Sorgt Jackson bei Chelsea für den Blues?
Heute Abend startet der FC Bayern München daheim in der Allianz-Arena gegen Chelsea in die neue Champions League-Saison. Viele Augen werden dabei auf den neuen Stürmer Nicolas Jackson gerichtet sein. Macht der «Notnagel» gar den Unterschied?
Was gab es in den letzten Wochen und Monaten doch für einen Rummel, als der FC Bayern München eine neue Offensivkraft suchte. Die Transfers von Florian Wirtz und Nick Woltemade wurden schon mehr oder weniger als fix angesehen, heute stürmen sie aber statt in München in der finanzkräftigeren Premier League. Weitere Namen wurden gehandelt, gekommen ist am Schluss einer, den man lange nicht auf der Rechnung gehabt hatte: der Senegalese Nicolas Jackson von Chelsea, der quasi in letzter Sekunde des Transferfensters nach einem langen Hin und Her mit dem Klub aus London ausgeliehen wurde – eine Kaufpflicht in Höhe von 65 Millionen Euro inklusive, wenn er in dieser Saison auf 40 Startelf-Einsätze kommt, was allerdings utopisch ist.
Diskretes Debüt
Am vergangenen Wochenende hat der 24-Jährige gegen den HSV sein 45-minütiges Bayern-Debüt gegeben, blieb beim 5:0-Kantersieg gegen den Aufsteiger allerdings diskret, was nach nur zwei gemeinsamen Trainingseinheiten mit seinen neuen Kollegen allerdings auch verständlich ist. Am Ende standen in Jacksons persönlicher Bilanz: ein Torschuss, eine Torschussvorlage, 26 Ballkontakte, 18 Pässe, von denen 17 ankamen, ein Dribbling, drei verlorene Zweikämpfe.
«Jacko hatte nach den Länderspielen mit dem Senegal nur eine sehr kurze Zeit, sich einzugewöhnen. Schön, dass er die Möglichkeit hatte, über eine Halbzeit die Luft in der Allianz Arena und die Mannschaft zu schnuppern», erklärte Sportchef Max Eberl nach der Premiere. «Er hatte ein, zwei Möglichkeiten, hätte sicher gerne ein Tor gemacht. Man merkt, dass es Zeit benötigt, bis er das adaptiert hat, wie wir Fussball spielen wollen. Ich glaube, das wird er sehr, sehr schnell lernen.»
Auch wenn es keine glanzvolle Premiere mit Pauken und Trompeten war, ist es möglich, dass der Mittelstürmer heute gegen seinen Ex-Klub wieder zum Einsatz kommt, wohl eher als Joker, vielleicht aber gar von Anfang an. Und dies, auch wenn der Bayern-Sturm in der Bundesliga bislang teilweise wie ein Orkan über die gegnerischen Defensiven hinwegfegte und in drei Spielen satte 14 Treffer erzielte. Die Torschützen dabei: Harry Kane (5), Luis Diaz und Michael Olise (je 3), Serge Gnabry (2) und Aleksandar Pavlovic (1). Denn Jackson ist der Stürmertyp, den die Bayern gesucht haben: gross, wuchtig, stämmig, Typ Brecher. «Er kreiert viele Chancen, kommt auch selbst zu einigen Möglichkeiten. Und er ist hier, um dem Team zu helfen», sagte Harry Kane nach dem Jackson-Debüt. «Ich habe das Gefühl, dass er grossen Einfluss auf unser Spiel haben kann – mit seinem Tempo, den Bewegungen und seinen Toren.»
81 Spiele und 30 Tore für Chelsea
Zudem ist der Champions League-Auftakt mit dem Duell gegen seinen Ex-Klub Chelsea für den Senegalesen natürlich speziell. Zwei Jahre hat er für Chelsea gespielt und in 81 Pflichtspielen 30 Tore geschossen. Dennoch wurde er als zu wenig effizient eingestuft und bisweilen gar als «Chancentod» bezeichnet. Was er nun natürlich liebend gerne widerlegen würde, auch wenn es klar ist, dass er noch Zeit braucht, um sich bei den Bayern zu integrieren und das System von Trainer Vincent Kompany zu verinnerlichen.
Bei den Bayern lebt jedenfalls die Hoffnung, dass der neue Stürmer die sowieso schon starke Offensive noch unberechenbarer macht und dass er mit seiner Athletik und Schnelligkeit zusätzliche Dynamik ins Spiel bringt und Lücken aufreisst. Zudem verfügt der Senegalese über Stärken im Pressing, das im Kompany-System wichtig ist.
Die Bayern gehören zu den Anwärtern auf den Triumph in der Champions League, entsprechend wichtig respektive beruhigend wäre es, nach dem gelungenen Saisonbeginn in der Bundesliga auch in der Königsklasse gut aus den Startlöchern zu kommen. Trainer Kompany sagt über die Liga-Phase: «Wenn wir sechs Spiele gewinnen, sind wir unter den besten Acht. Vier Siege reichen für die Play-offs. Diese Phase ist sehr interessant. Es gibt viel Drama im neuen Format, ich denke, den Fans gefällt das. Was weiterhin schwierig ist: Jede Mannschaft hat andere Gegner. Unser Weg ist hart mit Chelsea, Arsenal und PSG, aber wir wollen unter die besten Acht.»
Bock auf die Königsklasse
Im Endeffekt ist das Überstehen der Liga-Phase aber nur eine Etappe für das Team von Vincent Kompany, entsprechend ist Chelsea nicht mehr als nur ein erster, wenn auch wichtiger, Schritt auf dem Weg an die Spitze. Der Cheftrainer sagt: «Wir wollen die Champions League gewinnen. Das ganze Team hat 100 Prozent Bock auf diesen Wettbewerb.» Natürlich müsse sich seine Mannschaft nur erstmal auf die Blues konzentrieren, doch «der Traum bleibt» im Hinterkopf.
Chelsea ist aber eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Die Bayern führen im Direktvergleich mit dem amtierenden Klub-Weltmeister zwar mit 4:2 Siegen und haben die letzten beiden Partien mit 4:1 respektive 3:0 klar gewonnen. Doch das war in der Saison 2019/20 im Achtelfinal der Königsklasse und liegt damit gefühlte Lichtjahre zurück. Und in der laufenden Saison ist der amtierende Klub-Weltmeister aus London wie die Bayern noch ungeschlagen. Nach einem torlosen Remis gegen Crystal Palace zum Auftakt siegten die Blues gegen West Ham United (5:1) und Fulham (2:0), spielten gegen Brentford 2:2 und liegen mit acht Punkten nach vier Spieltagen auf Rang 5.» Das sorgt bei den Bayern natürlich für Respekt, aber nicht mehr. «Wir haben uns das Momentum erarbeitet. Wir haben alle To-Dos erfüllt. Wir freuen uns auf eine Champions League-Nacht in der Allianz-Arena. Das ist immer besonders», sagt Coach Kompany. Und der neue Stürmer Nicolas Jackson? Der hält den Ball tief: «Es ist natürlich etwas Besonderes, meine Freunde gleich wiederzusehen. Ich freue mich sehr.» Gut möglich, dass er diese Worte bewusst defensiv gehalten hat – und das schlagkräftige Statement heute Abend auf dem Platz folgen lassen will. Jackson-Tore und ein Bayern-Sieg könnten bei Chelsea definitiv für Blues-Stimmung sorgen…