Begehrter Erfolgscoach mit Cap und Emotionen
Heute Abend trifft der FC Lugano in der dritten Runde der Europa League-Qualifikation auswärts auf Partizan Belgrad. Es ist die nächste Gelegenheit für Coach Mattia Croci-Torti, Werbung in eigener Sache zu betreiben.
Als Mattia Croci-Torti im September 2021 beim FC Lugano vom Assistenten zum Interimstrainer befördert wurde und den Brasilianer Abel Braga ablöste, wusste man nicht, dass dies das erste Kapitel in einer wahren Erfolgsgeschichte sein würde. Der 42-Jährige hat die Tessiner drei Mal in Folge in den Cupfinal geführt und gewann den Wettbewerb 2022. Und in der Super League ist die Tendenz steigend. In seiner ersten Saison wurde Lugano Vierter, dann Dritter und zuletzt reichte es zu Rang 2 hinter Meister Young Boys.
Das Lob von Mourinho
Es ist eine bemerkenswerte Visitenkarte, die der Tessiner abgegeben hat. Zumal er auch in der neuen Saison schon für Aufsehen gesorgt hat. In der Meisterschaft ist er mit seinem Team nach drei Runden ohne Punktverlust und liegt an der Spitze. Und in der Champions League-Qualifikation forderte und ärgerte Lugano das weitaus höher eingeschätzte Fenerbahce Istanbul mit José Mourinho, verlor zweimal nur knapp. Auch der portugiesische Startrainer Mourinho nahm da richtig Notiz von «Crus», wie Croci-Torti im Tessin genannt wird, diesem vor Energie und Emotionen nur so sprudelnden Trainer, der stets «on fire» ist. Es sind diese Eigenschaften, die Mourinho gerade im Hinspiel zur Weissglut trieben, danach sagte er: «Er erinnert mich an mich selbst, als ich jünger war. Er spricht zu viel. Er reklamiert zu oft. Das sind die Emotionen der Jungen. Aber er hat Glück. Denn als ich das tat, sah ich die Rote Karte.» Nach dem Rückspiel erntete der Tessiner Coach dann aber viel Lob von Mourinho: «Wir haben gegen eine Mannschaft mit einer grossartigen Organisation und einem sehr guten Trainer gespielt.»
Dass Croci-Torti gute Arbeit leistet, wird vielerorts wahrgenommen. Im Sommer interessierte sich der italienische Champions League-Teilnehmer Bologna für ihn, nachdem klar war, dass dort Erfolgstrainer Thiago Motta zu Juventus weiterzieht. «Es ist immer schön, wenn dein Name mit solchen Teams in Verbindung gebracht wird. Es macht dich stolz und glücklich, weil es bedeutet, dass sich die Arbeit und die aufgewendeten Stunden lohnen», erklärte Crus vor wenigen Wochen gegenüber dem Sonntagsblick. «Zudem glaube ich, dass es die Folge der Ergebnisse ist, die wir hier in Lugano einfahren konnten. Dreimal in Folge den Cupfinal zu erreichen, das hat seit 1942 niemand mehr geschafft. Das bedeutet, dass es etwas Besonderes ist.»
Traumdestination Inter
Aufgewachsen ist Croci-Torti einen Steinwurf von der Grenze zu Italien entfernt und hat sich so fast logischerweise schon früh intensiv für den italienischen Fussball interessiert. Sein Lieblingsklub ist Inter Mailand, entsprechend wäre es sein grösster Traum, irgendwann im San Siro das Zepter zu führen. Es wäre der Sprung in die absolute Beletage des Fussballs, der ihm als Spieler verwehrt geblieben ist. Mit 18 Jahren heuerte er einst bei den Grasshoppers an, lebte im Haus von Maja Gross, der Schwester von Trainer-Legende Christian Gross. Doch bald darauf platzte der Traum von der grossen Profikarriere – im einem Spiel mit der U21 des Rekordmeisters zog er sich einen Kreuzbandriss zu, musste sich in der Folge mit Engagements in der Challenge League begnügen und verkaufte nebenbei jahrelang Parkettböden.
