Exklusiv - Nico Hischier: "Wir dürfen nun nicht abheben"
Am 13. Oktober starten die New Jersey Devils gegen die Detroit Red Wings in die neue NHL-Saison. Captain Nico Hischier (24) spricht im Interview unter anderem über die Saisonvorbereitung, die geballte Swiss Power im Team, die Ziele – und das frustrierende Ende der letzten WM.
Sie stehen seit Jahren im Rampenlicht und geben unzählige Interviews. Welche Frage nervt Sie am meisten und können Sie nicht mehr hören?
Nico Hischier (lacht): Eine gute Frage – ich weiss es wirklich nicht, keine Ahnung. Wir haben ja in der Schule gelernt, dass es keine dummen Fragen gibt, sondern nur dumme Antworten.
Machen wir es einfach: Wie war es für Sie, nach dem Sommertraining die Schweiz zu verlassen und zurück in die USA zu reisen?
Am Anfang sind es immer gemischte Gefühle. Ich bin sehr gerne in der Schweiz und dann ist es nicht immer einfach, sich von allen zu verabschieden, nachdem man sich an alles hier gewöhnt hat. Innerlich besteht gleichzeitig aber auch eine Vorfreude auf die Rückkehr in die USA, den Saisonbeginn und dass man die Leute hier wieder sieht. Wenn man dann gelandet ist, die ersten Treffen mit dem Umfeld hier stattgefunden haben, überlegt man nicht mehr viel, sondern geniesst das Leben und die Arbeit in den USA. Ich kenne die Leute hier, lebe hier, man kann auf jeden Fall sagen, dass dies mein zweites Daheim ist.
Wo werden Sie eigentlich auf der Strasse eher erkannt und angesprochen: In den USA oder in der Schweiz?
Das ist schon ein wenig mehr in der Schweiz der Fall, aber das hängt davon ab, wo man ist. Hier in New Jersey und in New York geht es. New York ist eine riesige Stadt, da gibt es ganz andere Sportarten und Leute.
Sie haben aber auch einen Namen…
…ja, aber in New York gibt es Football, Basketball, Baseball, Schauspieler, Sänger und in diesem Vergleich ist der Stellenwert des Eishockeys nicht der grösste.
Das Sommertraining ist nicht bei allen Spielern beliebt. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Das ist auch bei mir so, das Sommertraining ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Aber jeder weiss, dass dies dazu gehört. Jede neue Saison beginnt mit dem Sommertraining, damit man für die kommenden Monate top vorbereitet ist. Mit meiner Trainingsgruppe in der Schweiz hatte ich eine coole Zeit, wir kennen einander, haben es gut zusammen, was die ganze Angelegenheit vereinfacht. Aber ich bin schon lieber auf dem Eis, diese Rückkehr geniesse ich natürlich speziell.
Wer gehörte denn zu Ihrer Trainingsgruppe?
Beispielsweise mein Bruder Luca, Michael Loosli, Yannick Rathgeb und JJ Moser, ab und zu war ich auch in Zürich und habe unter anderem mit Jonas Siegenthaler, Denis Malgin, Pius Suter oder Tim Berni trainiert.
Macht man Jahr für Jahr dasselbe oder gibt es nach jeder Saison wieder neue Rückschlüsse und Anpassungen?
Viele Dinge sind ähnlich oder gleich aufgebaut, aber dafür schaut mein Konditionstrainer Sam Boehringer. Er baut jeden Sommer wieder neue Elemente ein und sorgt für ein vielfältiges Training, was ich cool finde. Aber schlussendlich verfolgen wir nur ein Ziel: optimal auf die Saison vorbereitet zu sein.
Das Hockey entwickelt sich immer weiter, wird schneller, und der Körper muss diesen Anforderungen gerecht werden.
Das ist definitiv so. Und auch ich werde älter, heute sieht das Sommertraining ganz anders aus als in meinem ersten Jahr mit Sam, als ich 18 Jahre alt war und der Fokus vermehrt auch auf dem Kraftaufbau lag.
Sie sind seit drei Jahren Captain der New Jersey Devils. Sind Sie da im Vorfeld einer Saison speziell gefordert, beispielsweise beim Teambuilding oder der Integration neuer und junger Spieler?
Es gibt Aufgaben, die zum Amt des Captains gehören, auch in den von Ihnen angesprochenen Bereichen. Ich konnte mich aber schon ein paar Jahre damit beschäftigen, so dass es nicht mehr ganz neu ist. Zudem gab es vor der offiziellen Saison mit einigen Spielern erste gemeinsame Trainings ohne die Coaches, da lernt man sich auch kennen.
Im Kader stehen nun vier Schweizer, das ist sehr speziell…
Das hat es noch nie gegeben, ist speziell, sehen wir auch nicht als selbstverständlich an und geniessen es. Es tut gut, sich ab und zu in Schweizerdeutsch zu unterhalten, zudem kannten wir uns schon vorher.
Gibt es ab und zu Kommentare des Rests des Teams über die starke Schweizer Fraktion?
Nicht gross, denn wir sind ja hier, weil jeder von uns die Qualitäten einbringt, die für dieses Team gebraucht werden. In einem NHL-Team kommen die Spieler von überall zusammen, und das Ziel des GM ist es, das bestmögliche Team zu bilden, egal woher die Spieler stammen.
