Servette: Mit überragenden Ausländern zur Titelverteidigung?
Rang 1 nach der Regular Season, dann die Playoff-Siege gegen Lugano, Titelverteidiger Zug und Biel: Servette spielte letzte Saison überragend und wurde verdient Meister. Es ist definitiv nicht unmöglich, dass die Genfer nun gleich nachdoppeln.
Ein Genfer Meistertitel lag in der Luft, schliesslich hatte es Servette im Playoff-Zeitalter ja schon dreimal bis in den Final geschafft: 2008 und 2010 mit Chris McSorley und 2021 mit Patrick Émond, der mittlerweile als Assistenztrainer bei Gottéron tätig ist. Aber es gab halt immer auch diese Bedenken, dass welsche Teams zu weich sind, um sich in den Playoffs bis zuletzt durchzusetzen, ja durchzubeissen. Den Genfern gelang es nun, dieses Vorurteil zu widerlegen und als erster Vertreter aus der Westschweiz seit 50 Jahren den Meistertitel zu gewinnen. Damals war dies dem HC La Chaux-de-Fonds gelungen, der gleich sechsmal in Folge Champion geworden war.
Eine solche Serie zu erwarten, ist nun vermessen. Aber eine Titelverteidigung ist den Genfern allemal zuzutrauen. Natürlich, Servette hat den Verteidiger Henrik Tömmernes verloren, den in den letzten Jahren besten Spieler auf Schweizer Eis; er hat sich entschlossen, zurück nach Schweden zu gehen und bei Frölunda unterschrieben. Und in der Offensive hat Linus Omark den Klub ebenfalls in Richtung schwedische Heimat verlassen (Lulea). Mit dem Stürmer verliessen auch 56 Skorerpunkte in der Regular Season und 12 Punkte in den Playoffs den Verein. Der Abgang des schwedischen Duos ist ein herber Verlust. Aber die Genfer sind in der Lage, diesen zu kompensieren.
Der Schwede Theodor Lennström wurde als Nachfolger von Henrik Tömmernes verpflichtet. Er erzielte letzte Saison für Färjestad 31 Punkte in 34 Spielen, was eine gewisse Klasse unterstreicht. Aber ersetzen kann er Tömmernes natürlich nicht, da dieser schlicht und einfach zu überragend gewesen war. Für den Sturm neu geholt wurde der Finne Sakari Manninen, der schon seit längerer Zeit bei mehreren Sportchefs auf dem Radar gewesen war. Der 31-Jährige hat in der KHL für Salavat Yulaev Ufa (an der Seite von Teemu Hartikainen) in 233 Spielen satte 176 Skorerpunkte erzielt, wurde 2022 mit Finnland Weltmeister und gewann Olympia-Gold. Letzte Saison versuchte er sein Glück in Übersee, schaffte es aber nicht in die NHL, wohl auch wegen seiner körperlichen Defizite (er misst nur 1,72 m). Die Chance ist jedoch gross, dass der Finne in der Schweiz eine grosse Nummer wird.
Manninen und Lennström ergänzen so die bestehende Import-Crew mit den Topshots Valtteri Filppula, Teemu Hartikanen, Sami Vatanen und Daniel Winnik. Es ist wohl alles andere als vermessen zu behaupten, dass die Genfer über die besten Ausländer der ganzen Liga verfügen. Dazu kommt mit Jan Cadieux ein Trainer, der trotz seiner erst 43 Jahre und geringen Erfahrung als Headcoach durch grosse Ruhe und viel Fingerspitzengefühl überzeugt und für sein Team den offensichtlich richtigen Ton trifft.
Die Saisonprognose
Ein souveräner Coach, überragende Imports, starke Schweizer Spieler wie Simon Le Coultre, Roger Karrer, Tanner Richard oder Noah Rod, eine stabile Defensive, eine breit und hochklassig besetzte Offensive, ein fähiger Sportchef (Marc Gautschi) und eine ruhige, umsichtige Klubführung: Es spricht viel dafür, dass Servette auch in diesem Jahr das Team ist, das es zu schlagen gilt. Wenn es einen Unsicherheitsfaktor gibt, dann wohl am ehesten auf der Goalie-Position. Robert Mayer hat letzte Saison überragende Playoffs gespielt und 93,43 Prozent der gegnerischen Schüsse gehalten. Aber es stellt sich die Frage, ob er in dieser Saison erneut auf diesem Niveau spielen kann. Und wie stark der zweite Goalie Gauthier Descloux hält. Deshalb setzen wir die Genfer «nur» auf Rang 2, weisen aber gerne darauf hin, dass es wohl kaum jemanden überrascht, wenn Servette als viertes Team in diesem Jahrtausend – nach den ZSC Lions (2001), dem SC Bern (2017) und dem EV Zug (2022) – den Titel verteidigt.