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Wars das für Lara Gut-Behrami? Zwei Meinungen

Andy-Pat

Lara Gut-Behrami verpasst wegen einer schweren Knieverletzung den Ski-Winter 2025/26. Damit endet auch ihr Traum von finalen Olympischen Spielen unweit der Heimat und möglicherweise auch ihre Karriere. Oder soll die 34-Jährige Ausnahmeathletin versuchen, im nächsten Winter noch einmal zurückzukommen. Unsere Redaktoren Patrick Y. Fischer und Andy Maschek sind unterschiedlicher Meinung.

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Zurücktreten oder den beschwerlichen Weg zurück auf die Piste wagen? Lara Gut-Behrami steht vor einem schwierigen Entscheid. © KEYSTONE/APA/EXPA/JOHANN GRODER

Patrick Y. Fischer sagt: Der Zeitpunkt für den Rücktritt ist gekommen

Jetzt tue ich es also auch. Was habe ich mich jeweils geärgert, wenn Stimmen aus den Medien oder von sogenannten «Fans» unseren Sportlegenden öffentlich den Rücktritt nahelegten. Meist aus rein sportlichen Beweggründen, weil es einem Stan Wawrinka, einem Simon Ammann oder gar einem Roger Federer nicht mehr gelang, den Erwartungen auf dauerhaften Erfolg, die sie selbst einst geschürt hatten, gerecht zu werden. Und nun also schliesse ich mich selbst dieser Gruppe an. Weil eine Fortsetzung ihrer aussergewöhnlichen Karriere im Fall von Lara Gut-Behrami für mich einfach keinen Sinn ergibt.

Da wäre zum einen der sportliche Aspekt. Olympia, WM, Gesamt-Weltcup und Disziplinen-Wertungen – Lara Gut-Behrami hat in ihrer Karriere alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Noch im vergangenen Jahr gewann sie die kleine Kristallkugel im Super-G, im Jahr davor gar den Gesamt-Weltcup und noch immer ist die Tessinerin in der Lage, jedes Rennen zu gewinnen, an dem sie auch am Start steht. Und ich kann verstehen, dass es möglicherweise genau dieser Aspekt ist, der das abrupte Ende ihrer Olympiasaison so bitter macht. Aber: Soll die 48-fache Weltcupsiegerin deshalb solange weitermachen, bis sie eines Tages nicht mehr mit den Besten mithalten kann? Eben.

Eigentlich ist es doch sogar dieser Punkt, der die Frage in den Raum stellt: Warum genau soll Lara Gut-Behrami im nächsten Winter noch einmal zurückkommen, sich noch einmal im Rahmen monatelanger Reha-Sessionen auf ein letztes Comeback vorbereiten? Denn nüchtern betrachtet muss man ganz klar festhalten: Rein sportlich kann Lara Gut-Behrami nichts mehr gewinnen. Natürlich, die Freude am Sport, am Wettkampf, am Leben im Ski-Skizirkus können gute Gründe dafür sein, noch einmal für einen Winter (oder mehr?) zurückzukommen. Allerdings muss man auch ganz klar sagen: In einem Sport wie dem Skisport fährt das Unfallrisiko immer mit.

Und genau dieser Aspekt spielt für mich in der Kombination mit fehlendem sportlichen Anreiz eine entscheidende Rolle. Insbesondere für Gut-Behrami, die in ihrer Karriere mit dem Verzicht einer Präsenz in den sozialen Meiden schon vor Jahren kommerzielles Potential gegen ein möglichst normales, «privates» Leben eingetauscht hat.

Es ist bekannt, dass die 34-Jährige in absehbarer Zeit mit ihrem Mann Valon Behrami eine Familie gründen möchte. Zudem hat das Paar aufgrund der beruflichen Tätigkeit von Valon (Technical Director beim englischen Zweitligisten FC Watford) seinen Lebensmittelpunkt zuletzt teilweise nach London verschoben. All das ist mit einer Skisport-Karriere auf höchstem Niveau nicht wirklich vereinbar und muss es auch nicht sein. Lara Gut-Behrami hat in ihrer Karriere genug geleistet, um mit einem völlig reinen Gewissen den nächsten Lebensabschnitt angehen zu können. Ich bin mir sicher, dass dieser Entschluss in den kommenden Wochen auch in der ehrgeizigen Tessinerin reifen wird. Dann, wenn sie den Schmerz über das vorzeitige, verletzungsbedingte Verpassen ihres letzten Karriere-Highlights, verarbeitet hat.

