Taktgeber Xhaka: Ruhiger, erfahrener – und noch wertvoller
Granit Xhaka ist ein Spieler, der polarisiert. Für die Schweizer Nati ist er neben Goalie Yann Sommer der wichtigste Einzelspieler. Morgen Abend im entscheidenden Spiel gegen Serbien (auf Sky Sport mit SRF zwei) steht der Captain besonders im Fokus.
Ja, dieser Mann beweist Stärke und Rückgrat. Es ist noch nicht lange her, da war Granit Xhaka bei den Fans von Premier-Ligist Arsenal untendurch. Ende Oktober 2019 wurde Xhaka gegen Crystal Palace vom damaligen Arsenal-Trainer Unai Emery ausgewechselt. Die Fans pfiffen den Schweizer aus. Es war zuviel für ihn, Xhaka warf seine Captain-Binde auf den Boden und schrie «Fuck you!» zu den Arsenal-Fans. Emery entmachtete ihn als Captain, in den sozialen Medien gab es Todesdrohungen gegen Xhakas Familie. Das Tischtuch schien zerschnitten, ein Transfer nur noch eine Formsache, eine Frage der Zeit zu sein.
Jetzt, gut drei Jahre später, ist alles anders. Ende September wählten die Arsenal-Fans Xhaka zum Spieler des Monats – mit 83 Prozent der Stimmen. Vor knapp zwei Monaten titelte der «Daily Telegraph»: «From zero to hero – der ‘neue’ Granit Xhaka blüht unter Mikel Arteta bei Arsenal auf». Der Schweizer Nati-Captain hat sich auf eindrückliche Art und Weise zurückgekämpft, ist ein Leistungsträger beim Leader der Premier League. Und er steht wieder hoch in der Gunst der Fans. Beim 3:1-Sieg Anfang Oktober gegen Tottenham bereitete Xhaka das 2:1 von Gabriel Jesus vor, danach putzte ihm der Brasilianer symbolisch den linken Schuh. Für das 3:1 war Xhaka selber besorgt, er wurde als «Man of the Match» gekürt. Die Anhänger der Gunners widmeten dem Basler ihren Song «Glad all over» (rundum froh): «Wir sind rundum froh, haben wir Granit Xhaka!» Der Turnaround, die Versöhnung, denn es ist noch nicht lange her, da hatte Xhaka seine Beziehung zu den Arsenal-Fans so beschrieben: «Ich denke nicht, dass wir je beste Freunde werden.»
An Granit Xhaka scheiden sich bisweilen die Geister. Sein ausgeprägtes Selbstvertrauen wird ihm teilweise als Arroganz ausgelegt, dazu kommt, dass er in der Vergangenheit immer mal wieder als Hitzkopf in Erscheinung trat oder übermässig aggressiv zu Werke ging. Bei Arsenal wurde er in 270 Spielen fünfmal des Feldes verwiesen, zuvor bei Borussia Mönchengladbach sah er in 140 Matches fünfmal Gelb-Rot und einmal Rot. «Es ist nicht so, dass ich das plane. Da war keine Absicht dabei», erklärte Xhaka zu Beginn dieses Jahres, als er im Cup gegen Liverpool als letzter Mann versuchte, einen hohen Ball zu klären, dabei seinen Gegenspieler Diogo Jota traf und vom Platz flog, gegenüber «Sky Sports». Natürlich seien solche Tacklings mit Risiken verbunden. «So bin ich nun mal, ich kann mich nicht von heute auf morgen ändern.» Nach dem Spiel seien alle schlauer als im Moment: «Natürlich, wenn ich es jetzt im Nachhinein sehe und sage: ‹Muss ich in den Zweikampf gehen oder nicht?› Nein.»
Irgendwie scheinen dies nun aber Tempi Passati zu sein. Xhaka wirkt ruhiger, was vor dem emotionalen Spiel gegen Serbien und der Vorgeschichte rund um dieses Duell wertvoll ist. «Ich bin dreissig, ich bin erfahrener geworden, etwas ruhiger. Vielleicht schon auch durch meine Kinder. Wobei – die sind ja jetzt nicht hier, da müssen mich die anderen Spieler etwas beruhigen», sagte er diese Woche in Katar lachend, um dann anzufügen: «Im Ernst – ich bin so, wie ich bin. Etwas ruhiger geworden, ja. Aber ich habe natürlich meine andere Seite immer noch in mir drin.»
Für die Schweiz ist der Captain enorm wertvoll, wohl wertvoller denn je. Der Leader, der Anführer, der Taktgeber, der Spiritus Rector. Auch morgen gegen Serbien ist Xhaka gefordert. Und will dabei die Ereignisse vom Duell 2018, als die Schweiz gewann und die Weichen fürs Weiterkommen legte, ausblenden: «Wir sind die Schweiz, sie sind Serbien. Das ist es. Nicht mehr, nicht weniger. Lasst uns auf den Platz gehen – und der Bessere soll gewinnen.» Fürs Weiterkommen sei im Minimum eine Defensivleistung wie gegen Brasilien nötig, «wir müssen sehr kompakt stehen und dann glaube ich schon, dass wir gegen die Serben ein paar Gelegenheiten gegen vorne bekommen werden».