American Nightmare: Darum ist diese WM ein weiterer Schritt in die falsche Richtung
Morgen Abend kennen wir sie – die zwölf Vierergruppen der Fussball-WM 2026. Und damit auch die Gegner der Schweizer Nationalmannschaft im kommenden Sommer. Doch so richtig Freude mag bei mir noch nicht aufkommen. Vielleicht, weil die räumliche und zeitliche Distanz noch gross sind. Vielleicht aber auch, weil die jüngsten Schlagzeilen vermuten lassen, dass dieses Turnier vor allem ein möglichst lukratives Fest für die FIFA und ihre Weggefährten werden soll.
Jordanien, Kap Verde und Haiti – aber kein Italien?
Jahrzehntelang hatte die Fussball-WM für mich etwas Magisches. Die Besten der Welt, vereint auf einer wunderbar stimmungsvollen Bühne, vier Wochen lang im Wettkampf gegeneinander. Schon die Qualifikation war aufgrund des beschränkten Teilnehmerfeldes ein Erfolg. Im kommenden Sommer wird das anders sein. Erstmals nehmen 48 Nationen teil – darunter einige Exoten, deren sportliche Konkurrenzfähigkeit durchaus in Frage gestellt werden darf.
Denn mit der Erweiterung von 32 auf 48 Nationen hat die FIFA die Türen zu ihrer alle vier Jahre stattfindenden Mega-Party bewusst für Nationen und Märkte geöffnet, die vom grossen Fussball und seinen gigantischen Geldströmen bisher nur aus der Ferne etwas mitbekamen. Das mag für die Entwicklung des Sports in diesen Ländern sinnvoll sein – für Fans des wichtigsten Fussballereignisses der Welt gilt das jedoch nur unter Vorbehalt. Denn wenn für traditionsreiche Fussballnationen wie Italien oder die Türkei trotz grösserem Starterfeld nur noch bedingt Platz bleibt, während z.T. winzig kleine Verbände aus anderen Kontinenten immer stärker vertreten sind, verabschiedet sich die WM vom Anspruch, die besten Teams und Spieler des Planeten zu vereinen.
Gleiche Regeln für alle – ausser für Ronaldo
Keine Frage: Cristiano Ronaldo ist eine der grössten und populärsten Figuren, die der Fussball je hervorgebracht hat. Noch immer bewegt der 40-Jährige Massen rund um den Erdball, obwohl er sich von den grossen europäischen Ligen schon vor drei Jahren verabschiedet hat. Und natürlich steht ein CR7 einer WM in Nordamerika gut zu Gesicht – vorausgesetzt, er qualifiziert sich wie alle anderen Spieler sportlich dafür.
Doch genau hier wird es heikel. Nach einer Tätlichkeit im zweitletzten Qualifikationsspiel gegen Irland erhielt Ronaldo die rote Karte – gleichbedeutend mit einer Sperre für die nächsten drei Wettbewerbsspiele. Auf Intervention des portugiesischen Verbands hat die FIFA die Strafe jedoch auf ein Spiel mit Bewährung (sprich, Ronaldo darf sich keinen weiteren Platzverweis zu Schulden kommen lassen) reduziert. So kann der mehrfache Weltfussballer pünktlich zum WM-Start wieder auflaufen, nachdem er seine Mini-Sperre bereits im bedeutungslosen Qualifikationsspiel gegen Armenien absass. Ein willkürlicher Entscheid, der die Integrität des Spiels und dessen Regelwerk zugunsten von Marketinginteressen und globalen Aushängeschildern aufweicht. Aus meiner Sicht ein Unding, auch wenn die FIFA auf der grossen Karte des Weltsports beileibe nicht die einzige Organisaton ist, die so handelt.
«For the Good of the Game» gleich «For the Good of the Fan»
Einmal ein WM-Spiel live erleben – das ist der Traum vieler Fussballfans auf diesem Planeten. Doch angesichts der in Nordamerika kolportierten Ticketpreise bleibt es kommenden Sommer wohl für Viele auch dabei. Die günstigsten Karten für Vorrundenspiele sollen bei rund 60 US-Dollar liegen, doch das angekündigte dynamische Preismodell dürfte den Durchschnittspreis wohl eher in die Nähe jener 140 US-Dollar bringen, die laut dem Online-Portal «The Athletic» als Obergrenze gelten. Und das sind nur die billigsten Tickets – in der nächsthöheren Kategorie kostet der Platz bereits doppelt so viel.
Natürlich ist die Fussball-WM ein Premiumprodukt, das alle vier Jahre die Kassen der FIFA und ihrer Verbände füllen soll. Doch in Zeiten milliardenschwerer TV-, Medien- und Sponsoringverträge müsste es möglich sein, den Anlass fanfreundlicher zu gestalten. Denn wer mehrere tausend Franken ausgeben muss, um vier oder fünf Spiele seiner Nation live im Stadion zu sehen – von Reise- oder Übernachtungskosten (Parking für rund 100 USD, anyone?) ganz zu schweigen –, wird sich genau überlegen, ob er sich diesen Traum leisten kann. Zumal zumindest in den USA auch die Gefahr besteht, dass Spiele aufgrund der relativ häufigen sommerlichen Unwetter (und der entsprechenden Sicherheitsprotokolle) kurzfristig verschoben werden, wie im letzten Sommer anlässlich der Klub-WM zu beobachten war.
So wird auch der Fussball, ein Sport, dessen globale Popularität auf seiner Einfachheit beruht - ein Ball, zwei Tore – immer mehr zum exklusiven Erlebnis für die oberen Gesellschaftsschichten. Das ist aus Sicht des normalen Fans und dessen Rolle im fussballerischen Finanzkreislauf nicht wirklich «for the good of the game» – aber zumindest vorderhand umso einträglicher für die involvierten Hauptprotagonisten.