Im exklusiven Sky Sport Interview hat sich Leeds-Trainer Daniel Farke zu Jürgen Klopp, dem Alltag in der PL sowie den Ex-Hoffenheimer Anton Stach geäussert.
Daniel Farke ...
... über den Austausch mit Red Bulls Head of Global Football Jürgen Klopp, seit Red Bull Anteilseigner bei Leeds wurde: "Ich wusste, dass ich ihn immer 24 Stunden anrufen kann. Jetzt haben wir durch diese Verbindung mit RB einen sehr starken Partner und wir sind froh, dass wir dieses Netzwerk auch nutzen können. Der einzige Unterschied ist, dass wenn ich irgendwas habe, kann man es sogar als Arbeitszeit verbuchen, wenn ich ihn anrufe. Jürgen weiss ganz genau, dass wenn du auf dem Niveau als Trainer arbeitest, hast du keine Zeit, bei einem Kaffee ein Pläuschchen zu haben oder bei irgendwas zu quatschen, da ist gar keine Zeit dafür. Ich weiss, dass wenn ich irgendwas habe, wo ich seinen Rat, seine Hilfe oder irgendeinen Hinweis brauche, dann kann ich ihn immer anrufen. Der einzige Unterschied ist, dass es offiziell als Arbeitszeit läuft, aber eigentlich läuft der Austausch überhaupt nicht anders als vor drei oder vier Jahren vielleicht, als es noch nicht diese Verbindung war. Es ist ja auch anders, weil natürlich die "klassischen" RB-Vereine haben auch die Philosophie, auf ihre Art und Weise Fussball zu spielen. Leeds ist ein eigenständiger Verein, RB ist ein starker Partner und ein starker Investor. Das ist schon ein Unterschied zu dem, was vielleicht in New York oder Salzburg oder Leipzig ist."
Klassenerhalt das grosse Ziel
... über den Kampf um den Klassenerhalt mit Aufsteiger Leeds United: "In den letzten Jahren sind alle Aufsteiger sang- und klanglos abgestiegen und das mit wahnsinnigen Transfer-Ausgaben. Wir konnten aufgrund der Financial-Fair- Play-Regelung nicht so viel ausgeben wie einige Aufsteiger in den letzten Jahren und wollten trotzdem den Anspruch haben, einfach wettbewerbsfähig zu sein und auch den Liga zu schaffen. Das ist und bleibt auch nach wie vor das grosse Ziel. Ich habe jetzt nicht erwartet, dass wir mal eben so leicht durchs Mittelfeld segeln, dass wir nie irgendwie in Abstiegsgefahr sind und immer mit sieben, acht Punkten Vorsprung vor den Abstiegsplätzen cruisen und auch irgendwie über Europa sprechen können. Das wäre total unrealistisch […] Insgesamt sind wir auf einem guten Weg. Aber ich war weder "over the moon", wie man hier sagt, in England, nach Auswärtssiegen bei Wolves (Wolverhampton Wanderers Anm. d. Redkation) oder West Ham United, noch bin ich jetzt in einer depressiven Stimmung, weil wir ein Auswärtsspiel in Nottingham verloren haben, die in Europa spielen. Also, es ist glaube ich, immer wichtig - gerade für so einen emotionalen Klub - auf einem guten Level und ausbalanciert zu bleiben und den Klub dann auch stabil zu führen und nicht wie die Flagge im Wind zu sein."
... über die Erwartungshaltung beim Traditionsklub: Der Klub hat eine wahnsinnige Historie in England, ist Englischer Meister geworden, hat damals im Europapokal der Landesmeister gespielt. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, in den letzten 25 Jahren haben wir genau drei Jahre in der Premier League verbracht. Das ist aktuell kein etablierter Premier Ligist. Aber ähnlich wie auch bei Traditionsvereinen in Deutschland ist die Erwartungshaltung dann schon so, wenn wir in der Premier League spielen, dann brauchen wir einen Titelgewinn und wollen in Europa spielen. Das hat natürlich mit der Realität nichts zu tun. Diese Balance gilt es hinzubekommen, gerade in diesem Umfeld. Mit unseren Fans, die einfach die emotionalsten und aussergewöhnlichsten und nach meiner Meinung auch wirklich besten in der ganzen Liga sind. Ich würde jedem mal empfehlen, wenn man die Chance hat, so ein Spiel live an der Elland Road mal mitzuerleben. Das ist einfach ein Ereignis, das ist mit nichts vergleichbar. Das kann wirklich eine Festung sein. Aber das kommt dann natürlich auch immer einher mit Druck und einer hohen Erwartungshaltung. Hier geht nach jedem verlorenen Spiel die Welt unter. Auf Championship-Level war es nach jedem Auswärts-Unentschieden: Da muss man alles ändern, den Trainer ändern und neue Spieler. Und alles ist schlecht und wir steigen ab bis in die vierte Liga. So ist dieser Klub einfach."
