0:77 – die Mercenaries taumeln dem Saisonende entgegen
Im elften Saisonspiel kassieren die Helvetic Mercenaries eine 0:77-Niederlage - ihre bisher höchste Niederlage. Das einzige semiprofessionelle Schweizer Football-Team sehnt das Saisonende herbei.
In dieser Saison sollte alles besser werden. Nach dem bitteren Abschneiden mit elf Niederlagen und nur einem Sieg im letzten Jahr, gab man sich im Umfeld der Helvetic Mercenaries im Frühling noch zuversichtlich: Das einzige Schweizer Team in der European League of Football (ELF) wolle 2025 "die Liga aufmischen" und die Playoffs erreichen, sagte Vereinsbesitzer Sandro Moor dem Portal "Nau".
Die bittere Bilanz vor dem letzten Saisonspiel lautet jedoch: Im besten Fall wird das Abschneiden des letzten Jahres egalisiert, es ist aber auch sehr gut möglich, dass es unterboten wird. In elf Spielen resultierten elf Niederlagen, eine davon als Forfait durch Nicht-Antreten. Zuletzt zeigte das Team Zerfallserscheinungen. Schon vor dem 0:77 am Samstag in Paris waren die Mercenaries chancenlos. Die weiteren Resultate seit Juli: 0:62, 20:34, 6:61, 20:60.
Das sportliche Abschneiden ist das Ergebnis der permanenten Unruhen im Verein. Drei Wochen vor dem ersten Saisonspiel verkündete der Klub, dass sich General Manager Chris Rummel fortan auf sportliche Belange fokussieren und seine kommerziellen Verantwortlichkeiten abgeben werde. Nur vier Tage später folgte die Meldung, dass Rummel per sofort entlassen sei. "Grund für die Trennung ist ein massiver Vertrauensverlust", schrieb der Klub in einer knappen Mitteilung.
Auch im Team blieb kein Stein auf dem anderen. Der Trainer musste gehen, Spieler wurden ausgetauscht und vor einigen Wochen trat der Sportdirektor zurück. Dazwischen kam heraus, dass mehrere Import-Spieler, darunter der ehemalige NFL-Star Keelan Cole, den Verein wegen Problemen bei der Visa-Beantragung wieder verlassen mussten.
Das Projekt eines semiprofessionellen American-Football-Klubs in der Schweiz stand von Beginn an auf wackeligen Füssen. Der Sport ist hier nicht tief verankert, die Talente entsprechend begrenzt. Da es sich um eine der intensiveren Kontaktsportarten handelt, kommt es immer wieder zu Verletzungen. Deshalb muss das Kader samt Coaching-Staff gross sein, was wiederum mit Kosten verbunden ist. Allein mit den Einnahmen aus den Heimspielen ist dies ohne einen finanzkräftigen Geldgeber kaum zu stemmen.
Deshalb mussten die Vorgänger der Mercenaries, die Helvetic Guards, bereits nach einer Saison aufgeben. Auch hier lief offensichtlich vieles krumm, denn die Mitteilung über die Einstellung des Betriebs erfolgte 2024 kurz vor Saisonstart, obwohl bereits diverse Vertragsverlängerungen bekannt gegeben worden waren. Kein Wunder also, dass inzwischen einige Spieler genug von der Franchise haben und zu den NLA-Teams zurückgekehrt sind. Dort spielen sie nur noch als Amateure, aber ohne Drama.
Die Helvetic Mercenaries reagierten auf die katastrophalen Resultate dieser Saison mit Durchhalteparolen. Vor dem letzten Heimspiel in Wil wandte sich Joshua Fitzgerald, der neue Trainer und General Manager der Mercenaries, mit folgenden Worten an die Fans: "In den letzten Wochen ist viel mit diesem Team passiert. Manche nennen es Drama – ich nenne es Wachstumsschmerzen und den Aufbau eines starken Fundaments. Wir stecken in einem Loch, und wenn man sich aus einem Loch heraus gräbt, wird man eben schmutzig."
Auch Klubbesitzer Moor sagte dem Portal "Endzone", dass man nicht ans Aufgeben denke. "Wir haben einen Fünfjahresvertrag mit der ELF. Es wird nächstes Jahr ganz sicher ein Schweizer Team in der Liga geben, das ist keine Frage." Angesichts der grossen Worte vor der aktuellen Saison scheinen Zweifel jedoch angebracht. Am kommenden Sonntag bestreiten die Mercenaries ihr letztes Saisonspiel in Prag und dürften froh sein, dass der Schrecken ein Ende findet.