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Der spanische Fussballexperte sieht die Selección klar favorisiert

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David Menayo Ramos kennt den spanischen Frauenfussball wie kein anderer. Der 43-jährige Journalist von der Sportzeitung Marca glaubt an einen lockeren Sieg gegen die Schweiz.

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David Menayo Ramos reiste 2013 als einziger spanischer Journalist mit dem Nationalteam mit. Jetzt ist er einer von 40 © KEYSTONE/SALVATORE DI NOLFI

In La Buvette von Stade Lausanne-Ouchy herrscht am Dienstagmittag Hochbetrieb. Während der Europameisterschaft ist das Juan-Antonio-Samaranch Stadion am Ufer des Lac Léman das Hauptquartier der Weltmeisterinnen aus Spanien. Tag für Tag finden sich die Medienschaffenden, die über "La Roja" berichten, in der zum Arbeitsraum umfunktionierten Buvette ein, lassen sich von zwei grossen Klimaanlagen kühle Luft zublasen und teilen mit den "Aficionados" zu Hause, was die "Selección" bewegt.

In einer gläsernen Vitrine liegen ein paar Packungen Chips, eine Handvoll Äpfel und Bananen, und in kleinen Plastiksäckchen sind Süssigkeiten abgepackt. Auf einer Schiefertafel hinter der Theke ist zu lesen, dass es hier manchmal auch Sandwiches, Hotdogs und Croque Monsieur zu kaufen gibt.

Es hat den Charme eines Vereins, der irgendwo in den Niederungen des Regionalfussballs kickt. Mit grossen Bildern der Spielerinnen versucht der königliche spanische Fussballverband zumindest etwas weltmeisterliches Flair in den mit Holztäfer ausgekleideten Raum zu bringen. In grossen, weissen Lettern steht auf einer violetten Wand: "Jugar, Luchar, Ganar", spielen, kämpfen, gewinnen.

Es ist der Leitspruch dieser Spanierinnen, die erstmals Europas Fussballthron besteigen wollen. Der Glaube daran, dass dies in der Schweiz gelingt, ist auch bei den Medienschaffenden gross. Einer von ihnen ist David Menayo Ramos.

Kein spanischer Journalist verfolgt das Frauen-Nationalteam Spaniens so lange wie er. Während des Studiums merkte der in Bilbao aufgewachsene Menayo Ramos, dass über die fussballspielende Kollegin gar nichts in den Medien zu lesen war. Das motivierte ihn, daran etwas zu ändern. Heute weiss niemand in Spanien so Bescheid über Frauenfussball wie er.

Seit 2007 arbeitet der 43-Jährige für die renommierte spanische Sportzeitung Marca. Bei seiner ersten Europameisterschaft 2013 in Schweden war er der einzige Medienschaffende aus Spanien, der das Team am Turnier begleitete. Heute ist er einer von rund 40.

Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA spricht Menayo Ramos darüber, wie Spanien zu einem der besten Teams der Welt geworden ist, er sagt, wo es selbst in seiner Heimat Verbesserungspotenzial gibt – und er verrät, worauf die Spanierinnen im Viertelfinal gegen die Schweiz aufpassen müssen.

David Menayo Ramos, wird Spanien Ende Juli erstmals bei den Frauen Europameister sein?

"Nach dem Gewinn des Weltmeistertitels 2023 ist alles möglich. Diesen Titel gewann Spanien damals, ohne die besten Spielerinnen, ohne am besten zu spielen. Jetzt ist das anders. Jetzt stimmen diese Faktoren. Deshalb glaube ich schon, dass die Spanierinnen Favoritinnen auf den Titel sind. Aber es ist wichtig, demütig und respektvoll zu sein. Es gibt sehr starke Teams in der K.o-Phase."

Welche Teams sehen Sie als grösste Gefahr an für Spanien?

"Die Französinnen verfügen über sehr viel Potenzial. Bei ihnen läuft es ähnlich wie lange Zeit mit Spanien: Sie haben immer ein gutes Team, schaffen es aber nicht, an einem Turnier zu gewinnen. Aber irgendwann werden sie es schaffen. Und es ist gut möglich, dass es dieses Mal so weit ist."

Und sonst?

"Deutschland erlebt zwar nicht seine stärkste Phase im Moment. Sie verfügen aber über grossen Kampfgeist. Im Halbfinal würde Spanien auf eines dieser beiden Teams treffen. Es wäre für mich der vorgezogene Final."