Fussball in England hat höheren Stellenwert als in Deutschland
... auf die Fragem was er erreichen möchte: "Konstanz, gute Nerven und ausbalanciert zu sein. Wenn du das schaffst, hast du eine Chance, so einen grossen Klub und so einen emotionalen Klub wieder auf einem Top-Level zu etablieren. Das ist das, was wir versuchen. Das ist das, was auch mich antreibt. Irgendwie möchte ich gerne mit meinen Jungs der Erste sein, der es seit 25 Jahren mal wieder schafft, diesen Verein eigentlich dahin zu bringen, wo er hingehört. Das ist auf lange Sicht auch wirklich die erste Tabellenhälfte in England. Aber in diesem Jahr geht es wirklich nur um den Klassenhalt und nichts anderes. Dafür brauchen wir starke Nerven, gute Qualität und hoffentlich auch gute Ergebnisse."
... über die Rolle, die der Fussball in Leeds spielt: "Wie sehr die Menschen hier nach Erfolg lechzen, ist schwer zu vergleichen. Der Fussball hat einen riesigen Stellenwert bei uns in Deutschland und die Bundesliga ist ein super Produkt. Aber der Stellenwert hier im alltäglichen Leben der Menschen im Mutterland des Fussballs, ist noch mal höher. Und wenn du so eine Stadt hast wie Leeds, die mit dieser Grösse die einzige Stadt ist, die nur einen Fussballverein hat, auf den sich alles fokussiert. Und wirklich nach Erfolg lechzt, auch nach schwierigen Jahren- wie viel das den Menschen bedeutet, siehst du, wenn du so eine Open-Bus-Tour machst. Du den Aufstieg feierst und da sind dann irgendwie über 300.000 Menschen in den Strassen und am Wegesrand. Da siehst du in den Augen, was denen das bedeutet. Da wirst du schon demütig und dankbar, dass du da auch ein Stück weit helfen konntest, den Menschen auch wirklich was zu geben für ihr Leben."
Stach "noch lange nicht am Ende seines Weges"
... über Anton Stach, der im Sommer aus Hoffenheim transferiert wurde: "Anton ist ein super Junge, von dem wir total überzeugt sind, sowohl sportlich als auch menschlich. Für englische Verhältnisse war es jetzt nicht so viel, aber für unsere Verhältnisse haben wir schon relativ viel Geld ausgegeben, weil es ein zentraler Transfer im Sommer war. Und er hat das Vertrauen absolut gerechtfertigt und hat eine total stabile Saison gespielt ab Saisonstart. Er ist wirklich ein Schlüsselspieler für uns. Es ist immer schwierig für Spieler - und man sieht das ja auch an Top-Spielern, die aus anderen Ligen dann in die Premier League kommen - auf dem Niveau sofort abzuliefern. Weil der Fussball und die Physis und die Intensität hier in der Premier League noch mal eine andere ist als vielleicht in der Bundesliga oder La Liga oder Serie A. Das ist ein anderer Fussball und oft braucht man ein bisschen Zeit. Es liegt an Antons Qualität, aber auch an seinem Charakter, dass er es geschafft hat, sich sehr, sehr gut und sehr, sehr früh dann auch so durchzusetzen und dort auf einem Top-Level abzuliefern. Er hat in der letzten Woche ein bisschen Probleme gehabt mit einer angebrochenen Rippe und einem gebrochenen Finger, aber ich glaube, dass die Länderspiel-Pause ihm jetzt auch ganz gut getan hat. Ich glaube, dass wenn er so weiter performt, hat er auch alle Chancen, noch mehr mit im Spotlight zu sein hier. Er spielt eine sehr, sehr gute Serie für uns und entwickelt sich fantastisch. Ich glaube, er ist noch lange nicht am Ende seines Wegs angelangt."
... über die zunehmende Zahl an (auch jungen) deutschen Spielern in der Premier League: "Hier herrscht schon eine hohe Wertschätzung für die Bundesliga gerade so in den Top-Mannschaften. Es weiss auch in England jeder, dass Bayern München immer die Champions-League gewinnen kann, dass Borussia Dortmund immer ins Champions-League-Finale einziehen kann. Das ist schon eine hohe Wertschätzung. Klar, ist man auch überzeugt von der Premier League und der eigenen Qualität. Aber der deutsche Markt ist natürlich immer einer, wo sich Top-Vereine wirklich auch umschauen. Sie wissen schon, dass dann viele Spieler dann auch vielleicht auch ein bisschen brauchen; auch Top-Transfers, für die man dann viel Geld ausgibt. Klar ist die finanzielle Ausstattung der klubs hier auch so, dass man dann eher auch mal auf ein Projekt gehen, viel Geld ausgeben kann und weiss: Okay, das muss jetzt nicht innerhalb von zwei Wochen funktionieren, sondern das ist vielleicht auch was für die mittel- und langfristigen Erfolge. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir als Bundesliga da auch ein Stück weit aufpassen, dass wir nicht zu sehr zur Ausbildungsliga für die Premier League verkommen. Es ist wichtig, dass wir da auch hellwach sind. Nochmal, die Bundesliga ist ein Top-Produkt und die Wertschätzung ist noch hoch- aber es (die englische Premier League Anm. d. Red.) ist natürlich auch ein Markt, der für die Spieler hoch attraktiv ist. Und natürlich sind die Engländer auch immer in der Lage, Top-Transfers zu tätigen. Da muss man schon auch hellwach sein als deutsche Bundesliga und ich hoffe, das sind wir auch."