St. Gallen: Torschützen gesucht!
Der FC St. Gallen hat eine enttäuschende erste Saison unter Coach Enrico Maassen hinter sich, Anspruch und Wirklichkeit lagen auseinander. Nun ist in der Ostschweiz eine Reaktion gefragt.
Der Start in eine neue Ära nach den Trennungen von Sportchef Alain Sutter und Trainer Peter Zeidler war für den neuen Sportverantwortlichen Roger Stilz und den neuen Cheftrainer Enrico Maassen nicht einfach, schliesslich hatten Sutter und Zeidler in den Vorjahren sehr solide Arbeit verrichtet und waren die Ansprüche entsprechend hoch. Ein Platz in der Championship Group war so etwas wie das Minimalziel, dazu kamen Ambitionen im Cup, nachdem die St. Galler in den Jahren 2021 und 2022 im Final gestanden waren und dort gegen Luzern respektive Lugano den Coup verpasst hatten.
Doch statt eines Gipfelsturms folgte der Absturz: Im Achtelfinal verlor der FCSG gegen den Challenge-Ligisten Bellinzona mit 0:1. Es war eine Blamage, zumal die Ostschweizer als einziger Achtelfinalist an einem Unterklassigen scheiterten und der Gegner zuvor zehn Wochen sieglos geblieben war.
Auch in der Meisterschaft kamen die St. Galler nicht richtig auf Touren. Sie spielten zwar zu Beginn ganz vorne mit, turnten dann aber am Strich herum und verpassten mit Rang 7 – punktgleich hinter Lausanne und vor dem FCZ – die Championship Group und das internationale Geschäft. Am Ende der fünf Spiele in der Relegation Group stand dann der enttäuschende achte Platz.
Zwischenzeitlich forderte Erich Vogel (86), die nimmermüde graue Eminenz im Schweizer Fussball, die Entlassung von Übungsleiter Maassen, doch Präsident Matthias Hüppi und Sportchef Roger Stolz behielten die Nerven – und der Trainer seinen Job. Maassen selber ging mit der Kritik ruhig und souverän um und sagte: «Meinungen gehören dazu, das ist ein Stück weit auch Unterhaltung. Ich selbst würde so etwas nie öffentlich von mir geben.»
Was macht Geubbels?
Klar ist, dass in St. Gallen in der neuen Saison eine Reaktion gefordert ist. Auch wenn es bis anhin an der Transferfront ziemlich ruhig geblieben ist. Vieles hängt nun von Willem Geubbels ab. Der französische Stürmer war letzte Saison mit 14 Meisterschaftstreffern der klar beste Torschütze im Team und hat international Begehrlichkeiten geweckt. Sein Marktwert wird auf rund zehn Millionen Euro geschätzt, ein Verkauf wäre für St. Gallen ein lukratives Geschäft. Wohl auch deshalb wurde Geubbels, dessen Vertrag bis 2027 läuft, zuletzt in den Testspielen geschont – eine Verletzung könnte ja die Verkaufspläne und wichtigen Einnahmen zunichte machen.
Sollte der Franzose die Ostschweiz verlassen, müsste Ersatz her, damit die Offensive mehr als nur ein laues Lüftchen ist. Jean-Pierre Nsamé, Chadrac Akolo und Felix Mambimbi beispielsweise haben den Klub verlassen, Lukas Daschner wurde zwar nach seinem Leihgeschäft mit Bochum fix verpflichtet, verletzte sich dann aber im Training am Knie und fällt nun mehrere Monate aus. Eine Hiobsbotschaft! Zumal auch Wirbelwind Chritian Witzig nach einer Schulteroperation noch nicht wieder einsatzbereit ist.
Die sportliche Führung wird an der Transferfront offensiv in Erscheinung treten, sobald ein Verkauf von Geubbels die Kriegskasse gefüllt hat. Denn dass der FCSG sich noch verstärken muss, um in der Liga vorne mitzuspielen, ist klar. Man darf gespannt sein, ob mit den dann höheren finanziellen Mitteln nochmals versucht wird, Matteo Di Giusto aus Winterthur wegzulotsen. Ein anderer Name, der immer wieder gerüchtehalber gehandelt wird, ist Steffen Tigges vom 1. FC Köln. Offensive Duftmarken könnte aber auch der 20-jährige Enoch Owusu setzen, den die St. Galler nach dem Leihgeschäft nun fest von Inter Mailand übernommen haben. In der U21 zeigte er im Frühling seine Qualitäten als Rechtsaussen und erzielte auch drei Treffer. Doch ein abgezockter Mittelstürmer, der für Tore am Laufmeter sorgt, ist er nicht.
Prognose
Es dürfte keine einfache Saison werden für den FC St. Gallen, egal, welche Spieler bis zum Ende des Transferfensters noch den Weg in die Ostschweiz finden werden. Im Tor ist Zigi eine fixe Grösse. Auf seine Künste wird Trainer Enrico Maassen ebenso angewiesen sein wie auf Captain Lukas Görtler, den Aggressivleader im Team, der zuletzt aber mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Und dann steht und fällt vieles mit den neuen Gesichtern, die noch kommen sollen. Vor allem in der Offensive. So ist es wahrscheinlich, dass die St. Galler auch in der neuen Saison wieder am Strich herumturnen. Und dann darf man gespannt sein, ob die Führung wieder Ruhe bewahrt oder die Forderung von Erich Vogel mit Verspätung doch noch erfüllt wird. Denn schon nach der Cup-Blamage gegen Bellinzona hatte Trainer Maasen gesagt: «Unser grösstes Thema ist ganz klar die mangelnde Chancenverwertung.» Und da ist noch keine Besserung in Sicht.