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Wäre eine Entlassung von Urs Fischer gerechtfertigt? Zwei Meinungen

Andy-Pat

Vom Aufsteiger und Champions League-Teilnehmer zum Dauerverlierer. In seiner fünften Saison als Trainer von Union Berlin erlebt Urs Fischer (57) gerade äusserst schwierige Wochen. Muss er bald um seinen Job bangen und wäre eine Entlassung gerechtfertigt? Unsere Redaktoren Patrick Y. Fischer und Andy Maschek sind sich nicht einig.

Fischer
Urs Fischer steckt mit Union Berlin in der Krise. © IMAGO / RHR-Foto

Patrick Y. Fischer sagt: Ja

Fussball ist ein Ergebnissport. Von den Erfolgen der Vergangenheit, lässt sich bereits morgen nichts mehr kaufen. Dessen ist sich auch Oliver Ruhnert (51), Sportchef beim inzwischen seit zwei Monaten sieglosen Bundesligisten Union Berlin, bewusst. Trotzdem stärkte er seinem Trainer Urs Fischer nach der jüngsten Bundesliga-Niederlage gegen den VfB Stuttgart den Rücken, fügte aber auch an: «Urs weiss um seine Verdienste für unseren Verein und um unsere Rückendeckung. Er sagt und weiss aber auch, dass wir Resultate brauchen».  

Genau diese fehlen dem Klub aus Berlin Köpenick seit geraumer Zeit. Bei neun Niederlagen am Stück ist der Bundesliga-Aufsteiger der letzten Jahre mittlerweile angekommen und beim 0:1 gegen den SSC Neapel zeigten sich erstmals auch öffentlich Risse im Verhältnis zwischen dem langjährigen Erfolgstrainer und einem Teil seiner (neuen) Spieler. Noch glaubt der Zürcher an die Trendwende, daran «Eisern Union» wieder in die Erfolgsspur zurückführen zu können, aber die Herausforderung wird mit jeder verpassten Chance grösser. Das nächste Spiel wird in der Tat zum Schwierigsten.

Das weiss auch Ruedi Zahner, ehemaliger Spieler, Trainer und Sportdirektor auf höchstem Schweizer Niveau. Auf seiner Website erklärt der heutige Mentor für Coaches und Führungspersönlichkeiten, dass ein Trainer seinen Job nach der sechsten Niederlage mit 99-prozentiger Sicherheit los ist. Warum ist das so? Weil seine Worte und Massnahmen mit jeder Niederlage an Wirkung verlieren und damit auch der Glaube innerhalb einer Mannschaft schwindet, gemeinsam noch eine Wende herbeiführen zu können. Frühere, gemeinsame Erfolge können diesen Prozess möglicherweise verlangsamen, ausser Kraft setzen können sie ihn jedoch nicht. Im Falle von Urs Fischer kommt erschwerend hinzu, dass Union just auf diese Saison hin einen Umbruch einleitete und zehn neue Spieler verpflichtete. Die alte, verschworene Einheit bröckelte also bereits im Sommer.

In den kommenden Spielen muss Urs Fischer deshalb zwingend Lösungen finden. Angefangen mit dem wegweisenden Duell bei Werder Bremen, einem Klub, der genauso schwach in die Saison gestartet ist, wie Fischer und die Berliner. Im Anschluss folgen bis zur Länderspielpause noch Partien gegen Stuttgart (Pokal), Frankfurt sowie in Neapel (CL) und Leverkusen. Mindestens zweimal sollte Union Berlin in diesen fünf Spielen Erfolgserlebnisse feiern. Klappt das nicht, könnte es bald keine Rolle mehr spielen, dass die Eisernen in den vergangenen fünf Jahren mit Urs Fischer völlig unerwartete Erfolge feiern durften. Denn auch in Berlin kann man sich von der Vergangenheit nicht ewig etwas kaufen.

 

Andy Maschek sagt: Nein

Es hätte einen gewissen Reiz, wenn Urs Fischer seinen Job bei Union Berlin verlieren würde. Dann wäre er frei für die Schweizer Nationalmannschaft, wenn man beim SFV zum Schluss kommen würde, nicht mit Murat Yakin in die Zukunft zu gehen, was nicht ausgeschlossen ist. Ja, Fischer wäre mir lieber bei der Nati als beispielsweise Lucien Favre, aber das ist ein anderes Thema. Denn so weit wird es nicht kommen.

Es ist beeindruckend, was Urs Fischer in den letzten Jahren geleistet hat. Zuerst in der Schweiz, dann in Deutschland. Mit seinem Wechsel im Sommer 2018 zu Union Berlin katapultierte sich der bodenständige Zürcher ins helle Rampenlicht und setzte mit dem Arbeiterklub aus dem Berliner Ortsteil Köpenick zu einem Höhenflug an, der bis in die Bundesliga und die Champions League führte und die Wahl zum Trainer des Jahres einbrachte.

Selbstverständlich, im Spitzenfussball entscheidet der Totomat, wie Sion-Präsident Christian Constantin immer wieder betont. Siegen oder fliegen – dieses Motto hat nicht nur im Wallis seine Gültigkeit. Und neun Niederlagen in Serie sind in der Tat ein Grund, um einen Trainer zu hinterfragen. Doch Union tut gut daran, nicht in Versuchung zu geraten und wegen einer kurzfristigen Misere ein erfolgreiches Projekt zu beenden. Es wäre Fischer gegenüber unfair und aus Vereinssicht töricht.

Dass mit Leonardo Bonucci und David Fofana zwei namhafte Spieler aufbegehren, weil sie in der Champions League gegen Napoli nicht oder nicht wie gewünscht zum Einsatz kamen, kann man als Alarmsignal ansehen. Für mich demonstriert Fischer eine Position der Stärke und zeigt, dass er keine Angst hat, auch grosse Namen auf der Bank schmoren zu lassen. Die Leistung zählt, die Füsse müssen auf dem Boden bleiben, die Ärmel zurückgekrempelt werden, es braucht harte und leidenschaftliche Arbeit – nur mit diesen Tugenden, die Fischer verkörpert, kann der Turnaround geschafft werden. Diese Arbeitermentalität liegt in der DNA des Klubs und des Trainers und kann nicht einfach so entfernt werden, auch wenn die Mannschaft im Sommer neu zusammengestellt wurde.

Urs Fischer muss die Zeit erhalten, sein Team zurück in die Spur zu bringen Und er wird diese Zeit bekommen. Sogar Fussballlegende Mario Basler, im Allgemeinen ein lautstarker Kritiker, ist überzeugt, dass die Eisernen an Fischer festhalten: «Sie haben die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt und bleiben völlig ruhig. Über den Trainer zu diskutieren, kommt bei Union überhaupt nicht infrage. Ich glaube, die würden notfalls auch mit ihm in die zweite Liga gehen. Das, was er und der Verein erreicht haben in den letzten Jahren, ist à la bonne heure.»

Aber klar, am besten wäre, wenn Fischer und sein Team am Samstag auswärts gegen das punktgleiche Bremen die Niederlagenserie beenden und ein Ausrufezeichen setzen würden.

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