Es war eine Aufgabe, die auch für seine Trainerlaufbahn hilfreich war, wie er später mal gegenüber dem «Tages-Anzeiger» erklärte: «Als Verkäufer musst du die Leute davon überzeugen, dass dein Parkett besser ist als jedes andere, auch wenn das nicht der Fall ist. Als Fussballtrainer ist es das Gleiche. Du musst deine Spieler davon überzeugen, dass es einen Sinn ergibt, was du machst. Warum sollen sie mir das abkaufen? Weil ich sie davon überzeuge, dass es das Richtige ist. Jeder Tag ist ein Kampf. Früher wollte mein Chef, dass ich gut verkaufe. Heute will mein Chef gute Resultate sehen.»
Sein Weg als Trainer verlief stetig steigend. Zuerst arbeitete Croci-Torti beim Zweitligisten Balerna, zwei Jahre später zog er zu Lugano weiter, wo er Assistent von Pierluigi Tami, Fabio Celestini, Maurizio Jacobacci und wie erwähnt Abel Braga war, ehe er vor drei Jahren Chef wurde. «Ich war keine selbstverständliche Wahl, ich war eine mutige Wahl», sagt er. Und er war die richtige Wahl. Der Trainer hat nicht nur mit seinem Cap auf dem Kopf für Aufsehen gesorgt, sondern auch mit seinen Resultaten. In einem Jahr läuft sein Vertrag beim FC Lugano aus, und der Klub würde liebend gerne verlängern, wie CEO Martin Blaser bei der Präsentation zu Saisonbeginn sagte: «Von unserer Seite besteht der Wunsch, die Zusammenarbeit für weitere zehn Jahre fortzusetzen. Wir werden bald ein erstes Gespräch führen, um den Wunsch beider Seiten zu verstehen, aber vielleicht ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen. Vor uns liegen sechs Wochen voller Spiele, die fast alle auswärts stattfinden werden, da die europäischen Heimspiele in Thun ausgetragen werden.»
Der nächste europäische Auftritt erfolgt wie erwähnt heute Abend, auswärts gegen den serbischen Vizemeister Partizan Begrad, der nach dem bitteren Ausscheiden in der Champions League-Quali gegen Dynamo Kiew (Gesamtskore 2:9) eine Reaktion zeigen muss. «Gegen Fenerbahce haben wir das Bewusstsein erlangt, dass wir auf einem gewissen Niveau spielen können, jetzt ist es an der Zeit, zu gewinnen», sagte Croci-Torti nun im Vorfeld dieser Partie. Und: «Sie werden die schlimme Niederlage gegen Dynamo wiedergutmachen wollen. Wir müssen demütig sein, denn um hier zu gewinnen, brauchen wir ein gutes Spiel.»
Sollten die Bianconeri Partizan eliminieren, wäre der nächste Gegner Besiktas und auch bei einer allfälligen Niederlage ein Platz in der Gruppenphase der Conference League sicher. Tauchen die Tessiner aber gegen Partizan, kommt es in den Conference League-Playoffs zum entscheidenden Duell gegen Silkeborg oder Gent. Mattia Croci-Torti bekommt also so oder so die Gelegenheit, um weiterhin auf sich aufmerksam zu machen und sich den Traum von einem Italien-Engagement zu verwirklichen. Vor einigen Wochen erklärte er gegenüber dem «Tages-Anzeiger», dass er wisse, dass sein Zyklus in Lugano eines Tages fertig sei. Wichtig sei für ihn, dass man sich dann ohne Krach und Probleme trenne, «denn ich muss mich jeden Tag dafür bedanken, was Lugano für mich ist». Wobei diese Aussage auch umgekehrt passt.