Urs Fischer: Mit Kleinigkeiten die grosse Herausforderung anpacken
Nach zwei Jahren ist der Zürcher Urs Fischer (59) zurück in der Bundesliga und im Rampenlicht. Er hat beim 1. FSV Mainz 05 einen Vertrag bis im Sommer 2028 unterschrieben und verfolgt die schwierige Aufgabe, den Tabellenletzten zum Ligaerhalt zu führen.
Fischer hat in seiner Trainerkarriere bewiesen, was er kann, sei das nun bei seinem Stammklub FC Zürich, beim FC Thun, den er in die Europa League brachte, beim FC Basel, mit dem er zweimal Meister und einmal Cupsieger wurde oder zuletzt bei Union Berlin, wo er den Aufstieg in die Bundesliga schaffte und den Klub nach dem Ligaerhalt in den Folgejahren in die Conference League, die Europa League und die Champions League führte. 2023 wurde Urs Fischer in der Bundesliga als Trainer des Jahres ausgezeichnet, in seinen über fünf Jahren in Köpenick erarbeitete er sich Kultstatus. «Ich kann Mainz nur beglückwünschen, weil Urs Fischer ein unfassbar guter Trainer ist. Wenn man sich auf ihn einlässt, macht er jeden Spieler besser», erklärte nun Union-Vizecaptain Rani Khedira (31): «Nun ist er ein direkter Konkurrent, daher schauen wir auf uns. Aber ich wünsche ihm alles Gute.»
Das wird der Schweizer, der seit dem Abgang in Berlin Mitte 2023 ohne Verein war, auch brauchen. Denn die Herausforderung, sein neues Team zum Ligaerhalt zu führen, ist gross. In den 13 Saisonspielen unter Bo Henriksen eroberten die Mainzer lediglich sechs Punkte. Der Rückstand auf den rettenden 15. Platz beträgt sechs Zähler, die Qualität im Team scheint überschaubar zu sein, zumal mit Jonathan Burkhardt der mit 18 Treffern beste Torschütze der vergangenen Saison für 21 Millionen Euro nach Frankfurt verkauft wurde.
Doch Fischer mit seiner Ruhe und Gelassenheit könnte definitiv der Mann sein, den es in Mainz jetzt braucht. «Ich habe immer gesagt: bei mir muss ein Gefühl entstehen. Dass mich eine Aufgabe reizt. Das ist jetzt der Fall», erklärte Fischer bei seiner Vorstellung in Mainz, wo er mit seinem langjährigen Co-Trainer Markus Hoffmann, mit dem er schon in Basel und Berlin ein erfolgreiches Duo gebildet hat.
«Einfache Situationen gibt es im Fussball nicht. Ein Trainerwechsel passiert meistens, wenn es nicht so gut läuft, während einer Spielzeit. Man muss die Situation also annehmen. Mir ist immer wichtig, dass ein Gefühl entsteht, dass mich eine Aufgabe reizt. Das habe ich in den Gesprächen auch mitgeteilt.» Sportvorstand Christian Heidel und Sportdirektor Niko Bungert hätten ihn überzeugen können, dass er die passende Personalie in dieser nicht einfachen Situation sei.
Die Negativspirale stoppen
Fischer ist bewusst, dass er in einer heissen Phase ins Trainerbusiness zurückkehrt. Mainz vor dem Abstieg zu retten, ist schwieriger, als es die Aufgabe war, den FCB zu den Meistertitel 2016 und 2017 zu führen, als der Vorsprung am Ende 14 respektive 19 Punkte betrug. Bei Union Berlin begann dann mit dem Aufstieg eine Euphorie, während sich die Mainzer nun in einer Negativspirale befinden, die so schnell wie möglich gestoppt werden muss. Fischer selber hält den Ball flach und sagt: «Der Grossteil des Kaders wurde in der letzten Saison Sechster und war lange im Kampf um die Champions League-Plätze dabei. Sie können ja nicht das Fussballspielen verlernt haben. Es hat mit den Ergebnissen zu tun und mit der Situation zu tun, dass es gerade nicht so einfach ist.» Umso mehr erwarte er gerade von den erfahrenen Spielern, dass sie vorangehen.
«Es ist Abstiegskampf. Wenn man sechs Punkte hinter dem Nichtabstiegsplatz liegt, muss man erstmal aufholen. Es sind noch 21 Spiele und viele Punkte zu verteilen. In Mainz kennt man diese Situation und hat sie überstanden. Aber das ist keine Garantie, dass es auch diesmal gut geht. Wir müssen wach bleiben, auf uns schauen und vor allem unsere Aufgaben erledigen», erklärte nun Fischer bei seinem ersten Auftritt vor den Medien. Er habe einen guten Eindruck von den Jungs, auch am Freitag schon, als er das Spiel gegen Mönchengladbach am Fernseher verfolgt habe. «Die Mannschaft hat alles versucht, dass nicht alles funktioniert, ist auch der Situation geschuldet. Ein Punkt wäre verdient gewesen für den Aufwand, den sie betrieben hat.» Auch im Training seien nun alle bei der Sache gewesen und hätten versucht, die vorgegebenen Dinge umzusetzen. «Natürlich klappt nicht alles, aber das muss man akzeptieren. Wir wissen, dass wir uns in einer schwierigen Situation befinden. Trotzdem gilt es, immer weiterzumachen, auch wenn mal etwas misslingt.»
Fischer geht an seinem neuen Wirkungsort behutsam vor und will nicht alles sofort auf den Kopf stellen, zumal er mit seinem Team in dieser Woche am Donnerstag in der Conference League auf Lech Posen trifft und am Sonntag in der Bundesliga in München gegen die überragenden Bayern antreten muss, gegen die er in seiner Trainerkarriere in zehn Duellen noch nie gewann, aber immerhin dreimal ein Remis erreichte. «Ich will die Spieler nicht überladen mit Informationen. Wir beginnen bei Kleinigkeiten. Ich will erstmal nicht allzu viel verändern und werde jetzt sicherlich nicht auf eine Viererkette umstellen. Die Jungs brauchen etwas, an dem sie sich festhalten können. Um ein System umzustellen, braucht man eine gewisse Zeit.»