Das Pilotprojekt, von dem es kein Zurück mehr geben wird
In der Sicherheitszentrale der Tour de Suisse fliessen alle für das Rennen relevanten Informationen zusammen. Die ersten Tage zeigen, dass das Pilotprojekt erfolgreich ist und weiterverfolgt wird.
Überraschend klein und kompakt sowie höchst zweckmässig - in etwa so muss man sich die neue mobile Sicherheitszentrale der Tour de Suisse vorstellen. Nur fünf, sechs Quadratmeter gross ist der unscheinbare Anhänger, der den Tour-Organisatoren von der Swisscom zur Verfügung gestellt wird und gerade genügend Platz für drei Personen und das nötige technische Equipment bietet. "Klar ginge es grösser. Aber auch hier hat alles Platz und die Leute können gut miteinander sprechen", sagt Tour-Direktor Olivier Senn.
Auf den Grossbildschirmen und weiteren Geräten fliessen die Informationen von zahlreichen im Einsatz stehenden Systemen zusammen. Diese Systeme, mit welchen die Fahrer oder der Konvoi geortet oder die neuralgischen Stellen festgehalten werden, sind alle nicht neu. Auch das Fernsehsignal, das auf mehr als ein halbes Dutzend Kanälen verfolgt werden kann, natürlich nicht. Neu ist vielmehr, dass alles miteinander verwoben wird.
Die Herausforderung liegt denn auch nicht an der Technik, "sondern im Management der Daten und den Abläufen in der Zentrale. Damit du wirklich einen Nutzen daraus ziehen kannst, brauchst du die richtigen Leute am richtigen Ort. Sie müssen immer genau wissen, mit wem sie sprechen müssen. Das ist komplex", sagt Senn. Der Aargauer kann nach den ersten paar Tagen, an welchen der Kontrollraum im Einsatz stehen, zufrieden konstatieren, "dass wir eine Riesen-Lernkurve hinlegen und uns definitiv auf dem richtigen Weg befinden".
Brenzlige Situationen, die gelöst werden mussten und die seine Aussage unterstreichen könnten, gab es - "zum Glück" (Senn) - nicht. "Wir haben bislang vielleicht drei oder vier relativ simple Fälle erlebt. Aber es gibt 1000 Situationen, die sich ergeben könnten. Es gibt für uns noch viel zu lernen."
Der Tour-Direktor hat zwei Beispiele von der Frauen-Rundfahrt zur Hand: "Während der ersten Etappe rief uns ein Team an und fragte, ob wir wüssten, wo eine Fahrerin von ihnen sei. In der Zentrale fanden sie das mit zwei Klicks heraus und konnten dem Team innert zehn Sekunden Bescheid geben, an welchem Punkt des Rennens sie sich genau befindet."
In der zweiten Episode vom vergangenen Freitag und der Etappe nach Oberkirch fiel dem Trio in der Sicherheitszentrale eine Fahrerin auf, die zunächst angehalten hatte und danach ausserhalb des Rennens weiterfuhr. Senn: "Wir haben zuerst im kleinen und dann im grösseren Kreis nachgefragt, ob jemand etwas wisse, was los sei. Niemand wusste es, also wurde das betreffende Team kontaktiert. Allerdings meldete sich da niemand."
Hektik oder gar Panik kam gemäss dem ehemaligen Elite-Amateur-Fahrer nicht auf, "weil es klar ersichtlich war, dass die Fahrerin unterwegs war. Ungewöhnlich war einfach, dass sie komplett weg von der Strecke war." Erst am Abend kam aus, dass die Fahrerin bei der Verpflegung ihren Betreuern gesagt hatte, dass sie aufgebe, allerdings noch selbst ins Hotel zurückfahren wolle. "Diese Episode hat uns gezeigt, dass das System und die Technik funktionieren. Aber es braucht eben mehr: Man muss Rückfragen anstellen, um zu lernen, was passiert ist. Da stellen sich dann in Sachen Kommunikation und Erreichbarkeit die nächsten Herausforderungen", so Senn.
Nach den Kosten gefragt, spricht Senn von "einigen 10'000 Franken" und davon, dass es um "ein freiwilliges Investment von uns in die Sicherheit" gehe. "Es kostet uns Geld, denn einen Sponsoren oder Unterstützer haben wir für dieses Projekt nicht gefunden."
Für den Tour-Direktor, der die tödlichen Unfälle von Gino Mäder (2023) und Muriel Furrer (2024) miterleben musste, ist klar: "Zurück können wir nicht mehr. Diese Sicherheitszentrale bleibt. Die Frage ist eher, ob man es auf diesem Niveau belässt oder ob man nochmals investieren und den nächsten Schritt machen will."