Andy Maschek sagt: Lara soll es nochmals versuchen

48 Weltcupsiege stehen im Palmarès von Lara Gut-Behrami. Damit belegt sie in der ewigen Bestenliste der Ski-Frauen Rang 5, unmittelbar hinter Vreni Schneider, die mit 55 Triumphen die beste Schweizerin ist. Und mit einem respektablen Abstand auf Mikaela Shiffrin (103), Lindsey Vonn (82) und Annemarie-Moser-Pröll (62). Das Podest liegt in diesem Ranking nicht mehr im Bereich des Möglichen, so realistisch muss man sein. Aber an einem Grossanlass kann die Tessinerin nach wie vor Edelmetall gewinnen, auch Gold, und zwar in mehreren Disziplinen – von ihrer Spezialität Super-G über den Riesenslalom bis hin zur Abfahrt.

Der Plan war klar: Lara Gut-Behrami wollte noch diese eine Saison bestreiten. An den Olympischen Spielen in Cortina d’Ampezzo nochmals auftrumpfen. Im Idealfall nochmals Gold gewinnen. So, wie sie es vor vier Jahren in Peking im Super-G getan hatte. Und dann in den skitechnischen Ruhestand gehen, das Leben fernab des Rampenlichts geniessen, eine Familie gründen.

Soll nun dieser fatale, kleine Fehler im Training in Übersee diese grosse Karriere beenden? Kann es sein, dass sie zum Rücktritt gezwungen wird? Ausgerechnet sie, die in den letzten Monaten, ja Jahren immer wieder davon gesprochen hat, dass es ihr erstes Ziel sei, gesund zu bleiben? Diese Lara Gut-Behrami, die vor einem Jahr auf den Riesenslalom in Sölden verzichtete, weil sie sich nicht 100 Prozent fit und nicht überzeugt fühlte? «Das Risiko ist zu hoch. Ich will nicht, dass eine Verletzung meine Karriere so beendet», erklärte sie damals. Und gewann danach die kleine Kristallkugel im Super-G, wurde Zweite im Gesamtweltcup, gewann im Teamwettkampf WM-Silber und glänzte beim Weltcupfinal in Sun Valley im Super-G mit einer Fabelzeit. Im Rennen der Männer, das auf dem identischen Kurs stattfand, wäre sie Zehnte geworden. Sie war nur eine halbe Sekunde langsamer als Marco Odermatt, aber schneller als Justin Murisier oder Loïc Meillard.

Man sagt, ein Kreuzbandriss sei wie eine Schwangerschaft, die Zwangspause dauere etwa neun Monate. Angesichts ihrer 34 Jahre wäre es mehr als verständlich, wenn Lara Gut-Behrami nun zurücktreten würde. Still und leise, zumal sie das Rampenlicht in den letzten Jahren wenn immer möglich sowieso mied. Doch die Tessinerin ist eine spezielle Athletin. Sie schaut auf sich selber, geht ihren Weg. Dank ihrer grossen Erfolge hat sie es auch nicht nötig, Dinge zu tun, die ihr widerstreben. Und beweisen muss sie längst nichts mehr. Aber sie hätte einen anderen Abgang verdient. Dass sie nicht zum Rücktritt gezwungen wird, sondern selber sagen kann: Nun ist es gut, das wars.

Und genau weil Lara Gut-Behrami Lara Gut-Behrami ist, hoffe ich und glaube ich daran, dass sie diese Herausforderung an- und den Weg zurück in Angriff nimmt. Zuversichtlich stimmt mich diesbezüglich ihre aktuelle Aussage: «Mein Ziel ist, mich vollständig zu erholen. Erst dann werde ich wissen, was die Zukunft bereithält.» Und dass sie erklärte, dass diese Verletzung «keine Tragödie sei. Deshalb sage ich: Machs noch einmal, Lara! Auch die Heim-WM 2027 in Crans-Montana wäre ein würdiger Schlusspunkt für diese wunderbare Karriere. Und nebenbei: In Crans hat sie schon mehrmals geglänzt, feierte Siege in der Abfahrt und im Super-G.

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