Big Boss Briatore sieht sich als "demokratischer Diktator"
Ein Flavio Briatore hält sich nicht im Hintergrund. Der Chefberater des Teams Alpine ist nach dem Rücktritt von Oliver Oakes nun auch offiziell Teamchef und kann kompromisslos seinen Kurs umsetzen.
Nicht einmal zwölf Stunden nach der Trennung von dem 37 Jahre alten Neuling verkündete der französische Rennstall auch eine Kurskorrektur bei den Fahrern. Der bislang punktlose Jack Doohan wird zum Ersatzfahrer degradiert, der bisherige Reservepilot Franco Colapinto rückt dafür auf - aber erst einmal nur in fünf Rennen ab dem kommenden in Imola am 18. Mai. Vor dem Grand Prix von Grossbritannien am 6. Juli wird die Fahrerfrage neu bewertet.
So ein Rotationsmodell ist ganz nach dem Geschmack von Briatore, der viel von seiner Geradlinigkeit, andere würden sagen Rücksichtslosigkeit, hält. "Ich vertraue den Leuten, solange sie mir das Vertrauen zurückgeben. Wenn sie schlecht sind, tausche ich sie aus. Schlechte Leute infizieren alle, die unter ihnen arbeiten", sagte der schillernde wie umstrittene Strippenzieher dem Fachmagazin "Auto, Motor und Sport" vor dem Saisonstart.
Briatore, der eine Liaison mit Model und Moderatorin Heidi Klum hatte, aus der Tochter Leni hervorging, war seit Juni vergangenen Jahres Chefberater von Alpine und berichtete direkt an Renault-Geschäftsführer Luca de Meo.
"Ihm schulde ich Erfolg", sagte der Italiener und ergänzte: "Ich bin ein demokratischer Diktator." Alle wüssten schliesslich, dass er die Entscheidungen treffe. Egal, welchen Titel er nun hat. Nun ist er also Chefberater und Teamchef.
Briatore ist der Sohn eines Lehrer-Ehepaares aus Verzuolo im Piemont. Als Geschäftsmann in Mailand lernte er Modezar Luciano Benetton kennen, der ihn zunächst in sein Unternehmen und schliesslich 1988 in seinen Rennstall holte. Ohne wirkliche Ahnung von der Formel 1, ohne wirkliche Ahnung von der Technik. Ein T-Shirt-Hersteller, wie er selbst amüsiert meinte.
Briatore lotste Anfang der Neunzigerjahre Michael Schumacher in sein Team. 1994 und 1995 holte der Deutsche im Benetton die ersten beiden seiner insgesamt sieben WM-Titel. Später wurde Briatore Teamchef bei Renault und beendete mit Fernando Alonso 2005 die Serien-Triumphe Schumachers bei Ferrari. 2006 gewann Alonso unter Briatore, der ihn bis heute als Manager berät, erneut die Fahrer-WM.
Wegen seiner Verwicklung in den Skandal um einen absichtlichen Unfall des Brasilianers Nelson Piquet junior in Singapur 2008, der "Crashgate"-Affäre, wurde Briatore vom Motorsport-Weltverband FIA zunächst lebenslang gesperrt. "Es geht nicht, dass einer mit seinen Praktiken Motorsport betreibt. Für Flavio war die Formel 1 nie Sport, sondern immer nur Geschäft", schimpfte damals Vater Nelson Piquet. Ein französisches Gericht befand später die lebenslange Sperre für ungültig.
Für Alpine kam Briatore offiziell in die Formel 1 zurück. Wirklich weg war er aber nie. Das liegt an seiner Zusammenarbeit mit Alonso. Das liegt an seiner Zuarbeit, dass Aserbaidschan 2016 in den Rennkalender aufgenommen wurde. Und das liegt an seinem engen Verhältnis zu Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali, für den er als Markenbotschafter arbeitete.
In einer Zeit, in der sich ganze Länder für Alleinherrscher entscheiden, ist die Beförderung Briatores, der sich im vergangenen Jahr bei einer Herzoperation einen gutartigen Tumor entfernen liess, nicht verwunderlich. Er wird daran gemessen, den Turnaround mit Alpine zu schaffen. Oder den Rennstall, wie immer wieder spekuliert wird, zum Höchstpreis zu verkaufen.
Von viel (Spitzen-)Personal hat er sich längst getrennt. Ausserdem wurde die Motorenfabrik in Viry-Châtillon geschlossen, ab 2026 wird die Renault-Tochter Kunde bei Mercedes. In der Teamwertung ist Alpine dennoch nur Vorletzter.
"2026 wollen wir bei 50 Prozent aller Rennen um Podestplätze fahren. Dann gewinnst du automatisch das eine oder andere Rennen. 2027 müssen wir in der Lage sein, um den Titel zu fahren", hat Briatore verkündet. Sich hohe Ziele setzen, das kann der Geschäftsmann.