Der Rekordmeister scheint bereit für die "Mission 32"
Der HC Davos will endlich wieder Schweizer Meister werden. Mit einem Saisonstart nach Mass beweist der Rekordmeister, dass er im Jahr 1 nach der Ära Ambühl ein ernstzunehmender Titelkandidat ist.
Seit einigen Jahren kokettiert der HC Davos gerne mit der "Mission 32", dem 32. Meistertitel, doch lange war er davon ziemlich weit entfernt. Nun scheint die Zeit reif für den Rekordmeister.
Am Dienstag wahrten die Bündner mit einem 4:3-Sieg nach Penaltyschiessen in Zug ihre Serie der Ungeschlagenheit. Sieben Spiele, sieben Siege - damit ist der Klub so gut in die Saison gestartet wie nie zuvor in der Playoff-Ära. In der Saison 2014/15 feierte der HCD nach einer Startniederlage neun Siege am Stück - und wurde am Ende der Saison letztmals Meister. Es war dies das märchenhafte Ende der Ära Von Arx.
Zehn Jahre später ist im Landwassertal wieder eine neue Zeitrechnung angebrochen. Mit den Rücktritten von Rekord-Nationalspieler Andres Ambühl und Marc Wieser, zwei Ur-Davosern, ging im Frühling viel Leadership verloren - auf und neben dem Eis. Ist der HCD im grossen Wandel? Könnte man meinen. Doch ein grosser Umbruch blieb aus.
Den beiden Abgängen stehen lediglich zwei Neuzugänge gegenüber. Mit Lukas Frick wurde die Abwehr um einen weiteren Nationalverteidiger verstärkt, mit Rasmus Asplund ergänzt ein spielstarker Center die starke schwedische Ausländer-Fraktion. Der Kern des Teams blieb weitgehend zusammen.
Ein entscheidendes Puzzlestück ist auch Goalie Sandro Aeschlimann. Der Emmentaler hat sich in seinen sechs Jahren in Davos als Leistungsträger etabliert. Am Dienstag hielt er sein Team in Zug mit zahlreichen starken Paraden im Spiel und liess sich im Penaltyschiessen nur einmal bezwingen..
Doch was macht den HCD derzeit so stark, Sandro Aeschlimann? "Jeder kennt seine Rolle und versucht, diese zu 100 Prozent zu erfüllen", erklärt der zweifache WM-Teilnehmer im Gespräch mit Keystone-SDA und ergänzt: "Wir kennen uns alle gut und wissen, wie wir miteinander umgehen müssen." Diese Vertrauensbasis scheint entscheidend zu sein - und dürfte auch ein Grund dafür sein, weshalb der HCD so stark in die Saison gestartet ist, während andere Teams sich erst noch finden müssen.
Aeschlimann will nicht nur durch Leistung überzeugen, sondern auch ein Vorbild für die jüngeren Spieler sein. Dabei fällt auf, dass sein Karriereweg alles andere als alltäglich ist. Bereits im Alter von 16 Jahren verlässt er das Elternhaus, besucht eine Hockey-Akademie in Österreich, wo er auf Englisch die Matura macht, und spielt anschliessend drei Jahre lang College-Hockey in den USA. 2016 kehrt er in die Schweiz zurück und unterschreibt beim EV Zug.
Dort sammelt er mit dem Farmteam in der Swiss League erste Erfahrungen auf Profistufe, kommt mit knapp 23 Jahren zu seinem Debüt in der National League und führt den EVZ 2019 im Cupfinal zum Sieg. Doch mit der Ankunft von Leonardo Genoni ist für Aeschlimann beim EVZ kein Platz mehr. Es folgt der Wechsel nach Davos, wo er sich mit konstant guten Leistungen in den Fokus des Nationalteams spielt und 2022 sowie 2025 Teil des WM-Teams wird.
"Ich glaube, dass sich harte Arbeit immer auszahlt", sagt Aeschlimann. "Auch wenn es ab und zu Umwege gab." Er ist fest davon überzeugt, dass der Weg zum Erfolg stets mit Arbeit und Hingabe gepflastert ist. "Ich bin mit dem Mindset aufgewachsen, dass man für das, was man will, auch etwas tun muss." Auch seine Eltern hätten ihm diese Werte vermittelt, was er sehr schätzt.
Aeschlimanns Entwicklung hat auch das Interesse anderer Klubs geweckt. So soll der SC Bern um die Dienste des Emmentalers gebuhlt haben, jedoch ohne Erfolg. Im Gespräch mit Keystone-SDA gesteht Aeschlimann, der im Dezember 31 Jahre alt wird, dass er mit dem Gedanken gespielt hat, "wieder näher an die Heimat zurückzukommen", doch er kam zum Schluss: "Der Schritt kommt zu früh." Deshalb verlängerte er seinen auslaufenden Vertrag kurz vor Saisonbeginn mit dem HCD - und zwar gleich um fünf Jahre bis zum Ende der Saison 2030/31.
Damit ist er nicht der einzige Nationalspieler. Auch Lukas Frick (bis 29/30) und Sven Jung (bis 30/31) sowie die auf die nächste Saison nach Davos zurückkehrenden Dominik Egli (bis 31/32) und Ken Jäger (bis 32/33) haben sich über mehrere Jahre verpflichtet. Sportchef Jan Alston spricht von einem "starken Kern", den man aufbauen möchte.
Auch auf der zweiten Torhüterposition setzt der HCD auf Kontinuität. So wurde vor Saisonbeginn auch der Vertrag mit Luca Hollenstein um zwei Jahre verlängert. Der sechs Jahre jüngere Bündner kam ebenfalls aus Zug und bildet seit der letzten Saison zusammen mit Aeschlimann das vielleicht stärkste Schweizer Goalie-Duo der Liga. Sportchef Alston meint zur Goalie-Hierarchie: "Natürlich ist Sandro älter und hat mehr Erfahrung, aber ja, wir sehen sie gerne als 1A und 1B, es gibt keine klare Nummer eins."
Aeschlimann spricht von einem "sehr gesunden Konkurrenzkampf" mit Hollenstein. "Wir pushen uns gegenseitig und gönnen uns alles. Das macht es so wertvoll.“ Auch die Rotation zwischen den beiden Goalies sieht er als Vorteil: "Ich wäre der Letzte, der sagen würde, dass ich nicht jedes Spiel spielen will. Aber für den Kopf und den Fokus ist es gar nicht schlecht, mal abzutauschen.“
Trotz des starken Saisonstarts bleibt Aeschlimann realistisch. "Wir machen momentan vieles richtig, aber auch noch viele Fehler. Daran müssen wir arbeiten." Nach den Viertelfinals 2024 und den Halbfinals 2025 wäre im dritten Jahr unter Cheftrainer Josh Holden der Playoff-Final der logische Schritt. "Das ist sicher das Ziel", meint Aeschlimann. "Doch zuerst müssen wir die Top 6 erreichen. Letztes Jahr hatten wir auch eine gute Chance, aber mit sieben Verletzten ist es eben schwierig. Da braucht es auch das nötige Glück."
Die nächsten Wochen werden weitere Hinweise darauf liefern, wie sehr der HCD ein Titelkandidat ist. Schon am Wochenende warten mit den ZSC Lions, dem Schweizer Meister, und dem ersten Verfolger Genève-Servette die nächsten zwei Gradmesser.