Wenn Spanien denn am Freitag gegen die Schweiz gewinnt.

"Die Schweiz steht verdient in den Viertelfinals, aber ich denke, dass Spanien das deutlich stärkere Team ist. Es wäre jedenfalls eine riesige Überraschung, sollte Spanien nicht gewinnen."

2015 waren sowohl Spanien als auch die Schweiz in Kanada erstmals an einer Weltmeisterschaft dabei. Jetzt gehört Spanien zur Weltspitze, die Schweiz nicht. Was hat Spanien in den letzten zehn Jahren besser gemacht?

"In Spanien ist der Pool an guten Spielerinnen viel grösser als in der Schweiz, und die Meisterschaft in Spanien ist viel stärker. Die besten Schweizer Spielerinnen verlassen die eigene Liga, die besten Spanierinnen bleiben fast alle in Spanien. Und ich denke, dass der Fussball gesellschaftlich einen höheren Stellenwert hat. In der Schweiz gibt es noch all die Wintersportarten wie Skifahren, die sehr beliebt sind."

Bei dieser WM 2015 überstand Spanien im Gegensatz zur Schweiz die Gruppenphase nicht. Die Spielerinnen revoltierten, forderten bessere Unterstützung vom Verband und bewirkten die Absetzung des langjährigen Trainers Ignacio Quereda. War diese Revolution ein entscheidender Wendepunkt in der Entwicklung des Frauenfussballs in Spanien?

"Ja. Es war der Zeitpunkt, als die Spielerinnen beschlossen, öffentlich zu machen, unter welchen Bedingungen sie Fussballspielen müssen, wie wenig Unterstützung sie vom Verband erhalten, dass sie zum Beispiel erst sehr kurzfristig an das Turnier in Kanada reisen durften – und dass es so unmöglich ist, Fortschritte zu erzielen."

Und dann?

"Es gab einen Umbruch. Ein Energieversorger stieg 2015 als Sponsor in der Liga ein, sodass alle Vereine plötzlich Geld hatten, das sie in Spielerinnen und Infrastruktur investieren konnten. Geld hilft natürlich immer, aber auch als der Sponsor ausgestiegen ist, haben die Klubs weiter investiert. Und durch die besseren Bedingungen wurden auch bessere Resultate erzielt. Plötzlich war es kein Glück mehr, dass sich Spanien für ein Turnier qualifiziert, sondern logisch. Weil die Spielerinnen die fussballerische Qualität schon immer hatten. Auch 1997, als das Team an der EM überraschend in den Halbfinals stand. Damals war aber gerade einmal eine Spielerin Profi."

Nicht nur 2015 wehrten sich die Spielerinnen, sondern auch 2022, als viele nicht mehr unter dem autoritären Trainer Jorge Vilda spielen wollten und deshalb dem Nationalteam fernblieben. Gehört dieses Revolutionäre zur "Selección"?

"Es gibt immer einen Punkt, an dem man sich nicht mehr weiterentwickelt, wenn man sich nicht wehrt. Wenn man sich mit dem Status quo zufriedengibt, stagniert man. Die Spielerinnen der "Selección" wollen sich immer verbessern und stellen hohe Anforderungen an sich selbst, aber auch ihr Umfeld. Sie wollen das Beste vom Besten, weil sie selbst das Beste vom Besten sind. Wir haben zwei Ballon d'Or-Gewinnerinnen, wir haben Spielerinnen vom FC Barcelona, dem Verein, der in den letzten Jahren in Europa dominiert hat. Wenn Dinge nicht gut laufen, müssen die Spielerinnen protestieren. Wie bei der ganzen Sache mit dem Kuss des Verbandspräsidenten Luis Rubiales nach dem WM-Titel. Solche Skandale haben den Verband gewissermassen zerstört, jetzt ist er aber auf neuem Fundament wieder aufgebaut."

Gibt es auch Dinge, die sich selbst in Spanien noch verbessern müssen?