Die letzte Saison der Devils war mit der Playoff-Qualifikation und dem Überstehen der ersten Runde sehr erfolgreich. Wurden Sie vom Coach Lindy Ruff in die Saisonanalyse einbezogen oder war das gar nicht möglich, weil Sie schnell zur Schweizer Nati an die WM weiterzogen?
Das ist so, ich bin schnell abgereist und war in Europa. Aber unmittelbar nach der Saison bin ich schon mit dem Coach zusammengesessen, da haben wir miteinander über die Saison diskutiert. Das sind jedoch die normalen Jahresendmeetings, die jeder Spieler hat.
Die Devils sind ein junges und hungriges Team, was ist in der kommenden Saison möglich?
Für uns ist in erster Linie wichtig zu verstehen, dass wir eine gute Saison gehabt haben, aber dass es nun vielleicht noch schwieriger wird. Einige Teams werden sich den Respekt zurückerarbeiten, zudem gehören wir nun zu den Gejagten. Das erste Ziel kann nur sein, die Playoffs zu erreichen. Wir wollen da weitermachen, wo wir aufgehört haben und probieren, bis am Schluss dabei zu sein – so wie es bei allen der Fall ist.
New Jersey verfügt über eine geballte Swiss Power. Wie sehe Sie die Entwicklung von Jonas Siegenthaler und Akira Schmid?
Sehr gut! Mit «Siegi» habe ich schon früher zusammengespielt, und ich sah schon immer seine Qualitäten. Ich bin froh, konnte er sich hier durchsetzen und zeigen, was er kann. Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns, macht sein Ding und hat eine unglaubliche Entwicklung hinter sich. Er hat einen souveränen Job verrichtet und sich diesen Platz verdient. Er geniesst im Team grossen Respekt, weil er Dinge macht, die das Team braucht, die aber weniger für öffentliches Ansehen sorgen. Als Teamkollege schätzt man das sehr.
Akira Schmid?
Sein Weg war auch nicht ohne und zeugt von Charakter. Er hat im Sommer sicher sehr hart gearbeitet, um nun die Leistungen der letzten Saison zu bestätigen. Denn es ist ein hartes Business. Er wird sicher seine Chance bekommen, und ich gönne ihm dies sehr.
Timo Meier ist ein grosser Zuzug.
Er ist ein Spielertyp, den wir in New Jersey nicht hatten, ein Stürmer, den wir gebraucht haben. So ist es umso besser, dass er sich für uns entschieden und hier einen langfristigen Vertrag unterschrieben hat. Er wird uns mit seinen Qualitäten im Lineup ein Loch füllen.
Und dann gibt es auch Nico Hischier. Sie hatten mit 80 Skorerpunkten die bislang erfolgreichste Regular Season Ihrer Karriere…
Ich war mit meiner Saison sicher mehr als zufrieden. Ich wollte immer besser werden, so gut wie möglich für das Team spielen. Wenn das Team Erfolg hat, kommt der persönliche Erfolg von allein, und das war in der letzten Saison wohl so. Ich versuche, nun da weiterzufahren, wo ich aufgehört habe und Spiel für Spiel zu nehmen, meinem Team etwas zu geben, sei das nun offensiv oder defensiv, damit wir die Spiele gewinnen – denn das ist schlussendlich unser Ziel.
Da hört man einen Captain sprechen.
Das ist so. Ich verliere nicht gerne und will dem Team helfen, Spiele zu gewinnen, Erfolg zu haben. Einzelerfolge sind schon auch cool, können einen stolz machen. Ich habe mich aber fürs Eishockey entschieden, weil es ein Teamsport ist. Wenn man gemeinsam etwas erreichen kann, ist es für mich eines der schönsten Gefühle und schöner, als wenn man selber Erfolg hat. Deshalb bin ich auch bereit, mich fürs Team zu opfern – um dann eines Tages mit New Jersey etwas zu erreichen.
Starke Devils sind ein Segen – aber für die Nati ein Fluch, weil dann gleich vier starke Schweizer an einer WM fehlen…
Man versteht auch in der Schweiz, dass wir in New Jersey tätig sind, hier unsere Ziele verfolgen und dass dies bei uns die oberste Priorität geniesst. Wir sind in New Jersey unter Vertrag, die ganze Saison hier, gleichzeitig spielen wir auch sehr gerne für die Schweizer Nati, wenn wir gesund sind und die Möglichkeit besteht.
Die Nati als Herzensangelegenheit und nicht als ein Müssen.
Ganz klar, da sind wir sind alle gleich eingestellt. Natürlich hat man im Hinterkopf auch Ziele mit dem Nationalteam, aber wir wissen auch, wo wir unter Vertrag sind, und das ist New Jersey.
Die letzte WM endete unglücklich. Konnten Sie das schnell abhaken und vergessen?
Es war eine Niederlage, die mir länger geblieben ist als andere, die tiefer sass. Es war sehr frustrierend, Gut war jedoch, dass ich danach wieder in der Schweiz war, meine Familie und Kollegen sah. Das half beim Ablenken.
Nun liegt der Blick wieder auf der Zukunft – und der Hoffnung, dass die neue Saison noch erfolgreicher wird als die letzte, dass es vielleicht gar zum Titel reicht, oder?
Natürlich ist dies unser Ziel. Wir konnten unsere Erfahrungen machen, aber wir dürfen nun nicht abheben. Die Realität ist, dass zuerst 82 Spiele in der Regular Season auf uns warten und wir da versuchen, die Playoffs zu erreichen. Denn da gilt: Von 32 Teams gehen die Hälfte in die Ferien.