von drei bis fünf Jahren ein Ziel sei, nun sagt er aber: «Ambitionen sind gut und schön, wir haben sie. Ich würde es so formulieren: Wir wollen bis zum Schluss mit den Besten mithalten.» Die nächsten Schritte in der Meisterschaft müssen die Genfer bis zur Winterpause im Derby auswärts gegen Lausanne (am kommenden Samstag) und am 17. Dezember daheim gegen Lugano machen. Bleiben René Weiler und sein Team auch da ungeschlagen und verlängern ihre eindrückliche Serie? Und kehren sie gar bald zu einstigem Ruhm und alter Stärke zurück?