"In der Primera División gibt es immer noch Stadien, in denen auf Kunstrasen gespielt wird, obwohl eigentlich auf Naturrasen gespielt werden sollte. Und die Fans sollten mehr ins Stadion gehen. Der FC Barcelona ist zwar das grosse Aushängeschild, aber kleinere Vereine nehmen Kürzungen immer zuerst in der Abteilung Frauenfussball vor – auch wenn eigentlich genug Geld vorhanden wäre. Natürlich ist Spanien anderen Ländern voraus, sonst würde es international nicht diese Ergebnisse erzielen. Aber ich glaube, dass es noch viel zu verbessern gibt – gerade auf Ebene der Liga."

Sie haben die beiden Weltfussballerinnen Alexia Putellas und Aitana Bonmati erwähnt. Wird Spanien immer solche Ausnahmekönnerinnen in seinen Reihen haben?

"Zum Glück können wir uns noch auf einige Jahre mit Alexia und Aitana freuen. Und es stimmt, dass sie beide oft im Mittelpunkt stehen, aber es gibt andere grossartige Spielerinnen in diesem Team. Mariona Caldentey, Patricia Guijarro oder die jungen Laia Aleixandri und Vicky Lopez, die auf ihren Positionen zu den Besten ihrer Generation gehören. Spanien hat nicht nur eine Generation guter Spielerinnen, sondern baut ein Team auf, das die nächsten zehn Jahre und darüber hinaus gut sein kann."

Also wird Spanien in den nächsten Jahren alles gewinnen?

"Das weiss ich nicht, aber Spanien wird sicher um Titel spielen. Die anderen Nationen arbeiten auch gut. Das darf man nicht ausser Acht lassen. Aber Spanien ist jetzt schon an einem ganz anderen Punkt. Als ich 2013 bei meiner ersten EM war, wollten alle Teams unbedingt gegen Spanien spielen, weil es einfach war, zu gewinnen. Heute will niemand mehr gegen Spanien spielen. Früher fuhren die Spanierinnen an ein Turnier und wussten, dass sie wohl bald wieder nach Hause reisen würden. Heute glauben sie daran, dass sie den Titel holen können. Diese Mentalität hat sich verändert. Bei den Spielerinnen, im Staff, bei den Fans und auch in den Medien."

Apropos Medien. In der spanischen Presse wird doch eher kritisch über das Nationalteam berichtet.

"Es gibt immer Dinge, die man verbessern kann, und es wird immer Dinge geben, die man kritisieren kann. Kein Team ist perfekt. Jetzt wird die spanische Verteidigung kritisiert, sie hat aber am zweitwenigsten Gegentore kassiert. Klar gibt es Schwachpunkte, die hat jedes Team, und wenn Spanien das Turnier gewinnen will, muss es daran arbeiten. Aber in der Wahrnehmung gibt es oft nur zwei Extreme. Entweder applaudieren oder kritisieren."

Es ist klar, dass viel Kritik kommen wird, sollte Spanien am Freitag gegen die Schweiz ausscheiden. Trainerin Montse Tomé lobte nach dem letzten Gruppenspiel explizit die Schweizer Trainerin Pia Sundhage und warnte vor dem Schweizer Spielsystem mit defensiver Fünferkette.

"Pia ist eine sehr erfahrene Trainerin, die in ihrer Karriere viel gewonnen hat. Davon profitiert die Schweiz. Aber Pia kann keine Berge versetzen. Ihr stehen die Spielerinnen zur Verfügung, die sie hat, und da verfügt Spanien über mehr Qualität. Die Schweiz hat jetzt mehr Biss als noch in der Nations League. Also denke ich nicht, dass es ein 7:1 gibt wie damals im Oktober 2023, aber Spanien wird sich trotzdem ohne grössere Probleme durchsetzen."

Mit Fünferketten bekundete Spanien aber auch schon Mühe.

"Spanien wird versuchen, den Ball in der Hälfte der Schweizerinnen zu halten und immer wieder nach innen und nach aussen spielen, bis ein Tor fällt. Spanien spielt so und kann nicht anders. Die Schweiz wird wohl auf Konter spielen. Da wird Spanien aufpassen müssen, hinten nicht zu viele Räume offen zu lassen."

Sydney Schertenleib wäre eine, die solche Räume nutzen könnte.

"Ich mag Sydney sehr. Sie hat sehr viel Potenzial. Natürlich muss sie sich noch entwickeln, aber bei Barcelona ist sie von den besten Spielerinnen umgeben. Und im Nationalteam gehört sie jetzt schon zu den wichtigsten. Ich denke, dass sie in wenigen Jahren eine superstarke Spielerin sein wird."

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