Ardon Jashari mit breiter Brust
In den letzten Tagen hat Jashari die ersten Schritte in seinem neuen Fussball-Universum gemacht. Er trainierte auf dem berühmten Trainingsgelände Milanello, spielte seine ersten Minuten für den neuen Klub und stellte sich den italienischen Medien. Im schwarzen Anzug mit Krawatte beantwortete er auf Englisch die vorerst noch harmlosen Fragen.
Der erste öffentliche Anlass mit Jashari als Milan-Spieler war perfekt inszeniert, mit Sinn für Klasse und mit dem nötigen Pflichtgefühl gegenüber den Sponsoren: Wasserflasche links, Fussballschuh rechts und im Hintergrund Logos von weiteren Geldgebern. Das alles übertragen auf dem Youtube-Kanal der AC Milan mit Simultanübersetzung in Gebärdensprache.
"Es ist ein Traum, der wahr wird, nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie", sagt Jashari gleich zu Beginn seiner Vorstellung. "Vom ersten Kontakt an war klar, dass ich hierhin wechseln will." Die AC Milan strahlt trotz Jahren mit weniger Erfolgen als auch schon europäische Spitzenklasse aus. Ein Nobelklub, die Nummer 2 Europas gemessen an den gewonnenen Champions-League-Titeln, für den unzählige Fussball-Ikonen gespielt haben, unter anderem Andrea Pirlo, Jasharis Lieblingsspieler in der Geschichte Milans.
Die Chance, eine vielversprechende sportliche Perspektive und die Erfüllung eines Bubentraums zu kombinieren, wollte sich Jashari auf keinen Fall entgehen lassen. Nachdem sich die AC Milan bei ihm gemeldet hatte, arbeitete der 23-jährige Zuger auf einen Wechsel hin - mit der gleichen Konsequenz, mit der er auf dem Feld seine Aktion durchzieht. Für das erste Pflichtspiel der Saison mit dem FC Brügge meldete er sich ab, auf das Teamfoto wollte er nicht mehr. Anfang August erhielt er seinen Willen und der FC Brügge die belgische Rekordtransfersumme von 36 Millionen Euro.
Jashari weiss, was er will und fordert es bisweilen vehement. Beim FC Luzern flog er vor zwei Jahren zwischenzeitlich aus der Startformation, weil er einen Transfer zum FC Basel etwas gar forsch angestrebt hatte, kurze Zeit später lehnte er ein Aufgebot von der Schweizer U21-Nationalmannschaft ab. Trotz dieser Episoden sagt Nati-Direktor Pierluigi Tami über Jashari: "Er ist ein Spieler, der das Kollektiv besser macht. Mit ihm im Team ist alles einfacher."
Den Wert von Jashari erkennen seine Klubs recht schnell. Beim FC Luzern, zu dem er als Elfjähriger von Zug 94 gewechselt hatte, wurde er der jüngste Captain der langen Vereinsgeschichte. Beim FC Brügge setzte er sich nach schwierigen ersten Wochen als unverzichtbare Teamstütze durch. Er gewann den Cup, wurde Liga-Zweiter, erreichte in der Champions League die Achtelfinals und erhielt die Auszeichnung als bester Spieler der Meisterschaft. Sein Marktwert sprang von sechs auf 36 Millionen Euro.
Kein Spieler kam in diesem Sommer für mehr Geld in die Serie A. Ein bisschen Druck verspüre er schon, gesteht Jashari. "Aber das ist normal." Nicht nur der Schweizer, sondern ganz Milan wird zu Beginn dieser Serie-A-Saison, die für die "Rossoneri" am Samstagabend daheim gegen den Aufsteiger Cremonese beginnt, unter Beobachtung stehen. Einiges ist neu im Klub und die Erwartungen trotzdem hoch.
Massimiliano Allegri, der Milan 2011 zum vorletzten Meistertitel geführt hat, ist als Trainer zurückgekehrt und soll nach zwei glücklosen portugiesischen Coaches wieder für Stabilität auf dem Posten sorgen. Wie gut sein Team sich nach der verpatzten letzten Saison schlagen wird, ist schwer abzuschätzen, weil es nicht zuletzt davon abhängt, wie rasch sich Jashari an die Anforderungen einer Topliga gewöhnt und wie einflussreich der von Real Madrid gekommene Luka Modric mit 39 Jahren noch sein kann. Für die Wettanbieter ist Milan im Meisterrennen die viertbeste Wahl hinter Napoli, Inter Mailand und Juventus Turin.
Am fehlenden Selbstvertrauen wird Jashari nicht scheitern. Der Ausnahmekönner aus Cham geht seinen Weg auch deshalb so kompromisslos, weil er weiss, was er kann und wo er hin will. Mit dem Wechsel in die Serie A und zur AC Milan hat er sich nach dem Umweg über Belgien einen Traum erfüllt. Das Feuer, von dem er gerne spricht, lodert aber weiterhin in ihm. "Ich will immer gewinnen und das auf dem Feld zeigen", erklärt er.
Einfluss haben, sagt Jashari mehrmals, als er gefragt wird, was er sich vorgenommen hat für seine erste Saison im neuen Klub. Auch in der prächtigen Mailänder Fussballwelt, in der Luka Modric sein Mittelfeldpartner ist, Zlatan Ibrahimovic ihm die Funktionsweise des Klubs näher bringt und die Vorgänger auf seinem Posten Pirlo, Seedorf, Gattuso, Rijkaard oder Ancelotti heissen, will er kein Mitläufer sein. Er will andere mitreissen, an vorderste Front marschieren, wie er sich das gewohnt ist: "Wir wollen Spiele gewinnen und wer Spiele gewinnt, gewinnt Trophäen."