SL-Preview: GC und der x-te Neuanfang
In neun Tagen ist es soweit: Die Brack Super League startet mit neuem Namen und der Partie zwischen dem FC Zürich und dem FC Sion in die Saison 2025/2026. Nach der Rettung in der Barrage doch auch wieder mit dabei ist Rekordmeister GC. Und wieder einmal blieb bei den Hoppers den Sommer über fast kein Stein auf dem anderen.
So lief’s zuletzt
Wieder einmal wiederholte sich, was sich eigentlich nicht wiederholen sollte: Die Grasshoppers spielten eine grösstenteils enttäuschende letzte Saison und mussten den Ligaerhalt schliesslich in Extremis (= in der Barrage) sichern. Dabei ging es zumindest im Saisonendspurt noch knapper zu und her als im Jahr zuvor, denn während und nach den drei aufeinanderfolgenden Derbyniederlagen im Frühjahr setzte wohl nicht mehr Mancher einen Pfifferling auf den einstigen Serienmeister. Doch irgendwie gelang es dem auf den letzten Drücker geformten Führungsduo Sutter / Oral doch noch, das Steuer herumzureissen. Nun hat Besitzer Los Angeles FC Neo-Sportchef Alain Sutter mit dem x-ten Neuaufbau beauftragt. Der Berner mit glorreicher (Spieler)Vergangenheit im Klub ist der grosse, neue Hoffnungsträger.
So soll es weitergehen
Ende gut, doch nicht alles gut. Nach der zweiten Verbannung in die Barrage in Folge ist auch im fernen Kalifornien die Erkenntnis gereift, dass es so nicht weitergehen kann. Also liess der Klub rekordverdächtige 16 Verträge zum Saisonende auslaufen und vertraut nun darauf, dass Sutter mit Unterstützung des gemeinsam mit dem FC Bayern betriebenen «Red&Gold Football»-Netzwerks die passenden Replacements schon finden wird. Dabei ganz wichtig: Kostengünstig sollen sie sein, jung und talentiert, um im Idealfall nicht nur eine schlagfertige Truppe zu formen, sondern auch individuelle Marktwerte in die Höhe schnellen zu lassen. Mit dieser Mischung möchte man sich nach vier erfolglosen SL-Saisons endlich vom Tabellenende entfernen und mittelfristig auch das strukturelle Defizit verkleinern. Eine erstes wirtschaftliches Erfolgserlebnis konnten die Hoppers bereits verbuchen. Mit dem IT-Unternehmen ELCA verfügt GC zum ersten Mal seit der Saison 2011/2012 (Bank Vontobel) wieder über einen Hauptsponsor, der nicht aus dem klubeigenen Fördernetzwerk stammt.
Die Schlüsselfiguren
Trainer Gerhard Scheiblehner: Der Österreicher bewies mit Blau-Weiss Linz, dass er die Fähigkeit besitzt, aus wenig viel zu machen. Genau das wird auch in Zürich gefragt sein.
Captain Amir Abrashi: Der letzte Mohikaner aus den erfolgreichen Spielzeiten 2012 bis 2014 weiss noch, wie man mit GC Titel gewinnt. Wichtiger ist jedoch, dass er den Verein mit Haut und Haaren liebt und diese Identifikation jeden Tag vorlebt.
Mathieu Choinière: Der kanadische Internationale war so etwas wie der Königstransfer von Sutter-Vorgänger Stephan Schwarz – und floppte kolossal. Kann er sein Potential auch in Jahr zwei nicht abrufen, haben er und die Hoppers ein grösseres Problem.
Nikolas Muci und Youngjun Lee: Die beiden 22-jährigen Stürmer liessen in der letzten Saison verschiedentlich ihr Potential aufblitzen. Beide werden in der kommenden Spielzeit die Chance erhalten, die in sie gesetzten Erwartungen zu bestätigen.
Sportchef Alain Sutter: Der 57-jährige Berner hat in St. Gallen bewiesen, dass er sein Handwerk versteht. Bei GC muss er mehr denn je zeigen, dass er ein aussergewöhnlich gutes Näschen für junge oder verkannte Talente hat, die sich in der Super League durchsetzen können.
Das spricht für den GCZ
Immerhin davon kann man im neuen GC-Hauptquartier an der Zürcher Schifflände ausgehen: Sollte es kommenden Frühling tabellarisch erneut eng werden, weiss man beim Traditionsverein mittlerweile ziemlich gut, wie man sich schlussendlich doch noch zum Ligaerhalt wursteln kann. Und sonst? Da sind eine noch unfertige Mannschaft, der es nicht an talentierten, jungen Fussballern mangelt und ein Trainer, der in den letzten Jahren unter ähnlichen Voraussetzungen nicht nur erfolgreichen, sondern auch attraktiven Fussball spielen liess. Genau das ist auch der Anspruch von GC-Sportchef Sutter, der sich künftig im Stadion nicht mehr langweilen möchte. Das wäre in der Tat zu begrüssen.
Diese Hürde gilt es zu überwinden
Habe ich schon erwähnt, dass die Mannschaft der Grasshoppers jung und – Stand jetzt - unfertig ist? Aktuell verfügen die Hoppers nämlich über ein Team, bei dem zum Saisonstart rund zwei Drittel aller Spieler unter 23 Jahre alt sein dürften, darunter zahlreichen Exponenten, die noch nie in der Super League oder überhaupt im Profi-Fussball gespielt haben. Das ist ein Risiko, zumal Captain Abrashi mit 35 Jahren nicht mehr zwingend jede Woche auf dem Platz stehen wird und designierte Leistungsträger wie der kanadische Nationalspieler Choinière in den ersten neun Monaten in Zürich zu den grössten Enttäuschung überhaupt zählten. Entsprechend hilfreich wäre ein funktionierender Choinière, genauso ein regelmässig starker Veron Lupi am Flügel sowie ein oder zwei Neuzugänge, die wirklich positiv überraschen. Zudem dringend benötigt: Der erste spielstarke Sechser im GC-Mittelfeld seit Kim Källström (2015 – 2017) sowie ein Linksverteidiger auf dem Level von Vorgänger Noah Persson (zurück bei YB).
Prognose
Das Duo Sutter/Scheiblehner, Captain Amir Abrashi und eine ganze Menge junger Talente: Das kann in einer SL-Mittelklasse im Wandel gut kommen, muss es aber nicht. Zwar setzt Besitzer LAFC auf einen sportlichen Neuanfang, grosse finanzielle Sprünge hat der Klub Sportchef Alain Sutter dafür aber nicht in Aussicht gestellt. Entsprechend unsicher präsentiert sich die aktuelle Lage beim Rekordmeister. Abermals Rang 11 kann nicht ausgeschlossen werden und jede Platzierung im einstelligen Bereich muss Stand heute als Erfolg gewertet werden.