Sion-Rekordtrainer Tholot: Schonzeit vorbei
In der Vergangenheit bot der FC Sion beste Unterhaltung. Spieler und Trainer kamen und gingen, die Ambitionen waren hoch, doch der sportliche Erfolg blieb jedoch aus. Gelingt nun ein Schritt vorwärts?
741 Tage! So lange dauert die aktuelle Amtszeit von Didier Tholot beim FC Sion schon, die unter Präsident Christian Constantin ein Klubrekord ist. Es ist eine gefühlte Ewigkeit, wenn man sich daran erinnert, wie viele Trainer der Boss in den letzten Jahren verschlissen hat. Der Totomat entschied über so manches Schicksal und sorgte für regelmässige Änderungen an der Linie. Und nun also diese fast episch lange Zusammenarbeit, obwohl die Saison 2024/25 für den FC Sion alles andere als gut verlaufen war. Die Walliser verpassten die Top 6 und Championship Group und mussten sich am Ende mit Rang 9 zufrieden geben, lediglich vor Yverdon, den Grasshoppers und dem FC Winterthur, mit der kleinen Distanz von fünf Punkten auf den Abstiegsplatz.
Dass Coach Didier Tholot dennoch in seinem Amt überlebte, war der Tatsache geschuldet, dass Präsident Constantin für die erste Saison nach dem Aufstieg als Ziel den Ligaerhalt ausgegeben hatte. Bemerkenswert war aber, dass der Zampano auch dann ruhig blieb, als das Team kriselte und dem Abstieg bedrohlich nahe kam.
Die Top 6 sind gefordert
Nun ist diese Schonzeit vorbei und müssen Tholot und seine Jungs wieder liefern. Die Zielvorgabe von Präsident Christian Constantin und dessen Sohn und Sportchef Barthélémy Constantin ist klar: ein Platz in den Top 6. Cheftrainer Tholot nimmt die Vorgabe gelassen, erklärte kürzlich gegenüber dem Blick: «Ich habe Fehler gemacht. Der Klub vielleicht auch. Aber mein Walliser Abenteuer ist noch nicht zu Ende. Wenn wir das Team wie gewünscht verstärken, ist das Ziel Meisterrunde realistisch.»
Auf diesem Weg ist es wohl entscheidend, den Start in die Meisterschaft nicht zu verschlafen. Und da ist das Programm happig, die ersten fünf Gegner sind: FCZ (a), Lugano (h), YB (a), Servette (h), FCB (h). Schon da muss Tholot liefern, sonst wird für ihn die Luft im Rhonetal schon sehr schnell sehr dünn.
Drei neue im Rampenlicht
Bislang war der Sommer im Unterwallis im Vergleich zu anderen Jahren sehr ruhig. Für Schlagzeilen sorgte in erster Linie die Reise der Mannschaft nach Russland für ein Testspiel gegen St. Petersburg, das am Ende mit 2:5 verloren ging. Das Resultat war nebensächlich, eigentlich gar kein Thema, während der Auftritt im Putin-Land vor allem im Vorfeld für viel Kritik gesorgt hatte. Und auch das Kommen und Gehen an der Spielerfront hielt sich in den letzten Tagen in überschaubarem Rahmen. Im Fokus waren da vor allem drei Transfers: Goalie Anthony Racioppi, Talent Winsley Boteli und Mittelstürmer Rilind Nivokazi.
Anthony Racioppi hat für vier Jahre unterschrieben und will seine Karriere neu lancieren, nachdem er nach seiner Zeit bei den Young Boys sein Glück bei Hull City und beim 1. FC Köln versucht hat. «Anthony brauchte wieder einen Rahmen mit Vertrauen und dem Status einer Nummer 1. Ich bin sehr glücklich und stolz, dass er sich uns angeschlossen hat», sagt Barthélémy Constantin. Er verfolge Racioppi schon seit sieben oder acht Jahren und es habe schon in der Vergangenheit Versuche gegeben, ihn zu holen. «Heute ist er bei uns, und wir sind sehr froh darüber. Anthony ist ein sehr starker Torwart auf der Linie und sehr gut am Ball. Im heutigen Fussball ist das eine Qualität, die zählt.»
Bemerkenswert ist der leihweise Transfer von Winsley Boteli. Der 19-jährige Stürmer wurde fussballerisch bei Servette gross, ehe er im Sommer 2022 in den Nachwuchs von Borussia Mönchengladbach wechselte. Dort bewies er seither seine Fähigkeiten und Torgefahr, im Wallis will er nun weiter vorwärts kommen. «Winsley ist ein explosiver Stürmer mit einem echten Torriecher und viel Raum für Verbesserungen. Er gehört zu den besten Schweizer Spielern seiner Generation. Er kommt ins Wallis mit dem Wunsch, einen Schritt weiter zu gehen und sich in einer Liga durchzusetzen, die er kennt. Er ist ein Mann für die Zukunft, aber auch eine unmittelbare Verstärkung für unseren Offensivbereich», sagt Sportchef Barthélémy Constantin über den Stürmer, der leihweise für ein Jahr mit einer Option für eine feste Übernahme verpflichtet wurde. Und: «Auf seinem Karriereweg, so denke ich, war der Wechsel zum FC Sion der beste Entscheid für ihn. Er ist ein Talent, bringt Mentalität mit, arbeitet hart, aber hat noch eine grössere Entwicklung vor sich.» Boteli selber sagt mit breiter Brust: «Der Strafraum ist mein Revier – da will ich effizient sein. Alles, was dort passiert, ist mein Job.»
Der dritte Neue ist Rilind Nivokazi, der Torschützenkönig der letzten Challenge League-Saison, der nun aus Bellinzona kam. Der kosovarisch-italienische Doppelbürger sei ein Typ «Bomber», der mit beiden Füssen, mit dem Kopf und aus jeder Situation ein Tor schiessen könne, gab Sportchef Constantin gegenüber dem «Walliser-Bote» zu Protokoll. «Er ist sowohl in einem Ein- als auch in einem Zwei-Mann-Sturm einsetzbar. Wir wollen beim FC Sion alles tun, damit er auch für uns viele Tore schiesst.» Weniger angriffig als auf dem Platz zeigte sich Nivokazi zuletzt dagegen verbal, als er erklärte: «Ich bin überzeugt, dass ich auch in der höchsten Liga meinen Beitrag leisten kann. Meine fussballerische Ausbildung hat mich gut vorbereitet – und ich werde hart arbeiten, damit Schwierigkeiten gar nicht erst aufkommen.»
Prognose
Mit Reto Ziegler, Kevin Bua, Dejan Sorgic, Pajtim Kasami, Federico Barba oder auch Heinz Lindner haben die Walliser viel Routine verloren. Doch dies bedeutet automatisch auch, dass mehr Platz für eine dringend nötige Blutauffrischung vorhanden ist. Das Erreichen des Saisonziels, die Qualifikation für die Championship Group, ist keineswegs utopisch. Doch für den Klub ist es matchentscheidend, dass der Saisonstart gelingt und nicht schon schnell der Trainer zu einem Thema wird. Und wenn es am Ende noch gelingen sollte, Zauberfuss Matteo Di Giusto von Winterthur ins Wallis zu lotsen, ist sehr viel möglich. Doch die Vergangenheit hat schon mehrmals gezeigt, dass beim FC Sion die Uhr fussballerisch etwas anders tickt als bei anderen Klubs und dass am Ende alles von den Launen und Entscheiden des ebenso charismatischen wie streit- und unberechenbaren Präsidenten Christian Constantin abhängt.