St. Gallen vor der neuen Saison: Neustart und ein Duo im Fokus
Der FC St. Gallen? Das waren bis vor einem halben Jahr Präsident Matthias Hüppi, Sportchef Alain Sutter und Trainer Peter Zeidler. Nun sind die beiden Posten im operativen Bereich neu besetzt und die Fussball-Schweiz fragt sich: Geht der Weg für die Ostschweizer trotzdem weiter nach oben?
Höhenflug ohne Krönung
Vize-Meister (2020), zweimaliger Cupfinalist (2021 und 2022) und einen Zuschauerschnitt von mittlerweile 17'750 Fans: Es ist keine Übertreibung, die vergangenen sechs Spielzeiten als die erfolgreichste Periode in der Klubgeschichte des FC St. Gallen zu bezeichnen. Eines Klubs mit 145-jähriger Tradition, aber auch zahlreichen Krisen sportlicher oder finanzieller Herkunft. Von diesen war der älteste Fussballklub des europäischen Festlands zuletzt so weit entfernt wie nie in den vergangenen fünf Jahrzehnten, was zu einem grossen Teil mit dem Trio Hüppi, Sutter und Zeidler zusammenhängt. Die Drei kamen zwischen Ende 2017 und Mitte 2018 innerhalb von sechs Monaten an Bord, schärften das Profil des Klubs nachhaltig und trieben die Identifikation mit dem Klub auf ein Allzeithoch. Einziger Wehrmutstropfen war das Verpassen eines Titels. Nun sollen sich zwei neue Gesichter an Hüppis Seite daran versuchen, sich diesem Ziel weiter anzunähern.
Von grossen Fussstapfen und neuen Gefilden
Da wäre zum einen Roger Stilz (47), im Januar aus dem Nichts zum Nachfolger von Alain Sutter berufen, nachdem unterschiedliche Auffassungen über die künftige sportliche und strukturelle Ausrichtung des Vereins zur überraschenden Trennung mit dem Altinternationalen führten. Stilz ist gebürtiger St. Galler, in der Schweiz aber dennoch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Als Spieler überwiegend in unteren Ligen in der Schweiz und in Deutschland tätig, stieg er 2013 als Co-Trainer beim Hamburger SV in den Profi-Fussball ein, gefolgt von einem kurzen Intermezzo beim 1. FC Nürnberg sowie viereinhalb Jahren als Nachwuchschef beim FC St. Pauli. Zuletzt amtete Stilz ab Dez. 2021 als Geschäftsführer Sport bei Jahn Regensburg, ehe er nach zehn Monaten aus persönliche Gründen zurücktrat. Ausgerechnet in seiner Heimat ist der ausgebildete Lehrer mit Masterabschluss in Germanistik und Geschichte nun also zum ersten Mal für die sportlichen Belange eines Erstligisten verantwortlich. Der ehemalige Mittelfeld-Akteur gilt als smarter, aufgeschlossener Sportchef mit guten Drähten nach Deutschland. Den Beweis auch erfolgreich wirken zu können, muss Stilz allerdings erst noch erbringen.
Stilz’ erste grosse Amtshandlung war die Verpflichtung von Zeidler-Nachfolger Enrico Maassen, der im vergangen Oktober bei Augsburg entlassen wurde. Ähnlich wie Stilz hatte auch der 40-Jährige nie ganz oben Fussball gespielt, weckte aber mit guter Arbeit bei der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund das Interesse mehrerer Bundesligisten. Bem FC Augsburg gelang ihm sein Debüt allerdings nicht nach Wunsch, nach Platz 15 in der Spielzeit 2022/2023 (mit 34 Punkten in 34 Spielen) wurde er nach sieben Spieltagen im vergangenen Herbst entlassen. In St. Gallen erhält Maassen nun eine neue Chance und der gebürtige Wismarer freut sich darauf, zum ersten Mal im Ausland tätig zu sein. Er werde versuchen, die offensiv-mutige DNA der Ostschweizer beizubehalten, erklärte der ehemalige Regionalligaspieler im Rahmen seiner Vorstellung in der Ostschweiz, für die er sich auch aufgrund der Stabilität im Klub entschied. «Mir ist es wichtig die Möglichkeit zu haben, künftig auch einmal um einen Titel oder die internationalen Plätze zu spielen», so Maassen weiter. Wenn ihm dies gelingt, dürfte er schon bald aus dem Schatten von Peter Zeidler treten können.
Neu in St. Gallen
Auf dem Transfermarkt hielten sich die Ostschweizer bislang zurück, was in Anbetracht der Veränderungen in der sportlichen Führung zumindest vordergründig einer gewissen Stabilität förderlich sein sollte. Geholt wurden mit Stephan Ambrosius (IV, HSV) und Konrad Faber (RV, Regensburg) zwei Defensivakteure, welche über hinreichend Erfahrung verfügen, auch wenn Ambrosius in Hamburg in den letzten beiden Jahren nicht zum Stammpersonal gehörte. Aus dem eigenen Nachwuchs wurde zudem der erst 18-jährige Corsin Konietzke (DM) in den Kader der ersten Mannschaft befördert.
Hoffnungsträger
Der FC St. Gallen verfügt auch in der Saison 2024/2025 wieder über einen erfahrenen, eingespielten und Super-League-erprobten Stamm rund um Captain Lukas Görtler, Torhüter Lawrence Ati Zigi, und die beiden Mittelfeld-Akteure Jordi Quintilla und Christian Witzig. Darüber hinaus kann Grün-Weiss auch auf ein torgefährliches Duo im Angriff zählen, dass in der Besetzung Chadrac Akolo (12 Tore) und Willem Geubbels (acht Tore) in der vergangenen Spielzeit immerhin 20 Mal traf. Zudem blieb den Ostschweizern hinten links auch Defensiv-Wirbler Isaac Schmidt treu, während sein Pendant auf der rechten Seite den Klub verliess. Inter-Leihspieler Mattia Zanotti verteidigt neu auf Leihbasis für den FC Lugano.
Prognose
St. Gallen steht vor einer wegweisenden Spielzeit. Es gilt die gemachten Fortschritte der letzten Jahr zu bestätigen und dabei auch gleich sich selbst (sowie dem Rest der Liga) zu beweisen, dass es auch ohne die Personalien Sutter und Zeidler funktioniert. Auf dem Papier verfügen die Ostschweizer über einen bewährten Kader, der mit neuen Impulsen möglicherweise sogar dazu in der Lage ist, sich noch einmal weiterzuentwickeln. Dumm nur, dass die Konkurrenz an der Ligaspitze (YB, Servette, Lugano) kaum einbrechen dürfte und auch der FC Basel wieder eine bessere Figur abgeben wird. Somit bleibt dem FCSG vermutlich nur der Kampf am Strich, gemeinsam mit den Leidgenossen aus Zürich, Lausanne und Luzern sowie möglicherweise einem weiteren Überraschungsteam.