Verkehrte Welt in Zürich: Bei wem sorgt das Derby für einen Stimmungsumschwung?
Heute Abend steigt das erste Stadtzürcher-Derby zwischen GC und dem FC Zürich in dieser Saison. Es ist die 291. Austragung des Duells zwischen den beiden Erzrivalen und wohl noch selten war die Gefühlslage vor der Partie so diffus, wie vor der heutigen Partie.
Es fühlt sich nicht richtig an
Auf dem Papier ist die Ausgangslage so, wie zuletzt fast immer. Da der FC Zürich, Tabellenvierter der Super League und zuletzt Sieger von vier der letzten fünf Derbies. Dort der Grasshopper Club Zürich, Tabellenneunter der Super League und zuletzt im Januar 2024 Sieger eines Duells mit dem Stadtrivalen. Und doch erhielt man in den letzten Wochen beim Durchforsten des Schweizer Blätterwalds durchaus das Gefühl, es sei der FCZ, der aktuell wieder einmal im unteren Tabellenviertel festsitze. Dabei gilt es festzuhalten: Gänzlich aus der Luft gegriffen waren die nur selten positiven Schlagzeilen zum Stadtklub nicht. Zu wacklig waren die Zürcher mit Ausnahme des überzeugenden Auftritts gegen St. Gallen unterwegs, scheiterten im Cup bei Challengeligist Stade Nyonnais und sammelten aus den letzten fünf Meisterschaftsspielen dennoch irgendwie zwölf Punkte. Wahrscheinlich ist der FC Zürich aktuell genau deshalb das Mitglied der SL-Spitzengruppe, bei dem nur ein Lebensmüder sein Geld auf einen ebenso starken wie erfolgreichen Auftritt setzen würde. Viel eher droht in jedem Moment der nächste Rückschlag – zumindest gefühlt.
Wann stirbt die Hoffnung?
Auf der anderen Seite der Grasshopper Club. Für einmal nicht nur geographisch, sondern auch, was die Gefühlslage beim Rekordmeister anbelangt. Denn der fühlt sich in seiner selbstauferlegten Rolle als Aussenseiter mit Mini-Budget wohl, erfreut sich an jedem Punkt und jedem Fortschritt, den Trainer Gerald Scheiblehner mit seiner zugegebenermassen jungen Mannschaft erspielen kann. Der Österreicher sprach vergangene Woche nach der Niederlage gegen Lugano (1:2) gar davon, dass seine Mannschaft bald nichts mehr stoppen könne. Eine durchaus gewagte Prognose angesichts der Tatsache, dass GC trotz teilweise kecken Auftritten von bislang sieben Partien genau eine gewinnen konnte. Es könnte also sein, dass sich der tabellarisch noch nicht reflektierende Aufschwung viel eher im Kopf der Hoppers abspielt, als tatsächlich auf dem Rasen. Ein gefühltes Hoch ohne solides Fundament quasi, insbesondere angesichts des heutigen Gegners.
Zwei Siege in vier Jahren
Denn im 17. Derby seit dem Wiederaufstieg im Mai 2021 wartet mit dem FCZ ein Widersacher auf GC, der in den letzten Jahren vor allem eine Sache mit beängstigender Regelmässigkeit hinkriegte: Die Hoppers im Derby zu schlagen. Allein in der letzten Saison siegte der Letzi-Klub vier Mal (inklusive Cup), in der Spielzeit davor in drei von vier Fällen und auch zwischen August 2021 und Juni 2023 hiess der Sieger in vier von acht Duellen Zürich (bei genau einem GC-Erfolg). Meist ohne dabei selbst wirklich zu überzeugen, aber dennoch mit der Fähigkeit, das Ding irgendwie nach Hause zu schaukeln. Und das ist einer Mannschaft, die mit Derby-Reizfigur Steven Zuber, Captain Yanick Brecher, den langjährigen Stützen Lindrit Kamberi und Bledian Krasniqi sowie den sich in guter Form befindenden Jahnoah Markelo und Cheveyo Tsawa bestückt ist, jederzeit wieder zuzutrauen. Es wäre das zumindest temporäre Ende der guten GC-Gefühle. Denn bekanntlich schmerzt nichts so sehr, wie ausgerechnet vom Stadtrivalen zurück auf den harten Boden der SL-Realität geholt zu werden.
Ein beidseitiger X-Faktor
Aber auch im Lager des FC Zürich ist die Bandbreite an Gefühlen gross, die heute Abend erwartet werden können. Da gibt es natürlich die Option des angestrebten Derby-Sieges, mit all den positiven Auswirkungen auf den Punktestand, die Tabellensituation und vor allem die Psyche der Mannschaft von Trainer Mitchell van der Gaag und deren Umfeld. Aber da gibt es halt auch die Möglichkeit, dass ein Luke Plange, ein Jonathan Asp Jensen oder ein Abdoulaye Diaby einen Konter oder Standard im Kasten von Schlussmann Brecher unterbringen und so den zuletzt gedämpften Zweifeln wieder Tür und Tor zur Rückkehr öffnen. Ob es so kommt? Heute Abend gegen 22:30 wissen wir mehr.