Der 25-jährige Urner ist ein Spätzünder - und das hat Gründe
Seine ersten Jahre im Mountainbike-Weltcup waren wie verhext. Doch in dieser Saison hat Fabio Püntener den Durchbruch geschafft. Am Sonntag gehört er an der Heim-WM zu den Schweizer Hoffnungsträgern.
Klar, da wird am Sonntag am Schlusstag der Titelkämpfe in Crans-Montana ein Mathias Flückiger am Start sein, der rechtzeitig auf das Saisonhighlight zu alter Stärke gefunden hat. Ein Filippo Colombo, der alles mitbringt, um aufs Podest zu fahren. Ein Lars Forster, der an guten Tagen zu vielem fähig ist. Ein Nino Schurter, der seine 22. WM bestreitet und in der Hauptdisziplin über die olympische Distanz zehnmal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze gewonnen hat. Noch dazu zahlreiche ausländische Athleten, die ebenfalls ein gewichtiges Wort mitreden im Kampf um Edelmetall.
Fabio Püntener gehört aber auch dazu, und das allein ist eine besondere Erwähnung wert. Den 25-jährigen Spätzünder hatten vor der Saison wenige auf dem Schirm. Weil in dessen ersten drei Saisons nach dem Aufstieg von der U23 komplett der Wurm drin war.
"Irgendetwas war immer", sagt der Betroffene selbst - so vieles, dass Püntener begann, Buch zu führen. "Im ersten Jahr, während der Corona-Pandemie, musste ich immer wieder vor den Rennen oder den Trainingslagern in Quarantäne oder hatte ich mich mit dem Virus infiziert. Anstatt dass ich damals in Nove Mesto am Sonntag das Rennen fuhr, sass ich krank im Zug nach Hause", schildert er. "Die folgenden Rennen waren damit auch dahin, und als ich wieder bereit war, fing ich mir erneut eine Erkältung ein. Als ich wieder trainieren konnte, verletzte ich mich am Knie. Als das wieder gut war, prellte ich mir bei einem Sturz eine Rippe."
Damit nicht genug: "Das Schlüsselbein brach ich mir auch schon zweimal. Nach dem ersten Bruch wurde ich im Training von einem Auto angefahren. Im ersten Rennen danach rannte mir eine Zuschauerin ins Velo." Kurzum: Es war wie verhext - eine nicht enden wollende Abfolge von Negativ-Ereignissen, fast als läge ein Fluch auf Püntener. Die Konsequenz war, dass Püntener von immer weiter hinten starten musste, bis hin zur Startnummer 80.
Als der Körper schliesslich mitspielte, kamen andere Dinge in die Quere: Zu Beginn des zweiten Jahres bei der Elite etwa wurde Püntener in Nove Mesto am Start durch einen Sturz aufgehalten, riss ihm ein Konkurrent die Schnalle am Schuh hab, war sein Sattel nicht richtig fixiert und stürzte er noch dazu.
"Es wäre gelogen, würde ich sagen, dass ich nicht gehadert habe", sagt Püntener rückblickend. Sein Glück war, dass er bei allem Unglück immer wieder kleine positive Momente hatte, solche, die ihm zeigten, dass mehr möglich wäre. Und vor allem, dass er mit dem Nationaltrainer Beat Müller einen Fürsprecher in den Verbandsreihen hatte, der sein Potenzial nie verkannte und immer an ihn glaubte. "Fabio bringt alle Komponenten für einen guten Mountainbiker mit", sagt Müller über seinen 1,93 Meter grossen Schützling. "Er hat einen super effizienten Fahrstil. Er ist mental stark und zugleich ein bescheidener Typ."
Es dauerte, bis Püntener das Vertrauen zurückzahlte. Bis ihm in dieser Saison der Durchbruch gelang. Zweimal, in Leogang und im Val di Sole, fuhr er heuer im Cross-Country-Weltcup auf das Podest. Als Fünfter ist er im Gesamtweltcup derzeit der am besten klassierte Schweizer. Wobei die Erfolge nicht ganz aus dem Nichts kamen: In den Leistungstests im März habe Püntener einen Allzeit-Rekord aufgestellt, verrät Müller - besser als Nino Schurter in seinen besten Jahren, besser als Florian Vogel zu Zeiten, als die Athleten ohne vollgefederte Bikes in den Tests bessere Resultate erzielt hatten.
Pünteners Seuchenjahre sind ein Grund für den späten Fahrplan, aber nicht der einzige. Vergleichsweise spät, wenn nicht sehr spät, gelangte Püntener mit 18 Jahren in die Verbandsstrukturen und ins Junioren-Nationalkader. Für viele beginnt die gezielte Förderung vier, sogar fünf Jahre früher. "Ich fuhr schon immer gerne Velo, machte es aber lange einfach zum Spass", sagt Püntener.
Dass Püntener nun im Weltcup vorne mitmischt, ohne in den Nachwuchskategorien schon an Weltmeisterschaften reüssiert zu haben, freut auch Nino Schurter. "Fabio ist einer der einzigen, die diesen Schritt bei der Elite geschafft haben - eine extrem coole Entwicklung!", sagt der Altmeister. Die Leistungsdichte sei inzwischen extrem hoch, so Schurter, vor allem in den Nachwuchskategorien habe es eine enorme Professionalisierung gegeben. "Um dort vorne dabei zu sein, musst du heute enorm viel investieren."